Eine weitere freizeitpolitische Aktivität von HJ und BDM waren die Fahrten und Sommerlager für die Jungen und Mädchen. Sie existierten als ein zentrales Element der NS-Erziehung, denn „nirgendwo sonst ließen sich die Lebensbedingungen so konsequent arrangieren und kontrollieren, wie es dem Ideal der HJ-Erziehung entsprach.“213 Fernab von Elternhaus und Schule war es den Nationalsozialisten möglich, für ein bis zwei Wochen den gesamten Tagesablauf der Jungen und Mädchen zu gestalten, um durch Spiele und Übungen zu festigen und zu verinnerlichen, was in der weltanschaulichen Schulung der wöchentlichen Heimabende gelernt wurde. Neben der weltanschaulichen Schulung und der kulturellen Arbeit spielte die Naturerfahrung in den Lagern eine große Rolle, denn „erst der naturverbundene Mensch besitzt eine sichere, unserer Weltanschauung entsprechende Haltung, erst er kann als Soldat in der Wehrmacht alle Vorteile, die das Gelände ihm bietet, sich zu eigen machen […].“214
Das Lagerleben mit seinen Ritualen, der Musik und den Gesängen, den Feier- und Weihestunden war prädestiniert, die Jugend weltanschaulich zu schulen. Es wurde beispielsweise bewusst die Lagerfeuerromantik genutzt, um ideologisch auf die Kinder einzuwirken. Diese Inszenierungen ließen ein Gemeinschafts- und Zugehörigkeitsgefühl entstehen, welches im Nationalsozialismus von großer Bedeutung war.215
Obergebietsführer Karl Cerff hat im Vorwort des Buches 'Zucht Freude Glaube – Handbuch für die kulturelle Arbeit im Lager' geschrieben: „Immer mehr hat sich das Lager zu einer Erziehungsstätte unserer Gemeinschaft entwickelt, die wie selten sonst in unserem alltäglichen Leben uns von allen Seiten her anpackt und formt.“216
Der Tagesablauf in den Lagern war vollständig strukturiert und durchgeplant und ließ den Kindern selten Raum zu Entfaltung ihrer individuellen Ideen, Bedürfnisse und Fähigkeiten. So begann jeder Tag mit dem Frühsport, gefolgt von einem Fahnenappell und weiterer Aktivitäten wie beispielsweise Liederstunden, Spielrunden und Sportübungen. Beendet wurde der Tag mit dem Flaggeneinzug.
Abb. 18: Sommerlager der HJ

Abb. 19: Sommerlager der Jugend
5.8 Körperliche Ertüchtigung/Sport
Die Wichtigkeit der körperlichen Ertüchtigung im Nationalsozialismus wurde bereits dargestellt. Hitlers Äußerung über das „Heranzüchten kerngesunder Körper“217 kann in diesem Zusammenhang gesehen werden. Auch sie galt als eines der wichtigsten Erziehungsmittel, da in ihr erneut die Erziehungsziele umgesetzt wurden. „Die Tat, die Handlung, das Erlebnis waren verlangt, nicht Diskussion und geistige Gespräche.“218
Generell wurde zwischen dem Sport der Jungen und Mädchen unterschieden. Die körperliche Ertüchtigung der Jungen umfasste „Übungen ohne und mit Gerät, wie Leichtathletik […], Spiele, Kampfspiele, Bodenturnen, Freiübungen, Boxen, Schwimmen, Ski- und Eislauf; bei den Mädeln: Gymnastik, Mädeltänze, Spiele […], Kampfspiele, Hindernisturnen, Bodenturnen, Leichtathletik, Schwimmen, Ski- und Eislauf.“219
Abb. 20: Leichtathletik der HJ
Während die Zielsetzung der männlichen Jugend in der „Gesundheit, Kraft und körperlichen Leistungsfähigkeit“220 lag, auch um die Voraussetzungen für eine zukünftige Wehrtüchtigkeit zu schaffen, so war es bei den Mädchen die „Gesundheit, Anmut und Schönheit“221 sowie die Förderung der Persönlichkeit und der Charakterstärke. Gerade bei den Mädchen stellte der Sport eine Attraktivität des BDM dar, durften sie doch erstmals an Sport in der Natur teilnehmen und erhielten dazu die Möglichkeit, exklusivere Sportarten auszuprobieren.222
Die Jungen sollten sich im Sport mit ihren Kameraden messen und dadurch „stärker und vollkommener“223 werden. Der „kämpferische Gedanke“224 war stets vorhanden und zeigte sich auch in der Menge der vielfältigen Wettkämpfe, wie beispielsweise „Bann- und Gebietssportwettkämpfe, Winterkampfspiele, Frühjahrsgeländelauf, Führerzehnkampf“225. Auch paramilitärische Elemente fanden Eingang in den Sportbereich der Jungen.
Belohnt wurde der sportliche Erfolg mit Leistungsabzeichen, die einen großen Anreiz darstellten, aber auch Leistungsdruck aufbauten. Ab 1934 mussten alle Mitglieder eines Sportvereines in die HJ oder den BDM eintreten. Als am 1. Dezember 1936 das 'Gesetz über die Hitlerjugend' verabschiedet wurde und die RJF die Verantwortung für alle Bereiche des Jugendlebens erhielt, fielen auch die Sportvereine in den Wirkungsbereich der Gesamt-HJ. Außerhalb der Jugendorganisation gab es von nun an keine eigenständigen Sportorganisationen mehr.226
Innerhalb des 'Dritten Reiches' beauftragte die Reichsjugendführung zwei unterschiedliche Ämter mit der Verantwortung für den Sportbereich. So war das Amt für Leibesübungen für die „gesamten freiwilligen und pflichtmäßigen Leibesübungen außerhalb der Schule“227 zuständig, das Amt für körperliche Ertüchtigung übernahm den Bereich der Wehrerziehung und alle Aufgaben, die auf den „späteren Dienst in der Wehrmacht“228 vorbereiteten. Darunter fiel die Grundschulung, sowie Leibesübungen und die „gesamte sportliche Mobilmachung der Jugend“229 mit ihrer geistigen, körperlichen und charakterlichen Vorbereitung.

Abb. 21: Lauf der HJ
Abb. 22: Boxen
5.9 Die Funktion der Medien
Die Propagandaarbeit innerhalb der Gesamt-HJ war ein unentbehrliches Mittel zur Aufklärung. Das Presse- und Propagandaamt, welches für diese Zwecke eingerichtet wurde, hatte neben besagter Aufklärung das Ziel, die weltanschauliche Schulung zu unterstützen sowie die „Werbung der Hitler-Jugend auf allen Gebieten durchzuführen.“230
Zeitschriften und Veröffentlichungen
Ab 1933 entwickelte die Gesamt-HJ eine Monopolstellung für Zeitschriften und Bücher aus dem Kinder- und Jugendbereich, da außerhalb dieser Verlage keine Publikationen mehr veröffentlich werden durften. Es entstand ein umfangreiches Zeitungs- und Zeitschriftenwesen, das monatlich Zeitschriften für die einzelnen Sektionen herausgab. Die Jungen erhielten die Zeitschrift 'Hitlerjugend', später umbenannt in 'Junge Welt', die Zeitschrift 'Das Deutsche Mädel' richtete sich an die Mädchen aus dem BDM. Darüber hinaus gab es Monatsschriften für das Jungvolk ('Der Pimpf') und die Jungmädel ('Jungmädel').231 Bei der Zeitschrift 'Wille und Macht' handelte es sich um das „Monatsheft für die Führerschaft, zugleich das geistig anspruchsvollste Organ der HJ.“232 Hinzu kamen weitere sachgebundene Magazine, u. a. für die Landjugend und die Sozialarbeit der Gesamt-HJ.
Das Presse- und Propagandaamt veröffentlichte dazu periodisch „Kalender[…], Schulungsmaterialien, erzählende[s] Schrifttum, Ausbildungsschriften u. ä.; die Schülerzeitschriften und die Jugendbeilagen und Jugendbeiträge der Tageszeitungen“233.
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