Liza Cody
Was sie nicht umbringt
Die Eva-Wylie-Trilogie
Band 1
Aus dem Englischen
von Regina Rawlinson
Ariadne Kriminalroman 1201
Argument Verlag
Eva Wylie kam über mich wie eine Sturmflut. Fassungslos versank ich in den brachialen Kapriolen und hirnverbrannten Ratschlägen einer begriffsstutzigen Wuchtbrumme, deren Realität mit meiner herzlich wenig gemein hatte. In Evas Welt sind solche wie ich Spießer oder Feindinnen. Und sie legte mich im Handumdrehen aufs Kreuz.
2013 lauschte ich dem ohnmächtigen Zornausbruch einer schönen jungen Schriftstellerin über das aktuell kolportierte Frauenbild (wir saßen in einem Berliner Lokal mit Blick auf Bushaltestelle samt Werbetafel, ganz normal, laszive Brünette mit viel Haut). Mir wurde klar, dass Eva Wylie neu aufgelegt gehört. Ein Vierteljahrhundert zuvor betrachtete Liza Cody ein Poster des zähnefletschenden Wrestlingstars Klondyke Kate, daneben hing eine Lippenstiftreklame. In der Folge schuf sie Eva Wylie, über die sie sagt: »Eva ist keine vernünftige Frau. Sie ist ein Alptraum der Gesellschaft – was wird aus einem hässlichen, ungebildeten, wütenden, vernachlässigten Kind, wenn es zum großen, starken, hässlichen Weib heranwächst? Es ist knallhart, die Hässliche zu sein in einer Welt, die Frauen nach Jugend, Schönheit und Sexyness bewertet. Eva denkt, wenn sie denn mal denkt, dass sie ihren Nachteil in einen Vorteil verwandelt hat, indem sie beim Profi-Wrestling die Böse gibt. Sie ist verquer genug, um Buhrufe, Pfiffe und den wütenden Hass des Publikums als Erfolg zu verbuchen. Und ich bin verquer genug, darin ein feministisches Statement zu sehen.«
Anfang der 1990er, als Krimiautorinnen den harten Kerlen des Genres mit Verve ihre Männerdomänen streitig machten, wusste ich nichts vom Kunstgriff der »unzuverlässigen Erzählerin«. (Nebenbei: Eva würde jedem, der sie unzuverlässig nennt, die Fresse polieren.) Ich wusste nur, dies war rasante, knackig frische Genreliteratur voller Witz und Milieuschärfe, serviert durch eine schwitzende, trampelige Catcherin, die mir brutal ihre selbstgeschusterten Binsenweisheiten vor den Latz knallt. Ungeniert, ungestüm, unwiderstehlich. Die preiswürdige Übersetzung von Regina Rawlinson wird Evas Kodderschnauze ebenso gerecht wie dem trudelnden Beat des mit dem Silver Dagger gekürten Originals. So ist die Eva-Wylie-Trilogie: zeitlos, ungeschminkt, ein Meilenstein.
Else Laudan
Cover
Titel Liza Cody Was sie nicht umbringt Die Eva-Wylie-Trilogie Band 1 Aus dem Englischen von Regina Rawlinson Ariadne Kriminalroman 1201 Argument Verlag
Die Autorin Eva Wylie kam über mich wie eine Sturmflut. Fassungslos versank ich in den brachialen Kapriolen und hirnverbrannten Ratschlägen einer begriffsstutzigen Wuchtbrumme, deren Realität mit meiner herzlich wenig gemein hatte. In Evas Welt sind solche wie ich Spießer oder Feindinnen. Und sie legte mich im Handumdrehen aufs Kreuz. 2013 lauschte ich dem ohnmächtigen Zornausbruch einer schönen jungen Schriftstellerin über das aktuell kolportierte Frauenbild (wir saßen in einem Berliner Lokal mit Blick auf Bushaltestelle samt Werbetafel, ganz normal, laszive Brünette mit viel Haut). Mir wurde klar, dass Eva Wylie neu aufgelegt gehört. Ein Vierteljahrhundert zuvor betrachtete Liza Cody ein Poster des zähnefletschenden Wrestlingstars Klondyke Kate, daneben hing eine Lippenstiftreklame. In der Folge schuf sie Eva Wylie, über die sie sagt: »Eva ist keine vernünftige Frau. Sie ist ein Alptraum der Gesellschaft – was wird aus einem hässlichen, ungebildeten, wütenden, vernachlässigten Kind, wenn es zum großen, starken, hässlichen Weib heranwächst? Es ist knallhart, die Hässliche zu sein in einer Welt, die Frauen nach Jugend, Schönheit und Sexyness bewertet. Eva denkt, wenn sie denn mal denkt, dass sie ihren Nachteil in einen Vorteil verwandelt hat, indem sie beim Profi-Wrestling die Böse gibt. Sie ist verquer genug, um Buhrufe, Pfiffe und den wütenden Hass des Publikums als Erfolg zu verbuchen. Und ich bin verquer genug, darin ein feministisches Statement zu sehen.« Anfang der 1990er, als Krimiautorinnen den harten Kerlen des Genres mit Verve ihre Männerdomänen streitig machten, wusste ich nichts vom Kunstgriff der »unzuverlässigen Erzählerin«. (Nebenbei: Eva würde jedem, der sie unzuverlässig nennt, die Fresse polieren.) Ich wusste nur, dies war rasante, knackig frische Genreliteratur voller Witz und Milieuschärfe, serviert durch eine schwitzende, trampelige Catcherin, die mir brutal ihre selbstgeschusterten Binsenweisheiten vor den Latz knallt. Ungeniert, ungestüm, unwiderstehlich. Die preiswürdige Übersetzung von Regina Rawlinson wird Evas Kodderschnauze ebenso gerecht wie dem trudelnden Beat des mit dem Silver Dagger gekürten Originals. So ist die Eva-Wylie-Trilogie: zeitlos, ungeschminkt, ein Meilenstein. Else Laudan
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Impressum
Im Gang brüllte sich ein kleiner Kerl die Lunge aus dem Hals. Sah richtig lieb aus mit seinem grauen Regenmantel und dem Schal. Die Schlägerkappe hing ihm übers Auge.
»Gemeines Kampfschwein!«, brüllte er.
Ich konnte ihn in dem Gegröle und Geschrei deutlich hören. Komisch, auf was für Ideen die Leute kommen.
»Halt die Schnauze!« Ich zeigte ihm den Stinkefinger.
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie die Blonde Bombe sich wieder hochrappelte. Ich drehte ihr den Rücken zu.
In der zweiten Reihe hüpfte ein altes Muttchen vor Wut auf dem Sitz herum. »Du Tier«, kreischte sie. »Du potthässliche … Schlampe!«
»Selber Schlampe«, schrie ich.
Die Blonde Bombe boxte mich in den Rücken, und ich knallte in die Seile. Die erste Reihe wurde lebendig. Ich kriegte Schuhe, Programmhefte und Handtaschen um die Ohren gehauen. Ich wälzte mich in die Ringmitte.
Die Blonde Bombe schmiss sich auf mich und drehte mir den Arm auf den Rücken.
Die erste Reihe tobte.
»Mach sie alle«, heulten sie. »Reiß ihr den Arm aus.«
Die Blonde Bombe krallte sich in meine Haare und riss mir den Kopf hoch. So eine linke Titte.
»Pass auf«, sagte ich. »Denk an meine Zähne.«
Sie wusste, dass ich Zahnschmerzen hatte, trotzdem knallte sie mein Gesicht auf die Bretter. Blöde Kuh.
Mit ihr auf dem Rücken stemmte ich mich hoch, bis ich auf allen vieren war. Sie schlang mir den Arm um den Hals. Das kriegt sie nie richtig hin, bei ihr kommt dabei immer eher ein Würgegriff raus als eine Klammer. Aber so was sieht keiner, auch nicht die in der ersten Reihe. Und die erste Reihe war mittlerweile völlig aus dem Häuschen.
»Aua-aua-aua«, jaulte ich, um die Stimmung anzuheizen.
Die Blonde Bombe drückte mir mit voller Kraft die andere Hand ins Gesicht. Sie ist wirklich eine Ratte. Sie wusste genau, dass ich Zahnschmerzen hatte. Ich wurde fuchtig.
Ich spannte die Quadrizepse und kam langsam hoch. Sie hing wie eine Klette an mir. Ihre Brüste quetschten sich gegen meine Schulterblätter, und der Drahtkörbchen-BH, mit dem sie sich die Oberweite vergrößerte, stach mir in die Wirbelsäule.
Sie dachte, ich würde mich hinstellen. Sie lernte es eben nie.
Als ich mich halb aufgerichtet hatte, rollte ich mich nach vorne ab und legte sie flach auf den Rücken. Ich drehte mich um und landete in letzter Sekunde auf ihren Schultern. Sie hatte nicht mehr genug Puste, um eine Brücke zu machen. Jetzt hatte ich sie.
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