Wir zeigten euch heut im Verlauf unsres Stücks
Weder […] noch Dressur, noch artistische Tricks,
Es ist nur eine Posse und gar nicht von heut,
Nicht einmal ein Bearbeiter hat sie erneut;
Doch wir hoffen trotzdem, daß wir heute Nacht
Nicht nur uns, nein auch euch einen Jux haben gemacht,
Und ihr sagt beim Heimgehn: Es war zwar was Alt’s,
Schon lang nimmer wahr, aber uns unterhalt’s.
[Auch merkte er an,] dass kein Bearbeiter das Stück erneuert hatte, war gelogen.17
Die Premiere mit Oskar Karlweis als Weinberl, Friedl Czepa als Christopherl und Hans Moser als Hausknecht Melchior fand am 16. Oktober 1934 als Festvorstellung statt. Damit war zum ersten Mal in einem großen Theater ein Text von Hans Weigel zu hören, der unter Nestroys Stern stand – ein Stern, der ihm stets sehr lieb war und dem er sein Leben lang treu bleiben sollte.
Im Frühjahr 1935 bestellte das Raimund Theater bei Rudolf Weys und Hans Weigel eine literarische Revue, die sie Kehret zurück – alles verziehen nannten. Die beiden Autoren griffen auf bewährte Nummern der „Literatur am Naschmarkt“ zurück, die zusammen mit neu erarbeiteten eine bunte Folge ergaben. Premiere war am Samstag, den 1. Juni 1935, die am selben Tag in der Neuen Freien Presse angekündigt wurde: „Ein heiterer Wiener Bilderbogen mit einer Handlung, zwei Teilen, sechs Hauptgestalten und 24 Bildern, dem Raimund-Theater auf den Leib geschrieben von Hans Weigel und Rudolf Weys. Unter Musik gesetzt von Walter Drix und Hans Horwitz.“ Die Besprechung in der Neuen Freien Presse vom 4. Juni 1935 zeigte dann sehr treffend die Umstände der Kleinkunst auf: „Es gibt jetzt in Wien eine Menge junger Talente fürs Kabarett, für Spotteinfälle, karikierte Dramatik, verschleiertes Bonmot. Die Verfasser, Schauspieler, Regisseure und auch Komponisten, alles en miniature, sind so zahlreich, daß sie auf den vielen und immer mehr werdenden kleinen Podien nicht unterkommen können. […] Daher das Experiment im Raimund-Theater, das fürs erste geglückt ist und von einem starken äußeren Erfolg begleitet schien.
Hans Weigel und Rudolf Ernst Weys haben aus alten Stücken, die früher schon auf dieser Bühne zu sehen waren, sehr geschickt ihren Bilderbogen zusammengestellt, mit Figuren von Raimund, dem braven Schwejk, Mackie Messer usw. Es war alles lose und fast improvisiert, mit kleinen, guten Einfällen verbunden. Es wurden lustige Anspielungen gemacht, wirksame aktuelle Scherze gebracht, Parodien und Verulkungen, wozu auch schmissige Musik von Walter Drix und Hans Horwitz eingesetzt wurde. […] Einige ganz vorzügliche Leistungen wurden mit stürmischer Heiterkeit bedacht […] Der Fall war neu und darum besonders reizvoll und der laute Beifall am ersten Abend gab den Veranstaltern recht.“
Auch in der jüdischen Wochenschrift Die Wahrheit vom 7. Juni 1935 ließ sich auf der letzten Seite eine kleine Zusammenfassung finden: „,Kehret zurück – alles verziehen!‘ rufen die Autoren der gleichnamigen Revue Hans Weigel und Rudolf Ernst Weys den Damen und Herren zu, die vor Jahr und Tag im Raimund Theater, wo diese unterhaltsame Revue jetzt gegeben wird, den Spielplan beherrschten. Und so kehren das Dreimäderl-Kleeblatt, Schwejk, Lunk und Mackie Messer zurück und das Publikum verzeiht ihnen nicht nur diese fröhliche Wiederkehr, sondern wird die Herrschaften gewiss noch lange festhalten. Gespielt wird diese große Sache der bekannten Kleinkunstautoren, zu der die nicht minder bekannten Hausmusiker des gleichen Genres Walter Drix und Hans Horwitz die Musik schrieben – die beiden begleiten selbst am Doppelklavier – unter der feinfühligen Regie von Josef Glücksmann ausgezeichnet. Manfred Inger sei besonders gelobt.“
Walter Drix hieß, wie bereits erwähnt, eigentlich Herbert Zipper und Weigel bezeichnete ihn als einen seiner großen Freunde, was Zipper 1989 in einem Interview mit Thomas Trenkler für diese Zeit vor 1938 bestätigte: „Ich war viele Jahre sehr eng mit dem Hans. Ein paar Nummern, die ich mit ihm geschrieben habe, waren sehr populär: Zuletzt arbeiteten wir an einer Oper, die ich nicht fertigschreiben konnte, weil eben die Nazis gekommen sind. Und 1936 entstand für die Literatur am Naschmarkt ,Das Lied vom Krieg‘. Ich kam damals gerade von Russland zurück. Wir beide hatten fürchterliche Visionen, dass diese Dummheit, der Krieg, wieder anfangen könnte. Da hat er [Weigel] ,Das Lied vom Krieg‘ geschrieben. Das war sehr ergreifend, sehr ernst, sehr ehrlich. Und ich hab die Musik dazu geschrieben.“18
Ein Jahr nach seinem Nestroy-Couplet in der Josefstadt wurde Hans Weigel vom Volkstheater aufgefordert, mehrere Couplet-Strophen für Nestroys Verhängnisvolle Faschingsnacht zu schreiben: Premiere war am 15. Jänner 1936 mit Vilma Degischer, Jane Tilden und Hans Thimig unter der Regie von Arthur Schnitzlers Sohn Heinrich. Außerdem schrieb er Zusatzstrophen für „Wiener Spezialitäten“ in Ralph Benatzkys Der reichste Mann der Welt (Text von Hans Müller, Uraufführungspremiere am 3. April 1936), die von Max Hansen mit großem Erfolg in Heinrich Schnitzlers Inszenierung gesungen wurden. So oft er konnte, nahm Hans Weigel an den Proben teil, wie er es bereits in den Kellern auch schon getan hatte, da ihn diese immer wieder faszinierten. „Ich gewann in diesen Jahren das, was jeder, der für das Theater schreibt, so dringend braucht und so selten bekommt: Praxis im Umgang mit einem Text auf dem Weg in die optisch-akustische Dreidimensionalität. Ich schrieb etwas und erlebte am nächsten Tag die Verwandlung des Geschriebenen in Gesprochenes und Gespieltes. Ich lernte kürzen, ändern, bearbeiten, anpassen.“19
Im Frühjahr 1936 stellte sich auch das Akademietheater ein und wünschte Gesangstexte zum musikalischen Lustspiel Der Schneider im Schloss von Paul Armont und Léopold Marchand mit der Musik von Alexander Steinbrecher. Das Stück hatte am 10. Mai 1936 Premiere und erlebte bis Ende Jänner 1938 79 Aufführungen mit so bekannten Schauspielern wie Hermann Thimig, Maria Eis und Maria Kramer. 1943 wurde das Lustspiel mit Musik auch im Renaissance-Theater Berlin gegeben.
Es war dann Max Hansen, der 1936 im Theater an der Wien durchsetzte, dass Weigel als Autor für die Gesangstexte von Ralph Benatzkys musikalischem Lustspiel in drei Akten, Axel an der Himmelstür (Libretto von Paul Morgan und Adolf Schütz), hinzugezogen wurde, da auch der Komponist Weigels Liedtexte zu schätzen gelernt hatte. „Ich war nicht ohne Selbstvertrauen, aber doch in heikler Lage. Ich musste mich gegen Morgan und Schütz auf Benatzky und Hansen, die ich kannte, verlassen. Finanziell war, noch immer, alles recht uneigennützig.“20 Denn für den Komponisten und die Librettisten bestanden schon Verträge, sodass Morgan und Schütz für die Liedtexte nur den minimalen Anteil von 1,5 Prozent an Weigel abzugeben willens waren. Axel an der Himmelstür war die Eröffnungspremiere der Direktion von Arthur Hellmer im Theater an der Wien, der als renommierter österreichischer Direktor aus „rassischen Gründen“ Frankfurt verlassen hatte müssen, wo er mit Max Reimann 1911 das „Neue Theater“ gegründet hatte. Ursprünglich war Liane Haid für die Hauptrolle der Gloria Mills vorgesehen, die das Projekt jedoch im letzten Moment verwarf. Im Gespräch war dafür dann sogar Greta Garbo, doch Max Hansen, der die Rolle des Axel Swift übernommen hatte, setzte sich für eine in Österreich bislang unbekannte schwedische Schauspielerin ein: Zarah Leander. Heidemarie Hatheyer erhielt die Rolle ihrer Dienerin Dinah und Manfred Inger den Ausstattungschef, um zwei weitere Namen aus der Uraufführungsbesetzung zu nennen, die auch heute noch geläufig sein dürften.
Hellmer hatte Weigel beauftragt, die Gesangstexte mit Benatzky neu zu schreiben. Sie arbeiteten in Benatzkys Villa in Thun in der Schweiz. „Die Generalprobe von ,Axel an der Himmelstür‘ war aufregend. Nach einer Introduktion tritt die Heldin Gloria Mills auf, eine schöne, rothaarige, spröde, großgewachsene Person. Es war ein Schock. Aber bald löste sich der Schrecken, die Persönlichkeit der Zarah Leander triumphierte, und der Charme des Max Hansen tat viel dazu, daß ,Axel‘ erfolgreich war. Der Erfolg war groß, er währte bis Ende Jänner, fünf Monate. Dann kam noch eine zweite Besetzung, aber das war nur ein Abklingen.“21
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