Erst zwei Jahre später, im Verlauf seines vierzehnten Lebensjahres, wies ihn ein blondes Mädchen darauf hin, dass dies der blanke Blödsinn sei und die schlüpfrigen Spermien im Mund einer Frau keineswegs zum Voranschreiten der Weltüberbevölkerung beitrugen.
Genau diesem Mädchen hatte Valentin den ersten und einzigen Schnackselverkehr seiner frühen Gründerjahre zu verdanken – wenn man die obskure Situation überhaupt als solchen bezeichnen konnte.
Es geschah nämlich während einer Zwei-Tage-Ausfahrt der Katholischen Landjugend Kleinfingerrodas (KLK) gemeinsam mit Jugendlichen aus anderen oberbayerischen Bergdörfern in den wunderschönen, vom Baumsterben bedrohten Bayerischen Schwarzwald. Am Abend des ersten Tages saßen alle Landreisenden erschöpft am Lagerfeuer und sangen lustige Kirchenlieder. Valentin war bei diesem Ausflug mit vierzehn einer der jüngsten teilnehmenden Katholiken. Dann kam der Moment, da sich die erwachsenen Begleitpersonen in ihre Zelte zurückzogen, um still und leise gegen das päpstliche Kondomverbot zu protestieren. Währenddessen verteilten zwei der verbliebenen Jugendlichen Weihwasser, das angeblich die Seele säubern würde, ohne dass die begleitenden erwachsenen Kirchdiener davon etwas mitbekamen.
Von diesem Weihwasser nahm Valentin etwas zu viel zu sich. Das tat er keineswegs, um seine Seele besonders gut zu reinigen. Nein, er wollte pubertäre Stärke beweisen, setzte die Flasche an die Lippen und trank und trank und trank, bis ihm der Flaschenbesitzer die Buddel wegriss und schimpfte: »Dummbaddl, hots di?«
Valentin kriegte schon gar nichts mehr mit und es kam zu einem Filmriss besonderer Güte!
Am frühen kühlen Morgen erwachte er in wohliger Wärme umhüllt von einem Mumienschlafsack, der zwei Mumien Platz bieten musste, denn eine völlig unbekannte Mumie lag unmittelbar auf ihm und Valentin fühlte, dass ER fast in ihr steckte, wobei das vielleicht fünfzehn- oder sechzehnjährige Mädchen noch fest schlief, ihre Wange an die seine drückte und Valentin ihren angenehm säuerlichen Mundgeruchshauch auf der Wange zu spüren bekam. Valentin genoss den Augenblick, auch wenn sich die Brüstchen des Mädchens nicht einmal annähernd mit denen der blonden Frau aus dem Katalog messen konnten. Er streichelte zögernd und sanft ihren straffen Po, dann ihren gesamten glatten Körper, ging auf einen Erkundungszug im Neuland der Gefühle und küsste immerzu einen winzigen Leberfleck, der sich hinter ihrem süßen linken Ohr versteckte. Sanft bäumte er sich zwischen den fremden Beinen auf, bis Valentin schließlich mit einem grinsenden, erleichternden und wohltuenden Jauchzer zum Orgasmus kam, kurz aufstöhnte, wodurch das Mädchen erwachte und wenig vorwurfsvoll flüsterte: »Du altes, kleines Ferkel«, um dann dreißig Minuten an seiner Zunge zu saugen und anschließend in seine Lippen zu beißen.
Beide flüsterten ein Weilchen miteinander, als das erledigt war, und im Verlaufe des Gespräches wurde Valentin mehr oder weniger aufgeklärt.
Zu Valentins Leid blieb nur die bloße Erinnerung an wonnige Minuten. Niemals sollte er den Namen des zuckersüßen blonden Engels erfahren, der am Ende des Ausflugs für alle Zeit aus seinem Leben schied.
Jedoch zurück zum Versandhauskatalog: Der beschäftigte den Jungen etliche Monate und der Junge sich selbst, bis alle körpereigenen Reaktionen geklärt, alle Schneizdiachen gefüllt und alle austretenden Flüssigkeiten bekannt waren.
Valentins erste andauernde Liebesbeziehung war die mit der blonden Frau auf den Seiten 322 bis 334, die sich auf zwölf Abbildungen mit allerlei Liebesspielzeug verlustierte. Deren Nippel – auf dem gewaltigsten Busen der Welt thronend, den sich Valentin in seinen feuchten Träumen kaum vorzustellen wagte – waren stets von den Einkaufspreisen der Dildos und Lustkugeln überdeckt. Dabei hätte Valentin gerade diese beiden Nippel so gern einmal gesehen. Schließlich hatte ihm die leibliche Mutter das Saugen an deren Busen sehr zeitig verboten, schon als sein erstes winziges Zähnchen ein lustiges Muster in die Mutterbrust getackert hatte. Dieser Versandhauskatalog jedenfalls, der dem Jüngling Valentin mehr an Herz und Nieren gewachsen war, als es die Bibel jemals tun würde, wurde ihm an einem entsetzlichen Samstagmorgen brutal und überraschend genommen, da Valentins Mutter in einem äußerst hysterischen Anfall das Zimmer des Sohnemanns entrümpelte und den klebrigen Katalog in ihre gummihandschuhgeschützten Hände bekam.
Sie legte die Miene einer völlig verzweifelten Frau und Mutter auf und gab mit letzter Kraft von sich: »Mei, Valentin! Hots di? Buab, elender Hosnbisla! Des geht fei ned! Host mi?«
Einer mittelalterlichen katholischen Manie folgend, musste sich der arme, fast dreizehnjährige Valentin nackt unter der kalten, heimischen Dusche einem Reinigungsritual hingeben, währenddessen ihm die Mutter mit einer kratzenden, mit Persil getränkten Pferdebürste Haut und Pickel vom Leib zu schaben versuchte und dabei inbrünstig betend fluchte – in diesem Fall ins Hochdeutsche übersetzt, da sonst absolut unverständlich: »Ich lass dir das ganze Ding beschneiden! Gotteslästerer! Schau nur, wie groß der schon wieder gewachsen ist! Der liebe Herrgott wird dich strafen für deine unzüchtige Sauerei! Host mi?«
Der verzweifelte Junge hielt schützend die Hände vor dem Schambereich und heulte wütend: »Den Papa hast du auch nie mit Persil geschrubbt, wenn er sich heimlich Pornos aus der Videothek geholt hat!«
»Nu mei! Hau ma bloß ob mit deim Schmarrn! Hat er nischt!«
»Hat er ja doch! – Und dem Fräulein vom Sparmarkt wollte er auf unsrem Küchentisch ein Kind machen!«
»Nu mei! Hau ma bloß ob mit deim Schmarrn! Hat er nischt!«
»Hat er ja doch! In den Mund hat Papa ihr geschnackselt! Nicht mal gemerkt hat er, dass ich mir die Milch aus dem Gefrierschrank geholt habe! Und immerzu hat Papa Zeitschriften mit unerzogenen unangezogenen Frauen in seiner Aktentasche!«
»Nu mei! Hau ma bloß ob mit deim Schmarrn! Hat er nischt!«
»Hat er ja doch! Ich hab’s gesehen, wenn ich mir Kleingeld borgen musste!«
Alles Jammern half nicht. Valentin war in dieser Familie der einzige Verbrecher vor Gott! Die ohnehin stets geröteten, nun jedoch leuchtend roten Hoden erinnerten ihn noch Tage später schmerzlich an die durchstandene Pferdebürsten-Tortur.
Dem alten Herrn Jugendpfarrer musste die Mutter selbstverständlich über die ungeistlichen Selbstbefriedigungen Valentins Bericht erstatten, ebenso über ihre göttliche Gegenaktion, mit dem egoistischen Ziel, sich eines Tages einen Platz in der ersten Reihe im Himmel zu ergattern. Nachdem der Herr Jugendpfarrer die Reinigungstaten der Mutter unter der heimischen Dusche für göttlich gut gedünkt hatte, ließ er sich vom verschämten Valentin all die Einzelheiten erklären, die der Junge mit dem Pornoversandkatalog veranstaltet hatte. Valentin wurde den Eindruck nicht los, dass er außerhalb des Beichtstuhles keinesfalls alles preisgeben musste und verschwieg somit fünfundneunzig Prozent seiner ungöttlichen Handlungen. Jedoch reichten dem Herrn Jugendpfarrer die harmlosen fünf Prozent für den belehrenden und niederschmetternden Ausspruch: »Trieb, mein Junge, ist Sünde.« Und er fuhr Valentin sehr, sehr sanft über den Schopf. »Doch wozu bedarf es unserer Kirche, gäbe es nicht die kleinen lämmlichen Sünder?« Der Jugendpfarrer wurde wieder ernst. »Doch übertreiben darfst du es nicht. Sonst wird ER dir abfallen. Hörst du? Du weißt ja, unsere katholische Kirche ist keine Religion, sie ist eine Weltmacht. Und mit einer solchen sollte man sich nicht anlegen. Schon gar nicht unter der Dusche oder der vermaledeiten Bettdecke. Die Strafe Gottes ist wahrhaftig weniger barmherzig als sein gesamter Ruf.«
Valentin kratzte sich auf dem Weg von der Pfarrei nach Hause nachdenklich den Kopf, die Worte des Pfarrers sortierend, und erklärte der Mutter noch am gleichen Abend: »Der Herr Jugendpfarrer hat gesagt, ich darf das tun. Er würde sonst arbeitslos werden.«
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