Gehört der Islam zu Österreich

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In jüngster Zeit dominieren Begriffe wie „Radikalismus“, „Terrorgefahr“ und „Integrationsverweigerung“ die öffentliche Debatte, wenn es um die islamische Community in Österreich geht. Es ist eine Debatte, die von politischen Akteuren mit viel Aufregung geführt wird – und die eher auf Gefühlen als auf Fakten aufbaut. Höchste Zeit für einen differenzierten Blick: Redakteurinnen und Redakteure der Tageszeitung „Die Presse“ beleuchten die Rolle, die Muslime heute in Österreich spielen. Von Erziehung und Bildung, der Rolle der Frau bis hin zu Politik und Wirtschaft. Das Ergebnis: oft überraschende Erkenntnisse über die bunte Vielfalt der Einflüsse und eine umfassende Analyse, wo es beim Zusammenleben noch hakt und wo es bereits ein konstruktives Miteinander gibt.

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Inhalt Cover Titel VORWORT Vorwort Das Wir und das Ihr Vorwort - фото 1

Inhalt

Cover

Titel

VORWORT Vorwort

Das Wir und das Ihr Vorwort

Rainer Nowak und Erich Kocina

1. ISLAM UND ÖSTERREICH

Die muslimische Volkszählung

Erich Kocina

2. ISLAM UND POLITIK

Ein schwieriger Umgang

Oliver Pink

3. ISLAM UND KATHOLISCHE KIRCHE

Mehr Neben- als Miteinander

Dietmar Neuwirth

4. ISLAM UND WIRTSCHAFT

Österreichs Halal-Ökonomie

Jakob Zirm

5. ISLAM UND KINDERGARTEN

Radikalisierung und Skandalisierung

Eva Winroither

6. ISLAM UND SCHULE

Weltanschauungen im Klassenzimmer

Bernadette Bayrhammer

7. ISLAM UND FRAUEN

Das Tuch, das spaltet

Anne-Catherine Simon

8. ISLAM UND DIE TÜRKEN

Der Einfluss der alten Heimat

Köksal Baltaci

9. ISLAM UND EXTREMISMUS

Die Kinder des Jihad

Anna Thalhammer

10. ISLAM UND ANTISEMITISMUS

Neuer Import des alten Gifts

Rainer Nowak

11. ISLAM UND RECHT

Kein Minarett und keine Burka

Benedikt Kommenda

12. ISLAM UND MEDIEN

Viel beachtet, oft falsch dargestellt

Anna-Maria Wallner

13. ISLAM UND BUNDESHEER

Freitagsgebet in Uniform

Iris Bonavida

14. ISLAM UND JUSTIZ

Muslime hinter Gittern

Manfred Seeh

15. ISLAM UND VORBILDWIRKUNG

Der Kickboxer als Role Model

Gerhard Bitzan

16. ISLAM UND DISKRIMINIERUNG

Muslime als Feindbild

Erich Kocina

17. ISLAM UND MINDERHEITEN

Die „anderen“ Muslime

Duygu Özkan

Autorinnen und Autoren

Weitere Bücher

Impressum

Vorwort

Das Wir und das Ihr

Rainer Nowak und Erich Kocina

Gehört der Islam zu Österreich? Es ist eine provokante Frage und natürlich eine zugespitzte, die am Cover dieses Buches steht. Und es ist eine Frage, in der eine These steckt, die man als ein Problem sehen kann. Dass damit nämlich ein „Wir“ und ein „Ihr“ konstruiert wird. Eine Unterscheidung in Österreicher und Muslime, die suggeriert, dass es ein einheitliches Ganzes gibt – und das auf beiden Seiten. Allein, weder gibt es den monolithischen Block der Muslime, der wie ein Fremdkörper in ein Land gepflanzt wurde und an dem in einem lebensgroßen Experiment gezeigt wird, wie sich seine Mitglieder hier einfinden. Und auch Österreich ist weit davon entfernt, ein einheitlich organisierter Raum zu sein, der in sich reibungsfrei funktioniert und erst durch das Einsetzen einer religiösen Gruppe ins Wanken kommt.

Schon der Blick in die Geschichte zeigt, dass der Islam längst ein Teil von Österreich ist. Beginnend mit der Okkupation des muslimisch dominierten Bosnien-Herzegowina durch die Habsburger wurde der Islam auch formal ein Teil des organischen Ganzen. Als kleiner Teil, dem ganz selbstverständlich auch alle Rechte zugestanden wurden. Und der weit davon entfernt war, Bedenken von einem Kampf der Kulturen auszulösen. Wohl auch, weil im fernen Wien kaum etwas von dem Neuen zu spüren war. Und weil Religion nur ein Aspekt von vielen war, der im damaligen Vielvölkerstaat mitnichten die Hauptrolle spielte.

Der Orient und mit ihm der Islam hatte auch lange Zeit die Rolle eines Faszinosums für die Europäer. Irgendwo zwischen exotischer Begeisterung und Weltoffenheit in einer damals noch nicht globalisierten Welt rangierte der Umgang mit dieser Religion. Natürlich, es gab die Konflikte, die kriegerischen Auseinandersetzungen mit dem Osmanischen Reich. Die Türkenbelagerungen 1529 und 1683, nach denen Wien sich als Bastion des christlichen Abendlandes inszenieren konnte. Und schon damals wurde den Muselmanen, wie sie genannt wurden, auch Ablehnung entgegengebracht. Aber gleichzeitig blieb auch ein wenig vom Gefühl, dass man von dieser Zivilisation doch auch einiges lernen konnte.

Ein wichtiger Markstein im Verhältnis Europas zum Islam war in jedem Fall die Arbeitsmigration aus muslimischen Ländern, die Mitte des vorigen Jahrhunderts einsetzte. In Österreich und Deutschland waren das vor allem die Gastarbeiter aus der Türkei. Nur dass sich damals noch niemand für deren Religion interessierte. Genau genommen interessierte man sich auch sonst recht wenig für die Menschen, die da gekommen waren, um beim Boom der Wirtschaft mitzuhelfen. Es war ja nur als temporäre Maßnahme gedacht. Nach getaner Arbeit, so die damalige Vorstellung, würden sie ja ohnehin wieder in ihre Heimat zurückgehen.

Das war der erste große Irrtum. Gefolgt davon, dass man deswegen auch keine Notwendigkeit sah, sich besonders um diese Menschen zu kümmern. Sie mit dem Land vertraut zu machen, ihnen die Sprache und die Mentalität näherzubringen. Und dafür zu sorgen, dass sich Verbindungen zwischen den Gastarbeitern und der autochthonen Bevölkerung ergeben. Man lebte nebeneinander, hatte einander nicht viel zu sagen und erwartete nicht, dass aus der kurzfristigen Idee eine längerfristige werden würde. Aus den zunächst wenigen Gästen im Land wurden mehr – und irgendwann passte auch der Begriff „Gast“ nicht mehr so recht. Österreich und Deutschland hatten sich als eine zweite Heimat für diese Zuwanderer etabliert.

Lange Zeit waren sie vor allem Türken. Muslime waren sie nur in zweiter Linie – und selbst da war das Interesse nicht wahnsinnig groß, die Furcht vor dieser Religion noch alles andere als ausgeprägt. Im Lauf der Jahre kamen andere Menschen, unter ihnen wieder zahlreiche Muslime, etwa aus Bosnien-Herzegowina. Wieder im Zug von Arbeitsmigration, später als Flüchtlinge aus dem Jugoslawien-Krieg. Doch auch bei ihnen spielte die Religion keine große Rolle. Ja, es wurde schon damals politisiert – gegen „die Ausländer“. Doch der Fokus auf den Islam sollte erst später kommen.

Spätestens mit dem 11. September 2001, mit den Angriffen auf die Twin Towers in New York und das Pentagon in Washington, hatte der Islam den Aufstieg zu einer Art globalem Feindbild geschafft. Ein Feindbild, das nach dem Zerfall der Sowjetunion, dem Ende des Kalten Krieges, offenbar dringend benötigt wurde, erstmals konkret niedergeschrieben in Samuel P. Huntingtons „Clash of Civilizations“ aus dem Jahr 1996. Ein Buch, das quasi das theoretische Konzept dafür lieferte, wie die Welt sich in den kommenden Jahrzehnten entwickeln würde.

Die neue Konfliktlinie zwischen der westlichen und der islamischen Welt hat unter anderem dazu geführt, dass etwa in Österreich und Deutschland aus den Ausländern, aus den Türken, aus den Bosniern und Iranern „die Muslime“ geworden sind. Die Religion ist plötzlich zum primären Identifikationsmerkmal aufgestiegen. Nicht zu einem Merkmal unter vielen, das eben zu einer Person gehört. Sondern zum wichtigsten, hinter das alles andere zurückgereiht wird. Parallel dazu hat sich aber längst eine Wandlung vollzogen. Demografisch und auch ideell. Denn längst ist der Islam nicht mehr ein Merkmal, das vor allem zu Zuwanderern passte. Viele Muslime haben längst die Staatsbürgerschaften von Österreich oder Deutschland inne. Weil sie eingebürgert wurden. Oder sogar hier geboren sind. Aufgewachsen im Bewusstsein, Österreicher zu sein. Und Muslim. Die Frage, ob sie hier dazugehören, stellt sich für sie nicht. Auch wenn sie ihnen von außen immer wieder gestellt wird. Diese Trennung in den Köpfen der Bevölkerung, diese Grundeinstellung im öffentlichen Diskurs ist es, die die Frage, ob der Islam denn nun zu Österreich gehört, immer wieder aufwirft. Eine Frage, die aber weder so pauschal gestellt noch beantwortet werden sollte. Natürlich ist es lohnend, einen Blick darauf zu werfen, wie sich der Islam im österreichischen Staat, in der österreichischen Lebensrealität mittlerweile eingefügt hat. Wie er auf viele Dinge Einfluss nimmt, aber auch, wie er sich an die Gegebenheiten angepasst, sich verändert, eine eigene Spielart entwickelt hat.

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