Die ehemals weiße Raufasertapete hatte sich vom Kiffen gelb gefärbt. Bens Zimmer quoll über mit zerfledderten Comics und Spielzeugschrott. Aus einem Terrarium stank es nach verwesendem Fleisch.
In Freds Schlafzimmer lagen drei Matratzen wie zufällig auf dem Boden verstreut, darüber Berge von Kissen und Laken. Es konnte mich nicht mehr in Erstaunen versetzen, als sich plötzlich eine Bettdecke bewegte, ein dünner Frauenarm ausfuhr, nach einer der zahllos herumstehenden Wodkaflaschen griff und Arm mit Flasche wieder eingezogen wurde. Wir hörten drei ordinäre Gluckser, dann war wieder Ruhe.
Eberhard hatte den Zwischenfall völlig ignoriert. Er sagte nur: „Und dieses Zimmer lässt sich später einmal phantastisch als Kinderzimmer nutzen.”
Wenn man einmal von dem verwahrlosten Zustand absah, war die Wohnung wirklich nicht schlecht: Vier große helle Räume, zwei Bäder und ein großer Balkon.
Britta und ich traten an das Wohnzimmerfenster. Mit diesem Ausblick hatten wir nun wirklich nicht gerechnet: Unserem Blick bot sich eine kleine Parkanlage. Dahinter war ein kleiner Badesee, in dem einige Kinder herumplanschten.
In dem Moment machte es bei uns „Klick”. Das ganze Chaos schien nicht mehr vorhanden zu sein. Selbst eine Kakerlakenstraße vom Abzugsschacht im Badezimmer bis zur Küche, hätte uns jetzt nicht mehr abschrecken können.
Britta flüsterte mir ins Ohr: „Das ist es, Hartmut! Genau so eine Wohnung habe ich mir vorgestellt!”
Eberhard trat hinzu und ich fragte: „Was soll sie denn kosten?” Auf diese Frage hatte Eberhard gewartet. Er wusste nun, dass er uns in der Hand hatte und diesen Moment genoss er sichtlich. In seinen kurzsichtigen Augen sah ich schon die Dollarzeichen.
„180.000 Euro”, sagte Eberhard. Als ich merklich schluckte, verbesserte er sich schnell: „Na, weil ihr es seid, 175.000 Euro. Das ist ein absolut fairer Preis.”
Die Summe lag noch um 25.000 Euro über unserer Schmerzgrenze. Mir lag Handeln und Feilschen überhaupt nicht. Am liebsten gehe ich in einen Aldi-Laden, zahle meine 2,60 Euro für 465 Gramm Gouda und das war’s dann. Und hätte ich 175.000 Euro gerade zufällig bei mir gehabt, wäre das Geschäft auf der Stelle perfekt gewesen. So musste ich mich wohl oder übel mit dieser Giftnatter herumschlagen.
Da kam mir mit einem Mal ein rettender Gedanke: Es gab noch einen Joker, um den Kaufpreis zu drücken und der hieß Fred!
„Eberhard”, höhnte ich, „du glaubst doch nicht im Ernst, dass dein Kumpel mit seinem Krümelmonster hier freiwillig ausziehen wird!” Eberhard war empört.
Seine spontane Reaktion auf den Einwand hätte uns schon stutzig machen müssen. Denn als wenn er mit diesem Einwand gerechnet hatte, zog er sofort einen Briefumschlag aus seinem Sakko. In dem Briefumschlag war eine Erklärung, mit der sich Fred verpflichtete, innerhalb von einem Monat nach Verkauf der Wohnung auszuziehen.
Mutig schlug ich dennoch einen Preis von 150.000 Euro vor, um das Restrisiko abzudecken und verwies auf den Zustand der Wohnung: „Wenn es ein freistehendes Haus wäre, müsste man es abreißen lassen!”, bemerkte ich kühn.
Eberhards Augen traten hervor, es hätte nicht viel gefehlt und er wäre mir an die Gurgel gegangen: Er hätte es nicht nötig, die Wohnung zu verschenken! Und dann folgten einige unschöne beleidigende Äußerungen über meinen Berufsstand. 165.000 Euro wollte er haben und keinen Cent weniger!
Intuitiv wusste ich: Diese Zahl steht fest. 165.000 Euro – das war der Preis unseres Ruins. Ich sah Britta an, die verträumt aus dem Wohnzimmerfenster auf den Badesee starrte und spürte, dass es nun kein Entrinnen mehr gab.
Als ich in Eberhards Hand einschlug, sah ich in das schmerzverzerrte Gesicht eines gebrochenen Mannes, dem man das Letzte für ein gammliges Butterbrot abgenommen hatte.
Aber die Eiligkeit, mit der er den Notartermin ausmachte, ließ bei mir wieder Zweifel an der Richtigkeit unserer Entscheidung aufkommen…
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