Klaus Nüchtern
Hier kommt der Antipastidepp
Nüchtern betrachtet:
75 recht okayige Kolumnen
und drei ziemlich nette Vorworte
Falter Verlag
© 2007 Falter Verlagsgesellschaft m.b.H.
1011 Wien, Marc-Aurel-Straße 9
T: +43/1/536 60-0, E: bv@falter.at, W: www.falter.at
Alle Rechte vorbehalten.
Keine unerlaubte Vervielfältigung!
1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2016
ISBN ePub: 978-3-85439-543-0
ISBN Kindle: 978-3-85439-553-9
ISBN Printausgabe: 978-3-85439-386-3
Cover
Titel Klaus Nüchtern Hier kommt der Antipastidepp Nüchtern betrachtet: 75 recht okayige Kolumnen und drei ziemlich nette Vorworte Falter Verlag
Impressum © 2007 Falter Verlagsgesellschaft m.b.H. 1011 Wien, Marc-Aurel-Straße 9 T: +43/1/536 60-0, E: bv@falter.at , W: www.falter.at Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Vervielfältigung! 1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2016 ISBN ePub: 978-3-85439-543-0 ISBN Kindle: 978-3-85439-553-9 ISBN Printausgabe: 978-3-85439-386-3
Klaus Nüchtern: In Treptow brennt noch Licht
Robert Rotifer: Ja, wir haben auch einen Pürierstab!
Christina Dany: Sein höflichstes Groupie
Jörg Magenau: Ein freundlicher Wiener
Es wird zu wenig geohrfeigt
Hier kommt der Antipastidepp
Männer ohne Pürierstab
Einige meiner besten Freunde sind Deutsche
Das Vaterding
Wolken ziehen vorüber
Früher war Suppe öS 19,–
Hört doch mal auf zu sein wie ich
Quellen
Fußnote
In Treptow brennt noch Licht
Alle achtzehn Monate werde ich im Neuerscheinungstrakt des Verlages vorstellig und sage: „Ich will ein Buch.“ Dort reagiert man meist mit Verständnisfragen wie „Du?!“, „Wozu?“, „Warum schon wieder?“ oder „Ist das Pizzakäse an deiner Wange?“. Beim letzten Mal wurde mit einem müden „Da geht nix mehr. Du müsstest den deutschen Markt erobern“, abgewunken. „Kein Problem“, antwortete ich, „ich habe Verbindungen nach Deutschland, kenne wichtige und einflussreiche Leute aus dem Literaturbetrieb. Einige meiner besten Freunde sind Deutsche!“ Nachdem ich zwei Monate lang mit einem Sebastian-Schweinsteiger-Fußballshirt in die Redaktion gekommen war (ohne es zwischenzeitlich auch nur kurz mal abzulegen, geschweige denn zu waschen), gab man nach.
Dann kam die Phase, in der ich die Texte auswählen und Korrektur lesen musste. Sie ist jedes Mal ernüchternd. Warum sagt einem niemand, dass man eine Formulierung, einen (jetzt ohnehin nicht so rasend komischen) Witz, ein leicht abweichendes Sonnetschema schon drei Mal verwendet hat? Warum weist einen niemand darauf hin, dass diese erotische Schneewittchenfixiertheit langsam peinlich wird?!
Nur die Leser passen auf. Am liebsten sind mir freilich jene Leser, die die Fehlermeldungen anderer Leser kommentieren – und zwar auf höchstem, mit allen Wässerchen Hegel’scher Dialektik gewaschenem Niveau. So habe ich zum Beispiel einmal Keith Richards mit Cliff Richards verwechselt, was einerseits bemängelt, mir andererseits von Herrn H. W. Wolf dann aber wieder als „gelungene Demütigung der Rolling Stones“ ausgelegt wurde. Es ist schon schön, wenn die Leser die besseren Einfälle haben – jedenfalls so lange, solange das nicht allzu auffällig wird (den Cliff hab ich jetzt trotzdem auf Keith ausgebessert).
Mit manchen meiner Einfälle bin ich aber schon auch zufrieden. Zum Beispiel mit meinen Titeln. „Hier kommt der Antipastidepp“ hat Schwung und Pepp und wurde von allen auf Anhieb akzeptiert. Wäre ich damit auf Zweifel oder gar Widerstand gestoßen, ich hätte „es wird zu wenig geohrfeigt!“ ausgerufen, und damit wäre man wohl sofort einverstanden gewesen. Persönlich habe ich ja auch noch eine Vorliebe für das leichtfüßig-poetische „Wir lümmelten auf leichten Stühlen“. Schade, dass Anton Webern das nicht mehr vertonen kann, aber vielleicht mag den Satz ja wer übernehmen. Die zeitgenössische österreichische Literatur hat ohnedies nicht grad ein Händchen für Titel. Meist fallen sie recht fad und einsilbig aus: „Der Tee“ (Gerhard Roth), „Bier“ (Elfriede Jelinek), „Flugverkehr“ (Robert Menasse), aber auch „Jessica, fleißig“ (Marlene Streeruwitz), „Was man geben soll“ (Thomas Glavinic) oder „Der fliehende Zwerg“ (Christoph Ransmayr) sind nicht übermäßig inspiriert. Aber besten ist noch Wolf Haas’ Krimi „Der Täter mit reichlich Barem“, auch wenn er ein wenig affektiert wirkt.
Womit ich aber die ganze heimische Hochliteratur in den Sack stecke, sind „meine“ Vorworte. Mehr und bessere sind hierzulande nicht zu haben. Das Schöne am Schreiben ist ja, dass man immer auch sozial interagiert, wie wir Studierten sagen. Man macht was, und andere machen dann auch was – toll! Und dass jetzt, wenn der Rest der jeweiligen Weltgegend schon schläft oder in sexueller Verzücktheit sich windet, in einem einsamen Schreibstübchen in Canterbury, Treptow und Währing noch Licht brennt, weil man sich dort ein Vorwort ausdenken muss – das erfüllt mich schon mit Freude.
Klaus Nüchtern
Ja, wir haben auch einen Pürierstab!
Zwar weiß ich nicht, womit ich mir den ehrenvollen Beitritt in den immer zäher anwachsenden Kreis der Vorwortschreiber Nüchtern’scher Kolumnensammlungen verdient hab (gleich sechs Vorwörter im ersten, maßvolle vier im zweiten, bloß drei im dritten Band …). Dass wir beim letzten Hausbesuch des Autors eine in Ebenholz und Messing eingerahmte Kolumne im Treppenaufgang vorweisen konnten, kam aber sicher ganz gut (sie handelt von der auf Seite 6 der „Kleinen Quittenkantate“ abgebildeten Königin der Zutraulichkeit).
Kolumnenbücher sind letztlich ja Sammlungen von Texten, die gewissenhafte Menschen ohnehin, wenn schon nicht gerahmt, dann zumindest in goldgeprägten Kunstleder-Optik-Ringmappen verstaut haben, um sie in einer stillen Stunde bei einem dampfenden kleinen Krug Grog vom Regal zu holen. Die – vermutlich auch anal – sehr freigiebige Kolumnenbuchkundschaft hingegen wirft literarische Kleinode regelmäßig achtlos ins Altpapier, um sie später – was kostet die Welt? – noch einmal im Mujimäßig minimalistischen Kartonumschlag zu erwerben. Das ist dann eben jene astreine A-Schicht, der zuliebe die Falter - Marketing-Scouts dieses Kolumnenbuch zielsicher nach dem Weihnachtsgeschäft rausbringen, wenn die Individualverschuldung am höchsten und die Kolumnenbuchkundschaft am elitärsten ist. Was das zynische Verhökern der Illusion urbaner Unkonventionalität an das leichtgläubige Early-Adaptor-Segment angeht, haben die einfach den Bogen raus.
Bei all dem Kalkül könnte Nüchtern aber niemand vorwerfen, dass er seine schreiberische Truman-Show nicht wirklich lebe. Alles, was er etwa auf den folgenden Seiten über die Vorgänge in seiner Küche behauptet, ist sowohl die nackte Wahrheit als auch der Zielgruppe präzise auf den Leib geschrieben: Ja, wir haben ebenfalls die champignonförmige Champignonbürste in der obersten Lade, zudem eine spermienförmige Gemüsebürste und sogar das ultimative Statusobjekt, den 500 Watt starken Pürierstab – zugegeben, den haben wir uns erst von Klaus abgeschaut.
Natürlich muss der größte Chronist des Karmeliterviertels mittlerweile die eine oder andere Auswirkung seiner galoppierend inflationären Medienprominenz auf seinen ehemals so erdigen Lebensstil nobel verschweigen, um sich von unsereins nicht allzu erkennbar zu entfremden. Zwar enthüllt er ganz nonchalant und nebenher seinen dekadenten Hang zu Zweitwohnung und Designerregal (die eine als Bücherlager, das andere mehr für schön). Andererseits suchen wir vergeblich nach einer Erwähnung jenes Hilferufs, den die zu ungesunder Stunde in der ehemaligen Pensionsversicherungszentrale gegenüber seines palastartigen Wohnzimmerfensters werkenden Bürosklaven – nach ihrer adelnden Erwähnung in einer der hier enthaltenen Kolumnen – gut sichtbar ins Fenster hängten: „Klaus, hol uns da raus!“
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