Stellen Sie sich jenes ‚Etwas‘ in der Zerebrospinalen Flüssigkeit vor, das in den Nervenzellen oder -bahnen eine Transmutation durchläuft. Es fließt nicht die Nervenbahnen entlang, als ob sie Drähte wären. Es handelt sich um eine Zustandsänderung, wenn Sie so wollen. Es ist nicht so, dass es etwas funktionieren lässt. Dieses ‚Etwas‘ befindet sich in den Rohren, etwa so wie sich eine Einheit zwischen verschiedenen Radiostationen befindet.
Was meint Dr. Still damit, wenn er davon spricht, dass ‚ in den Lymphgefäßen noch feinere Nerven sind als im Auge? ‘ Finden Sie Lymphbahnen in den Nerven? Nein. Er deutet auf etwas anderes hin. Er möchte, dass wir dieses ‚Kupferrohr‘ und den Draht darin, die elektrische Kraft, erkennen. Dieses Prinzip findet Verwendung bei jenen Kabeln, welche die Nachrichten über den Atlantischen Ozean transportieren. Nachrichten, viele verschiedene Nachrichten, laufen über dieses Kupferrohr.
Was wissen Sie über Wetterleuchten? Sie können seine Erscheinung durch die ganze Wolke hindurch sehen, obwohl es die Wolke nicht berührt. Ich möchte, dass Sie dieses unsichtbare ‚flüssige Licht‘ betrachten oder dass Sie den ATEM DES LEBENS als eine Art Wetterleuchten und als eine Transmutation verstehen; ein Wetterleuchten durch die Nerven hindurch, ohne dass das ‚Kupferrohr‘ berührt wird. Die Transmutation ist das, was Dr. Still seinerzeit als ‚Nervenkraft‘ bezeichnete. Er versuchte, uns das verständlich zu machen, indem er das Beispiel der elektrischen Kraft beziehungsweise des elektrischen ‚Safts‘ verwendete, welcher einen Draht entlangläuft. Das entlanglaufende Signal braucht eine Bahn, auf dem es laufen kann. 23
Es handelt sich um eine Schaltvorrichtung, eine Einstellung innerhalb des menschlichen Körpers. Aber eingestellt auf was? Auf das ‚höchste bekannte Element‘, den ATEM DES LEBENS – nicht das Atmen von Luft. Ich will einen anderen Text zitieren: Bei der Schaffung des Menschen wurde der ATEM DES LEBENS in die aus Lehm geformten Nasenlöcher geblasen und der Mensch wurde eine lebende Seele. 24
Ich beginne zu verstehen, was er mit einem feineren Element innerhalb des Lymphsystems meint. Betrachten Sie die Lymphbahnen und ihre Knoten. Sie transportieren Gewebeflüssigkeit und Lymphe in das venöse System zurück, bevor das venöse Blut das Herz erreicht. Liegt eine Infektion vor, vergrößern sich die Lymphknoten, sie schwellen an, da sie etwas zurückhalten. Sie halten es so lange zurück, bis eine Nachricht kommt und eine Elektrolyse stattfindet, die den Lymphknoten so beeinflusst, dass sich die Lymphe verändert, bevor sie in das Blut befördert wird. Nun können Sie verstehen, wie das Lymphsystem arbeitet, und noch besser, wie die Viszera arbeiten.
Sie werden in der Lage sein, den Inhalt von vergrößertem Lymphgewebe zu verteilen, ohne dass es zu spontanen Ausbrüchen oder Abszessbildungen kommt. Die Stauung wird verschwinden, so wie in jenen Situationen, in denen die Fluktuationen der Zerebrospinalen Flüssigkeit unter der Kontrolle eines kranialen Behandlers waren. Dies ist nicht einfach nur eine Behauptung. Die Möglichkeiten, welche Ihnen die Wissenschaft der Osteopathie bietet, entsprechen folgendem Still’schen Zitat: „ In den Lymphgefäßen gibt es noch feinere Nerven als im Auge.“ Können Sie das glauben?
Werfen Sie einen Blick auf das Infundibulum, das den Hypothalamus mit der Hypophyse in der Sella turcica verbindet. Stellen Sie sich das Infundibulum als ein Kupferrohr mit einem Spannungspotenzial darin vor, einem elektrischen Strom auf einem Leiter und einer Isolierung darum – das heißt, zwischen ihm und dem Kupferrohr. Dann denken Sie an eine Transmutation der elektrischen Spannung und Kraft in einer Batterie, die in das Kupferrohr hinausläuft.
Sobald Sie Nachrichten über dieses Rohr versenden, stehen Ihnen Schalter zur Verfügung wie jene, mit denen Sie die vielen Radiostationen einstellen können. Nur ein ‚Kupferrohr‘ also, mit vielen Drähten darin. Vielleicht wird Ihnen das helfen, das Infundibulum zu verstehen.
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Lassen Sie mich von einem Erlebnis erzählen, das ich im Zusammenhang mit dem ATEM DES LEBENS hatte 25. Es geschah am Ufer des Lake Erie, dessen Wassertiefe seewärts einen Kilometer oder länger kaum über Kniehöhe hinausgeht. Ein Mann und sein Freund gingen ins Wasser hinaus, um zu baden. Sie hatten irgendeinen Fusel getrunken – was in jenen Tagen der Prohibition eben gerade zu bekommen war.
Der Mann wurde krank, er brach im Zustand eines meningealen Schocks zusammen und sein Begleiter trug ihn zum Ufer. Er war nicht ertrunken, denn es war kein Wasser in seinen Lungen. Die Leute dort machten sich mit den üblichen Methoden der Wiederbelebung erfolglos an ihm zu schaffen. Ich bemerkte den Aufruhr und ging hin.
Ich fand ihn vor wie einen toten Menschen, steif wie ein Stock und blau wie ein Wetzstein. Es gab keine Anzeichen von Atmung. Ich griff nach den Ossa temporalia und brachte die Partes petrosae in Außenrotation, während ich das Os occipitale in Flexionsposition bewegte. (Sie werden später lernen, diese Positionen besser zu verstehen.) Was war die Folge?
Das Tentorium cerebelli ist an den oberen Enden der Partes petrosae der Ossa temporalia und an der Innenseite der Squama occipitalis befestigt. Die vorderen Bereiche des Tentorium cerebelli sind an den Procc. clinoidei der Sella turcica des Os sphenoidale fixiert. Als ich die Knochen mit meinen Händen bewegte, wurde demnach das Zelt bewegt.
Unter dem Tentorium cerebelli ist ein Zerebrospinaler Flüssigkeitskörper anzutreffen, der den Truncus cerebri und das Cerebellum umgibt und auch innerhalb des Truncus cerebri zu finden ist. In diesem Flüssigkeitskörper befindet sich jenes ‚höchste bekannte Element‘, auf das Dr. Still hinwies; innerhalb des Truncus cerebri wiederum, innerhalb der Medulla oblongata, trifft man auf jene primären Zentren, welche die Körperfunktionen, allen voran das Atemzentrum, kontrollieren.
Nachdem ich diese Knochen bewegt hatte, spürte ich ein Gefühl der Wärme in meinen Händen. Die Atmung begann. Als ich den Mechanismus losließ, hörte sie wieder auf. Jemand sagte freundlich: „ Warum rufen Sie keinen Arzt? “ Ich versuchte das Experiment nochmals und das gleiche Gefühl der Wärme kam zurück. Sein Kopf zuckte plötzlich und er begann zu seiner Schwester zu sprechen.
Der physische Mechanismus des Mannes war bereits tot gewesen. Er war in einem meningealen Schock blockiert; die Membrana arachnoidea hatte sich über dem Gehirn blockiert. Glücklicherweise befand sich aber der ATEM DES LEBENS in diesem Flüssigkeitskörper. Alles, was ich tat, war ‚den Motor wieder anzukurbeln‘. Ich weiß von zwei anderen kranialen Behandlern, die in einer ebenso kritischen Situation ein ähnliches Experiment durchführen konnten.
Wenn Sie über einen solchen kritischen Zustand nachdenken, werden Sie verstehen, warum ich von Zeit zu Zeit sage: „ Wenn Sie nicht wissen, was Sie sonst tun sollen, komprimieren Sie den vierten Ventrikel.“ Behalten Sie die Tide mit ihrer intelligenten Potency im Gedächtnis. Sie ist etwas, auf das Sie sich verlassen können. Etwas, das weiß, wie es läuft. Wenn Sie sich in einigen Fällen nicht ganz sicher in der Diagnose sind, denken Sie an die Tide und komprimieren Sie den vierten Ventrikel.
ABB. I–4: W. G. SUTHERLAND, CA. 1950
Demonstration einer Technik vermutlich am Os temporale.
4. DIE REZIPROKE SPANNUNGSMEMBRAN
Wenn Sie die Wirbelsäule betrachten, sehen Sie die Bänder, die ihre Gelenke zusammenhalten und ihnen einen gewissen Bewegungsradius ermöglichen. Dann werfen Sie einen Blick in den Schädel, um jene Strukturen zu finden, welche dort genau die gleiche Funktion übernehmen wie die Bänder der Wirbelsäule. Im Schädel befindet sich eine Membrana interossea, welche die Knochen des Neurocranium zusammenhält und an den Artikulationen einen gewissen normalen Bewegungsradius erlaubt.
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