Artur Weiß - Begegnungen im DDR-Knast

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In meiner Generation war das Zusammenleben von Mann und Frau ein Tabuthema, über das nicht oder nur kaum gesprochen wurde. Es wurde streng darauf geachtet, dass wir Kinder bei solchen Gesprächen nicht zugegen waren. Es kam nicht selten vor, dass es der Tochter die Schamröte ins Gesicht trieb, wenn Eltern sie nach ihrem Freund befragten. Wir Kinder haben unsere Eltern niemals völlig entblößt gesehen, so ging dieses Schamgefühl auf uns Kinder über. Das hat sich erst mit dem Erwachsenwerden geändert. Auch die Beziehungen der Geschlechter untereinander war für uns Neuland. Im Besonderen die Beziehung Gleichgeschlechtlicher ist für mich heute noch unakzeptabel. Das ist für mich und viele andere nicht mit dem Glauben in Einklang zu bringen, weil es da heißt: Liebet und vermehret euch. Leider sind diese Werte bei vielen über Bord gegangen, und sie widmen sich stattdessen nur ihrem Vergnügen. Das DDR-Strafrecht hat bei »Homo« und »Sitte« besonders streng geurteilt. Was unter dem Begriff Sittlichkeit alles möglich ist, habe ich in der U-Haft beobachtet und später im Gefängnis aus den Akten Verurteilter entnommen. Die authentischen Schilderungen von Mithäftlingen, wenn wir die Möglichkeit zur Kommunikation hatten, sind bis heute in meinem Kopf geblieben. Diese Begebenheiten, warum ich mich mit dem Thema Sittlichkeit befasse und warum ich mit einer hohen Haftstrafe in Berlin-Rummelsburg eingezogen bin, davon erzählt dieses Buch.

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Artur Weiß

BEGEGNUNGEN IM DDR-KNAST

Sittlichkeitsdelikte im DDR-Strafvollzug und -Strafrecht

Engelsdorfer Verlag

Leipzig

2015

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.deabrufbar.

Copyright (2015) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte beim Autor

Umschlaglayout: Karsten Müller

www.network-mediaservice.de

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2015

www.engelsdorfer-verlag.de

Inhalt

Cover

Titel Artur Weiß BEGEGNUNGEN IM DDR-KNAST Sittlichkeitsdelikte im DDR-Strafvollzug und -Strafrecht Engelsdorfer Verlag Leipzig 2015

Impressum Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Copyright (2015) Engelsdorfer Verlag Leipzig Alle Rechte beim Autor Umschlaglayout: Karsten Müller www.network-mediaservice.de Hergestellt in Leipzig, Germany (EU) 1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2015 www.engelsdorfer-verlag.de

Vorwort

Mein Bedürfnis

Neuanfang 1945 in der Russischen Zone

Folterhafte Taktik in der U-Haft

Gespräche mit Tätern und Sonstiges

Geteiltes Leid und Freude

Arbeit in der Küche

Der Weg und Begleiterscheinungen bis zum Mord

Die Strafe für den Henker

Vorbereitung zu meiner Gerichtsverhandlung

Auf dem Weg zum Strafvollzug

Sie hat mich nicht ernst genommen

Zur DDR Amnestie am 13.10.1972

Einzug in Berlin Rummelsburg

Bodos geheime Familie

Der Alltag hinter Gittern

Bodo startet durch

Gnadenlose Bestrafung in der JVA

Wilceks schamlose Sittentat

Arbeiten in ZW und Sonstiges

Wie Fred zum Täter wird

Freds Handeln endete blutig

Sabotage bei Bauabnahme

Gitter für ein Gerichtsgebäude und Alltägliches

Hilfe für einen jungen Täter

Baustelle Gitterwerk Berlin

Silvias Rache

Der Neuzugang

Meinungen von Täter zu ihrer Tat

Der Bau einer Turnhalle

Schlusswort

Weitere Bücher

VORWORT

In meiner Generation war das Zusammenleben von Mann und Frau ein Tabu-Thema, über das gar nicht oder kaum gesprochen wurde. Es wurde streng darauf geachtet, dass wir Kinder bei solchen Gesprächen nicht zugegen waren. Es kam nicht selten vor, dass, wenn Eltern ihre Tochter nach ihrem Freund befragten, es ihr die Schamröte in das Gesicht trieb. Wir Kinder sahen unsere Eltern niemals völlig entblößt. Dieses Schamgefühl ist auch auf uns Kinder übergegangen. Das hat sich erst im Erwachsenwerden leicht geändert. Auch die Beziehungen der Geschlechter untereinander war für uns Neuland. Im Besonderen die Beziehungen Gleichgeschlechtlicher, das ist für mich heut noch unakzeptabel. Das ist für mich und viele andere nicht mit dem Glauben in Einklang zu bringen, weil es da heißt: „Liebet und vermehret euch“. Leider sind diese Werte bei vielen über Bord gegangen, und Jüngere widmen sich stattdessen nur ihrem Vergnügen. Das DDR-Strafrecht hat über Homo und Sitte besonders streng geurteilt. Was unter dem Begriff Sittlichkeit (Sitte) alles möglich ist, habe ich in der U-Haft und später im Gefängnis aus Gesprächen und Akten Verurteilter entnommen. Manches habe ich auch beobachten können. Warum ich mit einer hohen Haftstrafe in Berlin Rummelsburg eingezogen bin und mich mit dem Thema Sittlichkeit befasse, wird in diesem Buch zu lesen sein. Um alle beschriebenen Ereignisse besser verstehen zu können, ist es notwendig zu wissen, wer ich bin und woher ich komme.

Bedingt durch Missernten in Folge herrschte um 1813 europaweit große Hungersnot, dazu brachen noch gefährliche Krankheiten aus, wie Pest, Cholera und andere. Dies bewog Zar Alexander I. zu dem wirtschaftlichen Plan, den notleidenden Menschen zu helfen und gleichzeitig unbebautes Land zu besiedeln. Er bot ihnen das Nomaden- und Steppenland Bessarabien an, was Tausende annahmen und sich auf den Weg gen Osten machten. Dieses verlockende Angebot nahmen auch meine Vorfahren aus Baden-Württemberg (Freudenstadt) an. Sie nutzten dazu die verschiedenen Landwege, aber auch die Donau abwärts nach Galatz oder Ismail. Auf dem Landweg zu Fuß und mit Ochsenkarren erreichten von 2.000 Kolonisten nur 500 das Siedlungsgebiet. Dort empfingen sie die Beamten des Zaren, welche ihnen ihre Privilegien erläuterten. Die Kolonisten wurden registriert und mit Ausweispapiere versehen, das versprochene Steppenland teilten sie ihnen zu. Mit Ochsengespannen und menschlicher Muskelkraft machten sie das Steppenland urbar, was ihnen alles abverlangte. Die fruchtbare Erde ernährte sie 150 Jahre bis zur Aussiedlung 1940 nach Deutschland.

Das Land Bessarabien Die Aussiedlung aus Bessarabien nach Deutschland die - фото 1

Das Land Bessarabien

Die Aussiedlung aus Bessarabien nach Deutschland, die Ansiedlung in Polen, schließlich durch Krieg, Flucht und Vertreibung wieder in Deutschland angekommen, ist in meinen Büchern ausführlich zu lesen. Auch der Neuanfang 1945 in der damaligen Russischen Zone und das Leben in der DDR Stasidiktatur.

1 Von Bessarabien nach Belzig 2 Die letzten Kinder Bessarabiens MEIN - фото 2

1. Von Bessarabien nach Belzig

2 Die letzten Kinder Bessarabiens MEIN BEDÜRFNIS Wenn ein Mann 83jährig - фото 3

2. Die letzten Kinder Bessarabiens

MEIN BEDÜRFNIS

Wenn ein Mann 83-jährig in seinem Leben einige Diktaturen überlebt und in ihnen moralische, seelische Grausamkeiten hat über sich ergehen lassen müssen, ist es schon eine seiner Pflichten, diese Erlebnisse seiner Nachwelt zu übermitteln. Schon als Neunjähriger sind mir 1940 die stalinistischen Gewalttätigkeiten während der Aussiedlung nach Deutschland aufgefallen. Als Kind konnte ich nicht verstehen, warum die Frauen und Mädchen aufgeregt davonliefen, wenn sich betrunkene russische Soldaten auf der Straße lautstark bemerkbar machten. Wenn ich von meiner Mutter den Grund dafür erfahren wollte, wurde mir nur ausweichend geantwortet. Aus dem Verhalten der Erwachsenen und einigen Gesprächsfetzen konnte ich mir früher oder später einen Reim daraus machen. Auf jeden Fall sah ich darin einen unfreundlichen Akt, der den Dorfbewohnern Angst und Schrecken einjagte. Schließlich hatten meine Vorfahren aus Baden-Württemberg 1813 als Kolonisten das Steppenland Bessarabien urbar gemacht. Sie lebten in ihrem Dorf Klöstitz 150 Jahre glücklich und zufrieden auf ihrem eigenen Besitz.

Auch mein Leben begann hier und es war mir ein Bedürfnis, in Klöstitz weiter zur Schule zu gehen wie meine Vorfahren und Eltern. Wir vier Geschwister waren in der Zeit 1931 bis 1939 auf dem elterlichen Bauernhof geboren. In der Klöstitzer Kirche wurden wir getauft, unsere Eltern, Alfred und Anna Maria Weiß geb. Messinger, waren in ihr auch getraut. Als Ältester war ich, Artur, 1937 in einer Rumänischen Schule eingeschult worden. Zu dieser Zeit gehörte Bessarabien zu Rumänien, musste aber durch ein Ultimatum Stalins kurzfristig von den Rumänen geräumt werden. Somit übte Russland wieder Macht über Teile der Ukraine und Moldawien aus. Die politische Entwicklung 1940 führte dazu, dass ein Nichtangriffspakt zwischen Hitler und Stalin geschlossen wurde. Dieser beinhaltete unter anderem die Aussiedlung der Bessarabien-Deutschen in das Deutsche Reich. Das Eigentum der Bessarabier musste bis auf persönliche Dinge zurückgelassen werden, das bedeutete nicht nur das tote, sondern auch alles lebende Inventar. Alle Dorfbewohner waren schlagartig mittellos, mich traf es als Kind besonders hart, weil ich mich von meinem bulgarischen Hirtenhund Tschornig trennen musste. Nicht nur unsere Eltern, sondern auch wir Kinder hatten das Lachen verlernt und unsere Augen glänzten nicht mehr.

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