Der BDM beteiligte sich während der Kriegsjahre verstärkt in der „Soldatenbetreuung (z. B. Lazarettbesuche, Feldpostbriefe schreiben, Strümpfe stopfen) und [in der] […] BDM-Nachbarschaftshilfe […] für Kinderreiche, Alte und Soldatenfrauen.“251 Hier sammelten die Mädchen Kleider für bedürftige Personen, bastelten Spielzeug für Kinder mittelloser Familien, halfen bei der Betreuung von Kleinkindern oder der Versorgung verletzter Personen.
In späteren Jahren, als der Verlust vieler Männer bereits deutlich spürbar wurde, nahmen die Mädchen auch gezielt und aktiv am Kriegsgeschehen teil. Sie wurden an Flakgeschützen eingesetzt und zu „Luftwaffenhelferinnen im Nachrichtendienst, Flugmeldedienst, im Luftwarndienst, im Wetter-, Büro- und Sanitätsdienst“252 ausgebildet.
Die sogenannten BDM-Gesundheitsmädel, welche im Krieg durch das 'Deutsche Rote Kreuz' ausgebildet wurden, erhielten Aufgaben in Krankenhäusern, Flüchtlingslagern und Lazaretten, darunter auch solche in Frontnähe. Insgesamt wurden während des Krieges ca. 35.000 BDM-Mädchen in diesen Bereichen ausgebildet und eingesetzt.253
Zudem wurden die BDM-Mädchen auch am 'Osteinsatz' beteiligt und übernahmen im Rahmen dieses Einsatzes sogar Posten und Hilfsaufgaben bei der Polizei oder der Post.254
Ein weiteres Aufgabengebiet von HJ und BDM in Kriegszeiten lag in der Kinderlandverschickung (KLV). Im Rahmen dieser Aktion wurden Kinder aus besonders kriegsbedrohten und -zerstörten Gebieten im gesamten Klassenverband in weniger gefährdete Regionen umgesiedelt. Da die gesamte Organisation und Durchführung bei der Staatsjugendorganisation lag, besaß sie zudem die vollständige Entscheidungsgewalt und Kontrolle hinsichtlich politisch-ideologischer Ausrichtung der Lager.
Die Jungen der HJ fanden ihren Einsatz in Bereichen der „Polizei, Feuerwehr- und Streudienste“255, so unter anderen als „Melder nach Bombenangriffen“256.
Darüber hinaus übernahmen sie „Urlaubsvertretungen bei den Kommunen, Post- und Bahndienst sowie Verpflegungsausgabe und Austragen von Gestellungsbefehlen für die Wehrmacht“257.
Die Sonderdienste der HJ weiteten sich vorwiegend in den letzten Kriegsjahren bis hin zum Frontdienst aus. Ca. 16.000 Hitlerjungen wurden im Jahr 1943 davon überzeugt oder überredet, sich der '12. Panzerdivision Hitler-Jugend' zur Verfügung zu stellen, welche 1944 größtenteils an der Küste der Normandie gegen die eintreffenden Alliierten kämpfte. Viele bezahlten diesen erfolglosen, erbarmungslosen Kampf mit dem Leben.258
5.11 Bundestracht/Uniformierung und Symbolik
Die Bundestracht, als äußerliches Erkennungszeichen der Zugehörigkeit zur Staatsjugendorganisation, war für Jungen und Mädchen Pflicht. Die Uniform der Mädchen bestand aus einer „kurzärmeligen weißen Bluse, blauem Rock, Halstuch und Lederknoten, im Winter ergänzt durch die braune BDM-Weste“259. Die Jungen trugen eine Hemdbluse, Halstuch mit Lederring, Kniestrümpfe und eine Cordhose. Im Sommer wurde darüber hinaus eine Sommermütze getragen.260 Die Uniform spiegelte die Gleichschaltung der Jugend wider und nahm ihnen weitgehend ihre äußerliche Individualität. „Durch eine gleiche und einheitliche Kleidung entwickelt sich eben ein Gruppenbild, und aus diesem äußeren Gruppenbild könnten wir dann schon schließen auf den Gehalt und das Wesen dieser Gruppe.“261 Die Uniform hob zugleich sichtbare Klassenunterschiede auf und förderte dadurch das Selbstwertgefühl und die Disziplin. Die sozialen Unterschiede wurden durch eine innerorganisatorische Hierarchisierung ausgetauscht, welche durch Fleiß und vorbildliches Benehmen im Sinne des Nationalsozialismus von jedem Mitglied erreicht werden konnte. So formulierte Schirach folgendermaßen: „Die Uniform der HJ. ist der Ausdruck einer Haltung, die nicht nach Klasse und Besitz fragt, sondern nur nach Einsatz und Leistung.“262
Neben der Kleidung hatten die Mädchen und Jungen eine festgelegte Frisur zu tragen, und es war ihnen nicht erlaubt, Schmuck anzulegen. „Kein winziges Zeichen einer eigenständigen Ausdrucksform“263 war erlaubt. Auch hier wird wieder erkennbar, dass die Gemeinschaft im Vordergrund stand und sich keiner von ihr absetzen durfte.
Während im BDM die verschiedenen Dienstgrade anhand von Schulterriemen sichtbar gemacht wurden, zeigte sich dies in der HJ durch unterschiedliche Abzeichen.

Abb. 24: Hitlerjunge
Abb. 25: BDM-Mädchen
Die Fahnen
Die Fahnen der HJ und des BDM spielten eine wichtige symbolische Rolle. Zu fast jeder Gelegenheit kamen sie im HJ- und BDM-Dienst zum Einsatz, sei es beim morgendlichen Fahnenappell, bei Feiern und Festivitäten oder bei großen Aufmärschen. Stets wurden die Fahnen voran getragen, wie es im Refrain des Liedes 'Vorwärts, vorwärts'264 besungen wird: „Unsere Fahne flattert uns voran“. Beim Eintritt in die Organisation der Gesamt-Hitlerjugend mussten die jungen Mädchen und Jungen einen Eid auf die Fahne schwören. Dies lässt darauf schließen, dass der Fahnenkult im Nationalsozialismus durchaus eine religionsähnliche Funktion besaß, für den auch in den Tod gegangen werden sollte, so erneut erkennbar in der letzten Zeile des Refrains des bereits erwähnten Liedes, in der es heißt: „ja die Fahne ist mehr als der Tod“.
Die Flagge der HJ, ähnlich der der NSDAP, war rot-weiß-rot gestreift und zeigte im Zentrum ein schwarzes Hakenkreuz in einem weißen Kreis. Die Fahne des BDM zeigte einen roten sowie einen weißen Längsstreifen. Auch hier befand sich das schwarze Hakenkreuz mittig auf einem weißen Kreis.
Abb. 26: Fahnenappell
Abb. 27: Propagandafoto zum „Adolf-Hitler-Marsch“ mit Fahnen
Abb. 28: Lied: Feindwärts knattert die Fahne
Hitler selbst beschrieb in seinem Buch 'Mein Kampf' die Beziehung der Menschen zu ihrer Fahne folgendermaßen: „Im Rot sehen wir den sozialen Gedanken der Bewegung, im Weiß den nationalsozialistischen, im Hakenkreuz die Mission des Kampfes für den Sieg des arischen Menschen und zugleich mit ihm auch den Sieg des Gedankens der schaffenden Arbeit, die selbst ewig antisemitisch war und antisemitisch sein wird“265.
Das Fahnensymbol fand sich auch auf den Armbinden, den Wimpeln und auf den Instrumenten der Hitlerjungen und BDM-Mädchen wieder. Das allseits vorhandene Hakenkreuz symbolisierte die nationalsozialistische Weltanschauung. Nach Alfred Rosenberg (1893 - 1946) geht das Hakenkreuz auf das germanische Symbol des Kampfes zurück, Werte und Bräuche der eigenen Kultur reflektierend. Mit dem Hakenkreuz sollten die Menschen „Lebensraum, nationale Freiheit, soziale Gerechtigkeit, Rassereinheit und lebenserneuernde Fruchtbarkeit assoziieren“266.
Dass das Hakenkreuz, die Swastika, auf vorgermanische Quellen zurückzuführen ist, jüngste Ausgrabungen sogar auf den semitischen Raum hinweisen, wurde im Nationalsozialismus teils verschwiegen, um sich ein schlüssiges NS-Gedankengebilde errichten zu können bzw. war das den NS-Ideologen womöglich nicht bekannt.
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