Janko Ferk
Bauer Bernhard
Beamter Kafka
Dichter und ihre Zivilberufe
Cover
Titel Janko Ferk Bauer Bernhard Beamter Kafka Dichter und ihre Zivilberufe
Zitate Ich glaube, Du hast es nicht genug begriffen, daß Schreiben meine einzige innere Daseinsmöglichkeit ist. Franz Kafka Schnitze das Leben, aus dem Holz, das du hast. Altrussische Weisheit
Der Schriftsteller lebt nicht nur für die oder von der Literatur allein
Notiz zum Buch
Einleitung
Beinahe ein Plädoyer für den Dichter mit Zivilberuf
Hofrat Franz Grillparzer
Ein österreichischer Nationaldichter
Journalistin Berta Zuckerkandl
Die Salonière des weltoffenen Wien
Richter Anton Wildgans
Ein Jurist, Dramatiker und Lyriker
Beamter Franz Kafka
Gerechtigkeit und Weltliteratur
Arzt Arthur Schnitzler
Literarische und medizinische Diagnosen
Rechtsanwalt Albert Drach
Ein Schriftsteller mit unverwechselbarem Markenzeichen
Lehrerin Friederike Mayröcker
Die Magierin der österreichischen Lyrik105
Bauer Thomas Bernhard
Der Literaturklassiker im Vierkanthof
Übersetzerin Barbara Frischmuth
Die menschliche Schriftstellerin mit Weitblick
Landnahme und Fluchtnahme
Ein persönliches Nachwort
ANHANG
Kurzbiografien
Literatur
Primärliteratur
Briefe
Sekundärliteratur
Beiträge in Zeitschriften und Zeitungen
Internetliteratur
Bildnachweis
Impressum
Ich glaube, Du hast es nicht genug begriffen, daß Schreiben meine einzige innere Daseinsmöglichkeit ist.
Franz Kafka
Schnitze das Leben, aus dem Holz, das du hast.
Altrussische Weisheit
Der Schriftsteller lebt nicht nur für die oder von der Literatur allein
NOTIZ ZUM BUCH
Die österreichische Literatur hat einige Dichterinnen und Dichter, Epiker, Hörspielautoren, Lyriker oder Dramatiker mit „ziviler“ beziehungsweise „bürgerlich-geordneter“ Ausbildung hervorgebracht. Nicht jeder Dichter hat oder konnte immer als freier Schriftsteller leben. Vom Dichterjuristen im engeren Sinn, der sein Studium abschloss, wie Franz Kafka, bis zur Autorin-Übersetzerin, beispielsweise Barbara Frischmuth, gibt es einige Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die auch in einem „zivilen“ Beruf reüssierten oder vielmehr sehr erfolgreich waren. Seit Goethes Zeiten waren freilich die meisten Doppelbegabungen als Dichterjuristen tätig.
Naturgemäß haben viele Schreibende auf Wunsch und wohl auch wegen der Sorge ihrer Eltern eine Lehre oder ein Studium, etwas „Anständiges“, wie landläufig gesagt wird, begonnen. Nach dem Ende der Ausbildung und der Etablierung im Beruf erlangt das „Schreiben“, nämlich das Verfassen von Dramen, Gedichten oder Romanen, bei vielen wieder verstärkte Bedeutung. Fiktionales Schreiben steht dabei entweder neben der beruflichen Tätigkeit oder tritt – bei entsprechendem Erfolg – ganz an seine Stelle.
In diesem Buch sollen anhand wichtiger österreichischer Schriftstellerinnen und Schriftsteller aus der Vergangenheit und Gegenwart gezeigt werden, dass sich zwei Karrieren, meist beide erfolgreich, verbinden lassen. Der Autor weiß, worüber er schreibt, er ist selber als Jurist, Lehrender und Schriftsteller tätig, was er wohl auch einem seiner Lehrer zu verdanken hat. Er ist ein freier Schriftsteller, aber ein freischaffender war er nie.
Vermutlich halte ich an dieser Stelle zum ersten Mal schriftlich fest, das heißt, ich bekunde und dokumentiere, dass mein verehrter Deutschlehrer, der wusste, dass ich „schreibe“, zwei oder drei Jahre vor der Matura begonnen hat, an mich geradezu zu appellieren, ein Studium zu absolvieren, sozusagen einen Brotberuf zu erlernen, und erst „neben“ diesem als Schriftsteller tätig zu sein. Heute bin ich dem promovierten Germanisten Anton Feinig für seine Ratschläge dankbar. Er war, nebenbei bemerkt, ein weiser Mann, dessen Lebenselixier die Musik war. Auch denke ich immer wieder an ein Motto meines friulanischen Dichterfreunds Hans Kitzmüller, der einmal gemeint hat: Wir leben nicht von der Literatur, sondern für sie.
Eines ist mir besonders unter die Haut gegangen: Als Student habe ich für ein literaturaffines Wiener Monatsmagazin ein Interview mit dem großartigen österreichischen Schriftsteller Bernhard Hüttenegger geführt, der betont hat, man könne nur in Würde schreiben, wozu die nötigen finanziellen Mittel unabdingbar seien. Meine spätere unumstößliche Erfahrung war, dass einem der erste Beruf die Würde für den zweiten verschafft und umgekehrt. Jedenfalls den nötigen Unterhalt, um – auch – für die Literatur leben zu können.
Und etwas geradezu Anekdotisches möchte ich ebenso aufschreiben: Matej Acceto, heute Professor an der Juridischen Fakultät der Universität Ljubljana, der auch schon zu einer Gastprofessur nach Harvard eingeladen war, studierte in der zweiten Hälfte der Neunzigerjahre des vorigen Jahrhunderts an seiner Stammuniversität. In einem Blogspot berichtete er am 16. September 2006 über die Anfänge als Student, als er in den Gängen seiner Fakultät ein Plakat entdeckte, dessen Inhalt ihm immer noch präsent ist: „France Prešeren, Johann Wolfgang von Goethe, Franz Kafka, Alojz Gradnik, Carlo Goldoni, Marcus Tullius Cicero, Friedrich Schiller, Janko Ferk, … Alle waren Juristen und trotzdem oder gerade deswegen auch Dichter.“ 1Nie habe ich gehört, gelesen oder gesehen, dass Rechtswissenschaften irgendwo in der Welt intelligenter angepriesen worden wären.
Vielleicht hat der Schriftsteller mit Zivilberuf sogar etwas weniger Angst vor dem weißen Blatt Papier …
Klagenfurt/Celovec, am 26. Oktober 2015 J. F.
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http://kontekst.blogspot.co.at/2006/09/pravo-in-literatura-na-pfneko.html (abgerufen am 14. 09. 2015)
BEINAHE EIN PLÄDOYER FÜR DEN DICHTER MIT ZIVILBERUF
Ein unbefangenes Urteil darf vorweggenommen werden: Eine Schriftstellerin und ein Schriftsteller, wenn auch keine österreichischen, haben sich in unserem Jahrhundert zweifellos als Dichterjuristen etabliert, nämlich Bernhard Schlink und seine streitbarere Kollegin Juli Zeh.
Aber was ist nun ein Dichterjurist? Der Begriff bezeichnet Dramatiker, Epiker oder Lyriker mit akademisch-juristischer Bildung. Den Terminus hat Eugen Wohlhaupter 1in den Fünfzigerjahren des vorigen Jahrhunderts etabliert und es verwenden ihn sowohl die Literatur- als auch die Rechtswissenschaft. Vom Dichterjuristen im engeren Sinn, der sein Studium, meist mit Promotion, abschloss, so zum Beispiel Johann Wolfgang von Goethe, Franz Kafka oder France Prešeren, lässt sich der Dichterjurist im weiteren oder weitesten Sinn unterscheiden, also jemand, der sein Studium abbrach, beispielsweise Jacob Grimm oder Peter Handke.
Das Thematisieren von Literatur und Recht überrascht nicht, zumal diese Materie in den vergangenen Jahren zu einem der innovativsten Forschungsfelder der Literaturwissenschaft geworden ist. Die Untersuchungen darüber sind im Übrigen naheliegend, weil das Medium – sowohl der Literatur als auch des Rechts – die schriftlich fixierte Sprache ist. Sie ist ein zentraler Gegenstand der Arbeit des Juristen, der während seines gesamten Berufslebens mit Wörtern, Sätzen und Texten konfrontiert ist. Zeit seines Lebens setzt er sich mit bestimmten Sprachprodukten auseinander und hat zwischen ihnen Verbindungen herzustellen. Autor und Jurist stehen gleichsam in einem Zielkonflikt, zumal das Recht normative Grenzen zu ziehen bestrebt ist, die die Literatur – als Kunst – wohl andauernd zu überschreiten versucht.
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