TINO HEMMANN
2136
Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.deabrufbar.
Auszüge aus »Против беды, против войны« von
Lev Ivanovich Oshanin
Umschlagfotografien:
(vorn) Soldiers © Luis Louro – Fotolia
(hinten) Hope © Luis Louro – Fotolia
Copyright (2015) Engelsdorfer Verlag Leipzig
Lektorat: Birgit Rentz
www.fehlerjägerin.de
1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2015
Alle Rechte bei Tino Hemmann
Cover
Titel TINO HEMMANN 2136
Impressum Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Auszüge aus »Против беды, против войны« von Lev Ivanovich Oshanin Umschlagfotografien: (vorn) Soldiers © Luis Louro – Fotolia (hinten) Hope © Luis Louro – Fotolia Copyright (2015) Engelsdorfer Verlag Leipzig Lektorat: Birgit Rentz www.fehlerjägerin.de 1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2015 Alle Rechte bei Tino Hemmann
Spund Simo
Juli, ein Educares?
Neumoskau: Angriff der Spunde
Freund Räudiger Paul
Der Educares Mark
Neumoskau: Paulchen gejagt
Die Mutterschlange
Der Todesfluss
Paul und die Abtrünnigen
Absonderlicher Chauvinistenzwerg
Tramper
Morgenlanderwachen
Wenn Tränenwasser versiegt
Die Kollegialen
Rückkehr zur Rotte
Der Kriegsrat
Im Noviregnum in Neuberlin
Schiereiland
Neumoskau: Jonathans Suche
Praescius’ letzte Befehle
Krieg
Jonathan auf Schiereiland
Die Schlacht um Neuberlin
Das Ende des Dritten Weltkrieges
21. August 2137 – Erstes Nachwort
7. November 2016 – Zweites Nachwort
Über den Autor
Charta der Europäisch Demokratischen Republik:
Passus 1
Privilegierten Beamten und Staatseigenen der EDR sind Kirchtum, Glauben, Sektentum und nichteuropäische Vermehrung unter Androhung der Glättung untersagt.
Das alles hier geschieht im Jahr 2136 der Zeitrechnung. Es herrscht Sommer in Europa.
Die Python stand breitbeinig auf dem erhöhten Podest vor der Jungrotte, betrachtete skeptisch die weit über fünfhundert Jungen. Diese knieten in einheitlichen Abständen auf dem harten, kühlen Beton unter ihr, mit identisch verschränkten Armen, die vielfach ängstlichen Blicke auf die Rottenführerin gerichtet. Das derb wirkende Gesicht der Frau glich dem einer altertümlichen, grob in Stein gemeißelten Sphinx, die strähnigen Haare trug sie kurz, als wollte die Python einen männlichen Führer darstellen.
Gefühlsleere und eisige Kälte drang durch die bröselnden Betonplatten des Exerziertunnels. Die Rottenführerin trug eine eng anliegende, schwarz-weiß gestreifte Uniform. Dadurch wirkte ihr Körper fast wie ein Skelett. Die Uniform bestand aus einem stellenweise durchschusssicheren Lederimitat, der Helm hing in ihrem Nacken und würde im Notfall in Sekundenschnelle ihren Kopf umschließen können.
Die geschundenen Körper der acht- bis zwölfjährigen Jungen hingegen wurden durch sogenannte »Shortshirts« bedeckt, graue Latzhosen aus einfachstem, dünnem Stoff mit eingearbeiteten Schulterträgern und Fußhüllen. Lediglich die Spundgruppenführer, die jeweils ganz vorn links in den Gruppen zu knien hatten, trugen zusätzlich eine graue Schirmmütze – fast unnütz und nur dazu gedacht, sie von den untergebenen Spunden zu unterscheiden.
»Python endlos faseln«, hauchte Simo, der in seiner Gruppe in der dritten Reihe an fünfter Stelle kniete, ohne dass sich Mund oder Augen bewegten und ohne dass es jemand hören sollte.
In der Rotte hieß Simo »17-Spund-Simo«. Er war blond und dürr – jede einzelne seiner Rippen war auch unter den Shortshirts deutlich zu erkennen – und viel zu kurz geraten. Wahrscheinlich war der Kleine neun Jahre alt – niemand wusste das genau. Jedenfalls war Simo ein Räudiger, gefangen in den nördlichen Wäldern zwischen dem großen Bodden und der Ostsee. Er wirkte ganz anders als die Educares, wie 16-Spund-Levi links oder 18-Spund-Flor rechts neben ihm im dritten Zweig der Elia-Gruppe. Educares waren die gezüchteten Spunde der Europäisch Demokratischen Republik (EDR). Deren Körper waren meist kräftig gewachsen und sie wirkten größer. In der »Spundzucht« ließen die Demokraten im Nordwesten der EDR auf der Halbinsel Schiereiland die Educares züchten, die im Alter von acht Jahren auf die Rotten aufgeteilt wurden.
Räudiger hingegen waren einst Wilde gewesen. Sie wuchsen mit oder ohne Angehörige und unüberwacht in der Kargheit jenseits der geschützten Städte auf und gehörten zur Brut der Abtrünnigen. Wurden sie während einer Treibjagd gefangen, brachte man die kleinen männlichen Exemplare zunächst zum Chippen in die »Beutemast« auf Schiereiland und erst später, so auch sie das achte Lebensjahr erreicht hatten, zur Abrichtung in die südlichen Rottenquartiere der EDR. Fast alle anderen Abtrünnigen, die nicht in das Schema der Rotten passten, wurden während der Treibjagden umgebracht.
Die Rottenführer schienen allesamt Weiber zu sein. Sie gaben ihrer jeweiligen Rotte den Namen. Oder wurden die Weiber nach der Rotte benannt? Simo wusste von einer Boa- und einer Viperrotte. Ihn aber hatte man in die Pythonrotte gesteckt. Er hasste die Rottenführerin Python. Er verachtete auch 01-Spundgruppenführer-Elia. Er hasste alle Educares, verabscheute die Rottenausbildung und das ganze System. Elia, die Nummer 01 seiner Gruppe, war selbstverständlich auch ein Educares. Alle Gruppenführer waren Educares! Die Gene, die Elia erschaffen hatten, waren kontrolliert rein und ausgezeichnet, sein Körper schien extrem kräftig, widerstandsfähig, mit angeblich stählernen Knochen und voller Muskeln, sein Haar leuchtete hell und rötlich schimmernd. Obwohl Elia etwas jünger war als der schmächtige Simo, überragte er diesen um eine deutliche Kopflänge. Der Gruppenführer trug die Schirmmütze und das GMG-40, ein Gehirn-Manipulations-Gerät. Simo hatte Elias Finger genau beobachtet.
Das GMG war ein flaches Gerät, das an einer Leitung an Elias Gürtel baumelte. Im oberen Bereich besaß es drei Sensortasten, mit denen die Strafeffektivität eingestellt wurde. Darunter waren sieben Reihen mit je sechs Tasten, durchnummeriert von 02 bis 43. Taste 17 gehörte zu Simo und eine Taste 01 gab es nicht. Warum auch sollte sich Elia selbst bestrafen? Hatte Elia etwas an Simos Verhalten auszusetzen, stellte er oben die Art der Bestrafung ein und drückte die Taste 17. Wie auch immer es Elia gefiel, drückte er entweder kurz oder aber lang darauf. Der Chip in Simos Rückenmark sorgte für einen quälenden Schmerz in seinem ausgemergelten Körper. Nasenbluten oder eine Ohnmacht konnten folgen. Eine bestimmte Einstellung des GMG-40 würde sogar zum Tod des zu bestrafenden Spundes führen.
Die Python besaß ebenfalls ein GMG, aber ein ganz anderes, ein größeres, mit viel mehr Tasten. Sie konnte auch die Spundgruppenführer bestrafen, ebenso wie eine ganze Gruppe, oder gar die komplette Rotte gleichzeitig ausschalten.
34-Spund-Paul, einer aus Simos Gruppe, hatte einst berichtet, er hätte mit eigenen Augen gesehen, dass eine Spundgruppe tot umgefallen sei, nachdem es eine verbale Auseinandersetzung mit der Python gegeben hätte. Es sei vor Simos Zeit in der Rotte gewesen. »Paul das nicht erdichten«, hatte der elfjährige Räudiger versichert. »Python g’glättet 48 Spunds, glaubt’s, in erbärmlichem Augenblick.«
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