Wir drehten wieder auf Nordostkurs, ich wünschte den Leuten auf der Insel alles Gute, bedankte mich für die freimütige und freundliche Unterhaltung und verabschiedete mich von ihnen, nicht ohne zu betonen, dass es für mich und meine Crew ein ganz spezielles Erlebnis gewesen war, an ihrer Insel vorbeizufahren.
Falls Bedarf besteht, noch einiges mehr zur „Bounty“-Geschichte zu wissen, hier eine kurze Zusammenfassung:
HMS „Bounty“ - Britisches Segelschiff, das durch die zweimalige Verfilmung der „Meuterei auf der Bounty“ berühmt wurde. Der Film beruht auf einer wahren Begebenheit, insofern als die Bounty tatsächlich Setzlinge des Brotfruchtbaums von Tahiti in die Karibik bringen sollte. Die tatsächlichen Umstände der Meuterei sind dagegen umstritten, insbesondere ist unklar, ob Kapitän Bligh tatsächlich ein brutaler Despot war, wie er besonders in der älteren Verfilmung dargestellt wird.
Die Bounty hatte auf ihrer Reise viel Zeit verloren: Zunächst konnte sie die Umrundung von Kap Horn wegen widriger Winde nicht schaffen und musste daher einen Umweg um das südafrikanische Kap der Guten Hoffnung machen und durch den Indischen Ozean, bis endlich der Pazifik von Westen her erreicht wurde. Schließlich musste in Tahiti eine bestimmte Phase im jahreszeitlichen Zyklus der Pflanzen abgewartet werden, bevor sie transportiert werden konnten. Kapitän Bligh hatte also zumindest Anlass zu Ungeduld. Nachkommen der Meuterer leben noch heute auf Pitcairn, einer Insel mit steiler Felsenküste, die in den Seekarten jener Zeit nicht verzeichnet war und die Meuterer daher vor Entdeckung schützte. Ende Dezember 1787 lichtet das britische Segelschiff „Bounty“ in England die Anker und macht sich auf die Fahrt nach Tahiti. Obwohl die Witterungsbedingungen günstig sind und keine technischen Probleme auftreten, kommt es sehr bald auf hoher See zu gefährlichen Auseinandersetzungen. Denn die Mannschaft fühlt sich durch die ungerechte Behandlung des Kapitäns Bligh gedemütigt und neigt zur Meuterei. Kann zu diesem Augenblick der erste Offizier Fletcher Christian noch einen Aufstand der Besatzung verhindern, so wird die Lage kritisch, als sich das Schiff bereits wieder auf der Rückfahrt befindet. Durch die brutale Bestrafung einiger Deserteure kommt es zum offenen Konflikt zwischen Kapitän und Untergebenen, der damit endet, dass Bligh mit einigen Getreuen in einem Beiboot ausgesetzt wird. Fletcher Christian, der das Kommando übernimmt, lenkt die „Bounty“ nach Tahiti zurück und beschließt daraufhin, sich mit einem Teil der Besatzung auf der Insel Pitcairn anzusiedeln. Indes, einige Besatzungsmitglieder bekommen bald Heimweh und beschließen, in die Heimat zurückzukehren. Als sie dort vor Anker gehen, werden sie wegen Meuterei vor ein Gericht gestellt, wo ihnen die Todesstrafe droht. In dieser Gefahr beschließen sie, die Wahrheit zu berichten und Blighs Machenschaften anzuprangern. Sie werden begnadigt, und Bligh erhält nie wieder das Kommando über ein Schiff.
Der Film, der auf einer wahren Begebenheit beruht, wurde mit einem für damalige Zeit sagenhaft hohem Budget von 2 Millionen Dollar realisiert. Doch der hohe Einsatz lohnte sich, denn der Film spielte nicht nur den doppelten Betrag ein, sondern gewann 1935 auch den Oscar für den besten Film des Jahres.
(Zitat Wikipedia)
Hier aber irrte Herr „Wikipedia“, denn Bligh erhielt sehr wohl nach dieser Meuterei weitere Kommandos und wurde darüber hinaus später sogar noch in zwei weitere Meutereien verwickelt, die sich allerdings nicht gegen ihn persönlich richteten. Er war bei weitem nicht der Übelmann, als der er in den Filmen gezeichnet wurde. Er war streng und gerecht – aber in gewisser Weise tatsächlich eher nachgebend und moderat in seinen Urteilen, verglichen mit denen seiner Zeitgenossen! Das zeigten neuere Forschungen, die die Schiffsbücher der Britischen Navy als Ausgangsbasis auswerteten. Allerdings waren die echten Tatsachen sicherlich nicht hollywoodmäßig genug.
Mitternacht hatten wir dann auf dem Radar auch die Umrisse der rattenverseuchten „Henderson“ Insel, die fern im Vollmondschein schwach auszumachen war. Und das waren die Höhepunkte Nr. 1 und 2 dieser Reise. Bis dahin wog uns ein langer, schwacher Schwell bei flauen Winden und tagelangem Sonnenschein, darüber hinaus machten wir guten Speed. Die Crew schaffte bei diesen meteorologischen Superbedingungen Quadratmeter für Quadratmeter zu entrosten und in neuem Farbglanz erstrahlen zu lassen, und es schmeichelte auch meinen Augen, zu sehen wie der Zustand des Bootes sich merklich verbesserte.
Ein paar Tage später, wir standen nur einen Tag vor Panama, lud die glatte See und die Zeit, die wir noch übrig hatten, regelrecht dazu ein, noch ein nettes Manöver zu fahren: Mann über Bord! Wir mussten ja nicht andauernd das Boot zu Wasser bringen, und schon gar nicht, wenn der Schwell hoch ging. Das wäre nun wirklich riskant gewesen, und so machten wir nur ein teilweise praktisches Training.
Ich erschien auf der Brücke und rief dem Offizier „Man over board!“ zu. Nun musste der zweite Leutnant zeigen, was er zu machen hatte und wie er was tun wollte. Das musste schnell, richtig und wohl überlegt sein. Da wir mit der Drehzahl ohnehin soweit runter waren, dass wir problemlos alle Maschinenmanöver ohne Wartezeiten fahren konnten, war auch das notwendige Hartüber-Ruder möglich, um das Schiff zur Unfallstelle zurückzubringen. Dafür gab es bestimmte Manöver, die dann entsprechend einzuleiten waren, man nennt sie „Bahnrückführungsmanöver“, die ein Schiff auf seinen genauen Gegenkurs brachten. Außerdem musste der Offizier den akustischen „Mann-über-Bord“-Alarm auslösen und die - vorher präparierte – „Mann-über-Bord“-Rauchboje über Bord werfen. Da wir in der glücklichen Lage waren, eine alte Boje noch im Bestand zu haben, wurde diese mit einem alten unbeschrifteten Rettungsring verbunden und anstatt eines echten außenbords geworfen.
Das orange Rauchsignal schmökte für fünfzehn Minuten, aber innerhalb von fünf Minuten hatten wir schon die Unglücksstelle erreicht. Und das Schlauchboot war bemannt und ‚ready to go‘. Das wäre es dann gewesen. Mit weniger Schwell im Wasser hätten wir den Rettungsring wieder auffischen können, so aber ließen wir ihn treiben, er war nicht beschriftet und alt und würdig genug war er auch, auf diese Art ausgemustert zu werden.
Im Anschluss gab’s noch eine kleine Schulung übers Überleben auf See, sprich Hinweise und Erfahrungen aus der Praxis für den Schiffbruch. Die richtigen und falschen Maßnahmen wurden benannt, diskutiert und anschließend das Ganze praktisch anschaulich geprobt. Sehr zum Gaudi der Crew durften zwei Nasen befehlsmäßig in das Pool springen, um allen zu zeigen, wie man’s richtig machte. Und als Krönung für alle hatten wir uns den Koch herausgepickt, der auf der schwimmfähigen Krankentrage ebenfalls ins Wasser gelassen wurde. Die Trage schwamm in einer stabilen Lage, so dass eine dort aufgeschnallte Person immer mit dem Kopf über Wasser war, selbst wenn sie bewusstlos sein sollte. Wir demonstrierten das leibhaftig, indem wir das Ding mit dem Opfer drin umdrehten, so dass er kurz mit dem Gesicht unter Wasser war, sich aber im Handumdrehen ohne Hilfe wieder zurückdrehte. Doof war das aber doch schon für den Koch da drinnen: Der musste alles völlig passiv mit sich geschehen lassen. Er war komplett verschnürt. Nur den Kopf konnte er bewegen. Konnte sich nicht wehren oder reagieren, war uns völlig ausgeliefert. Aber ich hatte ihm vorab mein Ehrenwort gegeben, darüber persönlich aufzupassen, dass ihm nichts geschähe. Die Trage wäre auch für den Luft-Abtransport durch einen Heli zu nutzen gewesen. Doch schon eine ganz brauchbare Konstruktion. Einfach, bewährt und zuverlässig. Diese Demonstration reichte uns. Zufrieden ließ ich das Wochenende verkünden und wünschte eine angenehme Verrichtung zum Samstag.
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