Matthias Beck - Glauben - Wie geht das?

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„Wozu noch Christentum?“ So fragen sich viele. Kann man das Christentum dem modernen Menschen des dritten Jahrtausends überhaupt noch zumuten? Steht der christliche Glaube im Widerspruch zur Vernunft? Sind die säkulare Ethik oder die esoterische Spiritualität ein zeitgemäßer Ersatz für das Christentum? Der Autor greift diese Themen auf und zeigt ein Christentum, das Antworten auf die drängenden Fragen des heutigen Menschen gibt. Wer bin ich? Wie finde ich mein Glück? Wie bekomme ich den richtigen Beruf? Wie finde ich den richtigen Lebenspartner? Warum gibt es so viel Leid in der Welt? Hat meine Krankheit einen Sinn? Der Kern der christlichen Botschaft wird neu herausgearbeitet, die Botschaft von der Größe und Einmaligkeit des Menschen wird überzeugend dargelegt. Es wird gezeigt, dass Christentum Befreiung, Lebensentfaltung und Leben in Fülle ist. Und damit genau das, was sich jeder Mensch wünscht.

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7. Der Mensch auf der Suche nach dem Unerklärlichen

Neben der Suche nach dem Absoluten hat das Denken der Menschen immer schon versucht, das Unerklärliche zu erklären. „Der Mensch strebt von Natur aus nach Erkenntnis“, so heißt es im ersten Satz der Metaphysik von Aristoteles. Und das ist gut so, könnte man sagen. Der Mensch will verstehen, wie die Welt funktioniert, welche Kräfte in ihr wirken und was die Welt im Innersten zusammenhält. (Goethe) Er sucht Erklärungsmodelle für die Welt. Mit seinem Geist versucht er, die Natur zu verstehen. Er will einerseits wissen, wie sie funktioniert, und andererseits will und muss er sie gestalten. Er gestaltet Natur, um von ihren Gewalten nicht zermahlen zu werden.

Aber über diese Naturbeherrschung hinaus will er sein Denken und Fühlen auch ausdrücken in Musik, Wort, Bild, Skulptur und Gebäuden. Er schafft Kultur. Er denkt nach über den Tod, er wird mit Fragen konfrontiert, die er nicht lösen kann, es bleibt immer ein Rest des Unerklärlichen. Auch im Bereich moderner Naturwissenschaften tauchen mit einer beantworteten Frage 20 neue Fragen auf. Das Nichtwissen wird mit jedem Wissen größer. Es steigt nahezu exponentiell. Das Leben und seine Interpretationen entziehen sich dem vollständigen Zugriff.

Da man lange Zeit in der Geschichte keine naturwissenschaftlichen Erklärungen für Naturphänomene hatte, hat man oft Göttergeschichten „erfunden“, die das Unerklärliche und Unverständliche irgendwie erklärbar und „fassbar“ machen. Man findet diese Göttergeschichten in Mythen und Mythologien. Womöglich sind aber auch diese „Geschichten“ nicht nur aus der menschlichen Perspektive erfunden worden, sondern es wirkte in ihnen schon ein anderer (göttlicher) Geist. Religionen sind keine reine Philosophie. 11Allerdings kann man argumentieren, dass wohl auch in einer platonischen oder aristotelischen Philosophie bereits ein göttlicher Geist gewirkt hat. Bereits an dieser Stelle stellt sich die Frage, wie der Begriff der Religion zu definieren ist (was hier nicht geleistet werden kann) und wie menschliches und göttliches Wirken zusammenwirken.

So war man auf der Suche nach dem Unerklärlichen und belegte dieses mit Göttergestalten. Denn hatte man das Unerklärliche erst einmal personifiziert und einen Götternamen dafür gefunden, konnte man diese Götter anbeten, ihnen etwas opfern und sie gnädig stimmen. Sollten Göttergestalten für die Kräfte der Natur stehen, kann man die zerstörerischen oder erhaltenden Kräfte in der Natur besser „bändigen“. Mit Hilfe der Opfer für die Götter konnte man sie selbst und damit auch die Natur „gnädig stimmen“ und ihrer besser „Herr“ werden. Man konnte Rituale entwickeln für die Anbetung oder das Opfer für die Götter.

Diese Zeiten der vielen Götter sind in der westlichen, naturwissenschaftlich geprägten Welt weithin vorbei, wenngleich sich auch im Christentum noch Relikte dieser Vorstellungen finden. Heute versucht man das Unerklärliche mit Hilfe der (Natur-)Wissenschaften zu erklären. Man stellt bestimmte Hypothesen auf und versucht diese mit naturwissenschaftlichen Methoden zu bewahrheiten (verifizieren) oder abzulehnen (falsifizieren). Die alten Göttergestalten, die Platzhalter für das Unerklärliche waren, sind in den Hintergrund getreten. Bestimmte Gottesvorstellungen sind von den Naturwissenschaften verdrängt worden. Viel Unerklärliches ist erklärbar geworden. Wenn naturwissenschaftliche Erkenntnisse derartige Gottesvorstellungen zurückdrängen, dann scheinen sich Gottesvorstellungen im Lauf der Zeit zu ändern. So lief es auch in der Geschichte. Von Naturreligionen über die „Vergöttlichung“ von Unerklärlichem verlief die Geschichte über den Vielgötterhimmel des Hinduismus, der in anderer Weise auch in der griechischen Philosophie und im Umfeld des Volkes Israels zu finden war, hin zum Eingottglauben des Volkes Israel.

Die Suche nach dem Unerklärlichen ragt auch über den Tod hinaus. Der Tod ist für den Menschen dunkel und undurchdringlich, er weiß nicht, was dahinter ist. Gleichzeitig ragt der Mensch mit seinem Denken über den Tod hinaus, aber er bekommt von drüben keine Antwort. Das Dunkel des Todes wird nicht erhellt. Allein die menschlichen Gedanken ragen darüber hinaus und machen sich Vorstellungen vom Jenseits. Angesichts der Endlichkeit und des Todes entsteht auch das Nachdenken über ein Leben nach dem Tod.

Und wiederum sind es die Religionen, die nicht nur über das Unerklärliche in der Welt und über ihre Gottesvorstellungen reflektieren, sondern auch über ein Weiterleben nach dem Tod: in Asien im Zusammenhang mit Reinkarnationsideen, im Judentum im Kontext mit Vorstellungen einer ausgleichenden Gerechtigkeit für die Ungerechtigkeiten dieser Welt (die Jenseitsvorstellungen entwickeln sich im Volk Israel erst relativ spät in den Makkabäerbüchern), im Christentum über ein Sein bei Gott in Form einer leiblichen (nicht körperlichen!) Auferstehung, im Islam mit Paradiesvorstellungen. Im Folgenden soll nun zusammengefasst werden, ob sich aus dem bisher Dargestellten einige plausible Gottesvorstellung entwickeln lässt und sich richtige von falschen Gottesvorstellungen trennen lassen.

8. Annäherungen an plausible Gottesvorstellungen

Wenn man die Suche des Menschlichen nach dem Absoluten, seine Suche nach dem Unerklärlichen, seine Sehnsucht nach Bleibendem, seine Sehnsucht nach Liebe und Angenommensein und seine Sehnsucht nach Unzerstörbarem über den Tod hinaus zusammendenkt, kann man versuchen, sich heranzudenken an Gottesvorstellungen, die für ihn einigermaßen plausibel sind. Mancher Mensch setzt einfach voraus, dass es einen Gott „gibt“. Aber woher weiß er das? Schafft er sich nicht seinen Gott nach seinem Bild? Erfindet er nicht einen Gott nach den Kriterien, die seiner Sehnsucht entsprechen? Vielleicht sind diese Vorstellungen auch Ausdruck davon, dass er mit dem Leben nicht zurechtkommt und Angst hat vor dem Leben oder dem Tod? Möglicherweise will er auch jemanden verantwortlich machen für das Chaos und das Leid in der Welt?

Wie kommt der Mensch von seinem erfundenen und gedachten Gott zum „wahren“ Gott? Wie kommt er von dem Gott, den er selber projiziert hat, (Feuerbach) zu jenem Gott, der „wirklich“ da ist, der „existiert“, 12und der das Sein im Innersten zusammenhält? Wie schafft er den Überstieg aus seiner menschlichen Perspektive hinein in jenen Raum, der wirklich der Raum Gottes selbst ist? Kann der Mensch überhaupt in jene andere Dimension Gottes hineinkommen, so dass er tatsächlich von Gott her auf die Welt schaut? Anders gefragt: Wie kann „Gott“ den Menschen hinüberziehen auf seine Seite, sodass der Mensch von dort her die Welt und die eigene Existenz betrachtet?

Die erste Frage nach Gott geht – so hatten wir schon gesagt – vom Menschen aus. Es ist die philosophische Frage nach dem Absoluten. Die zweite Frage ist, ob es dieses Absolute gibt und wie dieses Absolute in dieser Welt „da“ ist. Die dritte Frage ist, wie man es findet. Die vierte, ob das Absolute indirekt da ist oder direkt, ob es personal ist, apersonal oder sächlich. Diese Fragen wurden bisher schon teilweise beantwortet. Die zentrale Frage aber ist, ob es denkbar ist, dass dieses Absolute über das indirekte und implizite Dasein in den Dingen auch explizit selbst in Erscheinung treten und mit dem Menschen Kontakt aufnehmen kann.

Kontakt aufnehmen mit dem Menschen kann nur ein Wesen, das mindestens die „Ausstattung“ des Menschen hat: Es muss Geist, Vernunft, Verstand und möglichst auch Gefühl und Gespür haben. Es müsste ein personales Gegenüber sein, das von sich selbst sagen kann, welche Eigenschaften es besitzt. Es müsste sich in einem ersten Schritt dem Menschen zeigen und bekannt geben, dass es da ist und als personales Gegenüber in Erscheinung tritt. Zweitens müsste es über das Bekenntnis seines Daseins hinaus auch etwas über sein So-sein aussagen, nämlich wie es ist, ob es gut oder böse, barmherzig oder unbarmherzig, liebend oder strafend ist. Es müsste schrittweise sein Innerstes preisgeben. Es müsste sich offenbaren. Sonst wären es wieder nur menschliche Projektionen.

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