Tambara ist unser Traum von einer perfekten Stadt, einer Stadt, in der die Wirtschaft floriert, nachwachsende Organe und eine optimale medizinische Versorgung Gesundheit und ein langes Leben garantieren und ein breites Freizeitangebot die unterschiedlichsten Bedürfnisse der Bürger befriedigt. Doch einigen Städtern ist dies nicht genug. Sie ahnen, dass ihnen etwas vorenthalten wird, etwas, von dem sie instinktiv spüren, dass es ein Teil von ihnen ist. Sie stöbern in der Vergangenheit und entdecken … die Natur. Doch Nachforschungen sind nicht gern gesehen in der Stadt Tambara. Informationen verschwinden aus dem „Net“, und auf eine rätselhafte Weise verschwinden auch die Bürger, die sich dafür interessieren.
Auf der Suche nach ihren spurlos verschwundenen Eltern entdeckt Soul den Getreidekonzern, ein Reservat, das von drei Klonen geleitet wird. Mit ihrem Bruder Reb und den Freunden Mortues und Botoja will sie das Geheimnis der Klonbrüder erkunden. Doch Geduld ist nicht gerade Souls Stärke. Noch bevor die anderen ihre Vorbereitungen beendet haben, ist sie schon auf dem Weg ins Reservat …
Heike M. Major
Oh Stadt, oh meine Stadt
Engelsdorfer Verlag
Leipzig
2018
Bibliografische Information durch die
Deutsche Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation
in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte
bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.deabrufbar.
Copyright (2018) Engelsdorfer Verlag Leipzig
Alle Rechte beim Autor
Titelbildidee: Heike M. Major
Fotos: Heike M. Major
Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)
www.engelsdorfer-verlag.de
Meinen Freunden und Kollegen,
die mich bestärkt haben, diesen Weg zu gehen
Blind
All dessen,
was Menschsein hat wachsen lassen
(frei fließendes Wasser, saubere Luft, gesunde Erde),
beraubt,
irren die Menschen nun rastlos hin und her –
in einer künstlich geschaffenen Welt
das suchend,
was sie dort nie werden finden können.
Ewige Irrlichter!
Heike M. Major
Cover
Titel Heike M. Major
Impressum Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Copyright (2018) Engelsdorfer Verlag Leipzig Alle Rechte beim Autor Titelbildidee: Heike M. Major Fotos: Heike M. Major Hergestellt in Leipzig, Germany (EU) www.engelsdorfer-verlag.de
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Endnoten
„Soul …, welch merkwürdiger Name.“
Sorgfältig hatte der Kommissar alle Unterlagen geprüft. Sein Füller knirschte lautstark über das Papier, während er die letzten Eintragungen vornahm.
Die Luft in dem Zimmer war stickig und roch nach abgestandenem Kaffee und unbewältigter Vergangenheit. Auf der Fensterbank hinter dem Schreibtisch türmten sich unterschiedlich große Kästen aus Kunststoffglas, in denen Blüten, Blätter und Früchte ausgestorbener Pflanzenarten ihr letztes Zuhause gefunden hatten. Die fast bis zur Decke reichenden Regale des Raumes waren vollgestopft mit veralteter Software, vergilbtem Bildmaterial und noch aus organischen Rohstoffen hergestellten Aktenordnern. An der einzigen regalfreien Wand stand ein niedriger Büroschrank, auf dem sich Berge verstaubter Schnellhefter stapelten. Darüber legte eine lieblos an den Stein genagelte und mit Spitzen, Bordüren und Tuchresten bestückte Schaukastenreihe Zeugnis ab von der Eitelkeit vergangener Jahrhunderte. Alles schien durchtränkt vom undefinierbaren Geruch vielfältigster Konservierungsstoffe.
„Ihre Mutter war Sängerin?“, fragte der Kommissar und schaute die junge Frau über den Rand seiner Brille an.
„Ja.“
Souls Blick hielt dem seinen stand.
„Eine gute nehme ich an?“
„Eine sehr gute, sie liebte Musik über alles.“
„Alte Musik?“
„Auch …, ja …, sicher, schließlich hatte sie noch ihren Lehrstuhl an der Hochschule für Musikgeschichte. Die Jazzkonzerte fanden hauptsächlich als Ergänzung zu den theoretischen Seminaren statt. Aber sie hat auch Gegenwartsmusik präsentiert, überwiegend sogar …, ja, überwiegend.“
Die Neugier des Kommissars schien befriedigt. Er faltete das bearbeitete Formular in der Mitte zusammen, strich den entstandenen Falz mit einem einzigen gezielten Fingerstrich glatt und erhob sich von seinem Stuhl.
„Nun gut, damit wären die Formalitäten erledigt – mein Beileid und alles Gute.“
Mit einem kräftigen Händedruck überreichte er der Antragstellerin das Papier, geleitete sie zur Tür und überließ sie der Obhut seiner Vorzimmerdame.
Die Ausgabestelle befand sich auf der gegenüberliegenden Seite des Kommissariats. Sie brauchten nur den Gang zu überqueren, und Soul fragte sich gerade noch, wie man hier arbeiten konnte, Tag für Tag, in unmittelbarer Nähe mit den Toten, da standen sie schon im Übergabezimmer und ein dürrer, wortkarger Angestellter verlangte das Formular.
„253? – Ja, ich glaube, die ist heute fertig geworden.“
Das Papier in der Hand, den Blick auf die Behälter über ihm gerichtet, wanderte der Konzerndiener die Regale entlang.
„Genau, 253. Wie ich es mir gedacht habe.“
Er griff in eines der Fächer und holte einen dunkelbraunen Kunststoffwürfel heraus.
„Shamon’s group of final arrival“, stand in einem grellen Orangeton darauf geschrieben. „Professionelle Einäscherungen.“
Mit der Urne überreichte er der Trauernden den Schlüssel für die Kapelle und den Bestattungssaal.
„Hier entlang, bitte!“
Routinemäßig leitete die Sekretärin den letzten Teil der Zeremonie ein.
Soul folgte den wiegenden Hüften der Vorzimmerdame und bemühte sich vergebens, ein Gefühl von Andacht zu empfinden. Unverschämt laut knallten die hohen Absätze dieser Person auf die Kacheln des Fliesenbodens. Der Flur war merkwürdig schmal und hoch, die Wände schimmerten schmucklos und die vielen Türen zu beiden Seiten standen stumm, als wollten sie nicht verraten, dass hinter ihnen sich Hunderte von Angestellten in mühseliger Kleinarbeit ihr tägliches Brot verdienten.
Am Ende des Ganges machten sie halt.
„Den Schlüssel, bitte!“
Ehe sich Soul versah, hatte die Sekretärin ihr das Metall schon aus der Hand gezogen. Behänd schob sie es in das Schloss der Kapellentür.
„Ich werde hier warten, bis Sie sich verabschiedet haben. Ich denke, zehn Minuten werden reichen, nicht wahr?“
Soul war dankbar, für einige Minuten allein gelassen zu werden. Sie stellte die Urne auf den Altar und kniete auf einer der wenigen Bänke, die der kleine Raum beherbergte, nieder. Ein Geruch von Weihrauch und Myrrhe entströmte den Duftkammern der Klimaanlage. Dunkelrote Sitzpolster verliehen dem schlichten Mobiliar einen Anstrich von schwüler Feierlichkeit, und der flackernde Schein der künstlichen Altarkerzen setzte die sakralen Wandmalereien, die anscheinend die fehlenden Fenster ersetzen sollten, dramatisch in Szene.
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