Tatsächlich mache ich es genau wie er. Außerdem ist mir schon öfter aufgefallen, dass die Leute einen nur dann für dumm halten, wenn man etwas anders macht als sie selber. Sobald ich gesehen hatte, dass die Kohle stimmte, sagte ich: »Danke, Mr. Cheng«, und griff wieder nach dem Löffel. Er knurrte und ging. So läuft es jedes Mal ab, was mir richtig guttut.
Da war ich also, die Nacht war noch jung, und der nächste Job wartete schon auf mich. Nachts habe ich gern möglichst viel zu tun. Aber da ich auch Pflichten hatte, borgte ich mir als Erstes einen Wagen aus, einen roten Vauxhall Nova. Ich war in Eile, also brauchte ich einen kleinen Wagen mit ein bisschen Power unter der Haube. Die Kiste ging ab wie eine Rakete, Richtung Süden, auf meine Seite vom Fluss.
Mr. Gambon hatte die Hunde rausgelassen, das macht er immer, bevor er zuschließt. Er hasst sie, sagt er. Aber eigentlich hat er bloß Angst vor ihnen. Er hat an ihrem Zwinger Rollläden anbringen lassen, die er mit der Fernsteuerung bedienen kann, genau wie andere Leute ihr Garagentor, und zwar von der Straße aus. Mr. Gambon ist ein ziemlicher Waschlappen.
Ich weiß auch nicht, wieso, aber Kampfhunde gehen immer als Erstes auf den Unterleib los. Sogar wenn sie friedlich sind, ist das die Stelle, wo sie einen rammen. Ich knallte Lineker das Knie gegen die Brust, um ihn daran zu erinnern, dass er auf Distanz bleiben sollte. Aber die Hunde hatten Hunger, und sie folgten mir auf Schritt und Tritt, während ich über den Schrottplatz ging und den Zaun auf Löcher hin überprüfte.
Aber ich fütterte sie noch nicht. Sie sollten erst was zu fressen kriegen, wenn ich aus dem Club wieder da war. Satte Hunde schlafen ein.
Eigentlich soll ich, nachdem Mr. Gambon die Tore verriegelt hat, auf dem Schrottplatz bleiben, bis morgens die Arbeiter aufkreuzen. Aber wenn ich mich daran halten würde, könnte ich mir meine Karriere als Catcherin wohl gleich von der Backe putzen. Und die ganzen Extrajobs, die ich brauche, damit ich mir früher oder später die Zähne machen lassen kann, könnte ich auch vergessen.
Nachdem ich meine Runde gedreht hatte, lief ich zum Hänger. Es wurde Zeit, die Kohle zu bunkern.
Wer meint, ich wäre dumm, ist blöde. Wenn es nämlich darum geht, meine Ersparnisse zu verstecken, bin ich sehr clever. Spätestens wenn deine Bank oder Sparkasse Pleite macht und wenn deine kleine Plastikkarte nur noch ihr Eigengewicht in Plastik wert ist, kannst du erleben, wie clever ich bin.
Und wenn du meinst, ich verrate dir, wo ich meine Kohle bunkere, dann bist du noch blöder, als ich dachte.
Es ist doch schließlich so: Meine Ersparnisse werden von einem Stacheldrahtzaun und von Ramses und Lineker gesichert. Sie sind an einer Stelle versteckt, die außer mir keiner kennt. Und wenn du zufällig darauf stoßen solltest, was mehr als unwahrscheinlich ist, dann wartet immer noch eine böse Überraschung auf dich.
Kannst du das von deinem Geld auch sagen? Wetten, dass nicht?
Harry Richards sammelte seine Truppen am hinteren Ende von Bermuda Smiths Kellerbar. Wir hielten uns im Dunkeln, um die Gäste nicht zu erschrecken. Wir waren auf alles gefasst. Wir kriegten Sandwichs auf Kosten des Hauses, aber nichts zu trinken. Harry Richards ist kein Trottel.
Bermuda Smith ging früh heim. Er ist auch kein Trottel.
Die Band spielte. Die Sänger sangen. Die Gäste aßen und tranken, und sie tanzten, bis die Söckchen qualmten.
Nichts passierte.
Umso besser, dass wir die halbe Miete schon im Voraus kassiert hatten – bar auf die Kralle.
Ich bin Profi, das heißt, ich arbeite nur für Geld. Aber als Profi hat man auch Verantwortung. Also blieb ich wachsam, nicht wie ein paar andere, die am Tisch saßen und Karten spielten. Allerdings hätten diese Typen sowieso nicht mit einer Frau gezockt. Ich blieb allein und hielt die Augen offen.
Der sogenannte Bildhauer saß mit drei Freunden an einem Tisch. Er zog die »Ich bin Künstler, ich kann mich besaufen, wo ich will«-Schau ab. Seine Freunde waren nicht ganz so dämlich. Ich hatte den Eindruck, als ob sie versuchten, ihm gut zuzureden, es mit dem roten Vino etwas langsamer angehen zu lassen. Das war vernünftig. Wenn es in dem Club nämlich tatsächlich Rabatz gab, war er nur einer von vielen weißen Wichsern – und nicht der Mann aus dem Volke, wie er sich einbildete.
Ich hoffte fast, dass sich etwas zusammenbraute. Wenn richtig die Fetzen flogen, konnte ich ihm vielleicht irgendwie helfen, nur um ihm mal zu zeigen, wen er da eigentlich verarscht hatte. Andererseits hätte ich genauso gut gar nichts machen können. Dann hätte er es sicher auch kapiert. So oder so, ich hatte einen Trumpf in der Hand.
Ich kam ein bisschen ins Träumen. Ich träumte, dass ich seinen weißen Künstlerpopo aus der Scheiße hievte, ihm Saxophon und Brieftasche zurückgab und er sagte: »Du liebe Güte, Eva, wo haben Sie nur diese Körperbeherrschung gelernt. Es tut mir wirklich leid, dass ich Sie beleidigt habe.« Und mit seinem affektiertesten Akzent sagte er: »Ich bitte ergebenst um Verzeihung.«
Ergebenst um Verzeihung! – Ich musste leise lachen.
Ich sah mir die Backgroundsängerin an, die gesagt hatte, Männer wären doch das Allerletzte, und probierte es selber mal aus.
»Männer sind doch das Allerletzte«, sagte ich zu dem Möchtegernkünstler, der diesmal zerzaust und konfus vor mir in der Gosse stand.
»Ich bitte ergebenst um Verzeihung«, antwortete er.
Na und? Man wird sich doch wohl noch einen kleinen Tagtraum genehmigen dürfen, oder?
Der Leadsänger war ein Angeber, ein Master of the Universe. Nichts als Mund und knallenge Hosen. Stimme hatte er, das musste man ihm lassen, aber ansonsten war alles nur Schau. Er trällerte eine Zeile und neigte dann das hübsche Köpfchen zur Seite, als ob er auf das Echo lauschte. Und natürlich, aus dem reizenden kleinen Backgroundharem schallte das Echo harmonisch zu ihm zurück. Ein Egotrip, wie er im Buche steht.
Aber irgendwas stimmte nicht. Die Tussi, für die die Männer das Allerletzte waren, sah so aus, als ob sie von den beiden anderen gestützt werden müsste. Die schimmernden Goldhaare fielen ihr ins Gesicht, und der Kopf war zu schwer für ihren Hals. Ab und zu verpasste sie ihren Einsatz.
Die ersten Gäste lachten schon über sie. Man merkte, dass langsam alle auf der Bühne sauer wurden. Sie verdarb dem Angeber die Show.
Zwischen zwei Nummern sagte er was zu ihr. Was besonders Nettes wird es wohl nicht gewesen sein, weil sie nämlich plötzlich die Haare nach hinten warf und ihn anfunkelte.
Man konnte ihn schon verstehen. Besoffene sind was Lästiges, vor allem, wenn man auf sie angewiesen ist.
Bei der nächsten Nummer war sie ein bisschen besser, aber sehr verlässlich wirkte sie immer noch nicht. Ich beobachtete sie genau. Sie interessierte mich. Warum sollte eine Frau, für die die Männer das Allerletzte waren, so einen Sänger anhimmeln? Sie war klein und wirklich hübsch, hatte lange Beine, lange Haare, lange Wimpern. Alles, was an ihr lang sein sollte, war auch lang. Sie sah genau so aus, wie es die Illustrierten gerne hätten.
Die kann es sich leisten, was gegen Männer zu haben, dachte ich.
Ich hatte den Gedanken, dass sich manche Frauen Hass auf Männer leisten können, noch nicht zu Ende gedacht, da kippte sie von der Bühne. Wahrscheinlich hatten die beiden anderen keine Lust mehr, sie zu halten. Eine von ihnen machte nämlich einen Schritt zur Seite, und schon fiel sie um.
Ein paar Gäste machten Uh und Ah, ein paar Tänzer blieben stehen und drehten sich um. Aber die Band kam nicht aus dem Takt. Und sie lag einfach platt auf dem Rücken, dass man ihren Schlüpfer sehen konnte.
Harry Richards schob sich nach vorne durch, weil das die Art von Arbeit war, für die er bezahlt wird. Allerdings kippen normalerweise die Zuschauer um, nicht die Stars.
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