Artur Weiß
BEGEGNUNGEN IM DDR-KNAST
Sittlichkeitsdelikte im DDR-Strafvollzug und -Strafrecht
Engelsdorfer Verlag
Leipzig
2015
Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.deabrufbar.
Copyright (2015) Engelsdorfer Verlag Leipzig
Alle Rechte beim Autor
Umschlaglayout: Karsten Müller
www.network-mediaservice.de
Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)
1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2015
www.engelsdorfer-verlag.de
Cover
Titel Artur Weiß BEGEGNUNGEN IM DDR-KNAST Sittlichkeitsdelikte im DDR-Strafvollzug und -Strafrecht Engelsdorfer Verlag Leipzig 2015
Impressum Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Copyright (2015) Engelsdorfer Verlag Leipzig Alle Rechte beim Autor Umschlaglayout: Karsten Müller www.network-mediaservice.de Hergestellt in Leipzig, Germany (EU) 1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2015 www.engelsdorfer-verlag.de
Vorwort
Mein Bedürfnis
Neuanfang 1945 in der Russischen Zone
Folterhafte Taktik in der U-Haft
Gespräche mit Tätern und Sonstiges
Geteiltes Leid und Freude
Arbeit in der Küche
Der Weg und Begleiterscheinungen bis zum Mord
Die Strafe für den Henker
Vorbereitung zu meiner Gerichtsverhandlung
Auf dem Weg zum Strafvollzug
Sie hat mich nicht ernst genommen
Zur DDR Amnestie am 13.10.1972
Einzug in Berlin Rummelsburg
Bodos geheime Familie
Der Alltag hinter Gittern
Bodo startet durch
Gnadenlose Bestrafung in der JVA
Wilceks schamlose Sittentat
Arbeiten in ZW und Sonstiges
Wie Fred zum Täter wird
Freds Handeln endete blutig
Sabotage bei Bauabnahme
Gitter für ein Gerichtsgebäude und Alltägliches
Hilfe für einen jungen Täter
Baustelle Gitterwerk Berlin
Silvias Rache
Der Neuzugang
Meinungen von Täter zu ihrer Tat
Der Bau einer Turnhalle
Schlusswort
Weitere Bücher
In meiner Generation war das Zusammenleben von Mann und Frau ein Tabu-Thema, über das gar nicht oder kaum gesprochen wurde. Es wurde streng darauf geachtet, dass wir Kinder bei solchen Gesprächen nicht zugegen waren. Es kam nicht selten vor, dass, wenn Eltern ihre Tochter nach ihrem Freund befragten, es ihr die Schamröte in das Gesicht trieb. Wir Kinder sahen unsere Eltern niemals völlig entblößt. Dieses Schamgefühl ist auch auf uns Kinder übergegangen. Das hat sich erst im Erwachsenwerden leicht geändert. Auch die Beziehungen der Geschlechter untereinander war für uns Neuland. Im Besonderen die Beziehungen Gleichgeschlechtlicher, das ist für mich heut noch unakzeptabel. Das ist für mich und viele andere nicht mit dem Glauben in Einklang zu bringen, weil es da heißt: „Liebet und vermehret euch“. Leider sind diese Werte bei vielen über Bord gegangen, und Jüngere widmen sich stattdessen nur ihrem Vergnügen. Das DDR-Strafrecht hat über Homo und Sitte besonders streng geurteilt. Was unter dem Begriff Sittlichkeit (Sitte) alles möglich ist, habe ich in der U-Haft und später im Gefängnis aus Gesprächen und Akten Verurteilter entnommen. Manches habe ich auch beobachten können. Warum ich mit einer hohen Haftstrafe in Berlin Rummelsburg eingezogen bin und mich mit dem Thema Sittlichkeit befasse, wird in diesem Buch zu lesen sein. Um alle beschriebenen Ereignisse besser verstehen zu können, ist es notwendig zu wissen, wer ich bin und woher ich komme.
Bedingt durch Missernten in Folge herrschte um 1813 europaweit große Hungersnot, dazu brachen noch gefährliche Krankheiten aus, wie Pest, Cholera und andere. Dies bewog Zar Alexander I. zu dem wirtschaftlichen Plan, den notleidenden Menschen zu helfen und gleichzeitig unbebautes Land zu besiedeln. Er bot ihnen das Nomaden- und Steppenland Bessarabien an, was Tausende annahmen und sich auf den Weg gen Osten machten. Dieses verlockende Angebot nahmen auch meine Vorfahren aus Baden-Württemberg (Freudenstadt) an. Sie nutzten dazu die verschiedenen Landwege, aber auch die Donau abwärts nach Galatz oder Ismail. Auf dem Landweg zu Fuß und mit Ochsenkarren erreichten von 2.000 Kolonisten nur 500 das Siedlungsgebiet. Dort empfingen sie die Beamten des Zaren, welche ihnen ihre Privilegien erläuterten. Die Kolonisten wurden registriert und mit Ausweispapiere versehen, das versprochene Steppenland teilten sie ihnen zu. Mit Ochsengespannen und menschlicher Muskelkraft machten sie das Steppenland urbar, was ihnen alles abverlangte. Die fruchtbare Erde ernährte sie 150 Jahre bis zur Aussiedlung 1940 nach Deutschland.
Das Land Bessarabien
Die Aussiedlung aus Bessarabien nach Deutschland, die Ansiedlung in Polen, schließlich durch Krieg, Flucht und Vertreibung wieder in Deutschland angekommen, ist in meinen Büchern ausführlich zu lesen. Auch der Neuanfang 1945 in der damaligen Russischen Zone und das Leben in der DDR Stasidiktatur.
1. Von Bessarabien nach Belzig
2. Die letzten Kinder Bessarabiens
Wenn ein Mann 83-jährig in seinem Leben einige Diktaturen überlebt und in ihnen moralische, seelische Grausamkeiten hat über sich ergehen lassen müssen, ist es schon eine seiner Pflichten, diese Erlebnisse seiner Nachwelt zu übermitteln. Schon als Neunjähriger sind mir 1940 die stalinistischen Gewalttätigkeiten während der Aussiedlung nach Deutschland aufgefallen. Als Kind konnte ich nicht verstehen, warum die Frauen und Mädchen aufgeregt davonliefen, wenn sich betrunkene russische Soldaten auf der Straße lautstark bemerkbar machten. Wenn ich von meiner Mutter den Grund dafür erfahren wollte, wurde mir nur ausweichend geantwortet. Aus dem Verhalten der Erwachsenen und einigen Gesprächsfetzen konnte ich mir früher oder später einen Reim daraus machen. Auf jeden Fall sah ich darin einen unfreundlichen Akt, der den Dorfbewohnern Angst und Schrecken einjagte. Schließlich hatten meine Vorfahren aus Baden-Württemberg 1813 als Kolonisten das Steppenland Bessarabien urbar gemacht. Sie lebten in ihrem Dorf Klöstitz 150 Jahre glücklich und zufrieden auf ihrem eigenen Besitz.
Auch mein Leben begann hier und es war mir ein Bedürfnis, in Klöstitz weiter zur Schule zu gehen wie meine Vorfahren und Eltern. Wir vier Geschwister waren in der Zeit 1931 bis 1939 auf dem elterlichen Bauernhof geboren. In der Klöstitzer Kirche wurden wir getauft, unsere Eltern, Alfred und Anna Maria Weiß geb. Messinger, waren in ihr auch getraut. Als Ältester war ich, Artur, 1937 in einer Rumänischen Schule eingeschult worden. Zu dieser Zeit gehörte Bessarabien zu Rumänien, musste aber durch ein Ultimatum Stalins kurzfristig von den Rumänen geräumt werden. Somit übte Russland wieder Macht über Teile der Ukraine und Moldawien aus. Die politische Entwicklung 1940 führte dazu, dass ein Nichtangriffspakt zwischen Hitler und Stalin geschlossen wurde. Dieser beinhaltete unter anderem die Aussiedlung der Bessarabien-Deutschen in das Deutsche Reich. Das Eigentum der Bessarabier musste bis auf persönliche Dinge zurückgelassen werden, das bedeutete nicht nur das tote, sondern auch alles lebende Inventar. Alle Dorfbewohner waren schlagartig mittellos, mich traf es als Kind besonders hart, weil ich mich von meinem bulgarischen Hirtenhund Tschornig trennen musste. Nicht nur unsere Eltern, sondern auch wir Kinder hatten das Lachen verlernt und unsere Augen glänzten nicht mehr.
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