1 ...6 7 8 10 11 12 ...26 Shonessi blickte mit stechenden Augen zu Hartmut, fasste Marc am Arm, zog ihn mit der einen Hand zu sich, drehte mit der anderen Hand seinen Kopf zu ihr, hauchte ihn an, „lass ihn, er ist dumm und eifersüchtig. Beachte ihn erst gar nicht. Schön waren deine Worte, sie kamen von Herzen, das habe ich gefühlt. Hier“, sie nahm die Hand von Marc, drückte sie auf ihr Herz. Ihr Ton änderte sich, wurde schneidend. „Er nennt sich dein Freund? So verhält sich kein Freund. Er hat es nicht verdient, dein Freund zu sein. … Komm her!“
Dieses 'Komm her' war so verführerisch, dass Marc spontan Hartmut vergaß. Hartmut fielen fast die Augen aus dem Kopf, kreidebleich wurde er im Gesicht, verlor die Fassung nach Shonessis Antwort, musste nach Luft ringen. Vor ihm verschwammen die Bilder, als Shonessi Marc leidenschaftlich küsste.
Gerhard stand auf und zog den widerstrebenden Hartmut mit sich. Marc und Shonessi waren so mit sich selbst beschäftigt, dass sie das nicht wahrnahmen.
Eine weitere Stunde später betrat eine gebieterische Erscheinung den Gastraum. Der Mann war augenscheinlich indigener Abstammung, Anfang dreißig. Seine dunklen, fast schwarzen Haare waren schulterlang mit einem Mittelscheitel. Er trug ein rotkariertes Holzfällerhemd. Aufmerksam blickte er sich im Raum um, ging dann zielstrebig auf die Sitzecke mit Marc und Shonessi zu. Er wollte seinen Augen nicht trauen, so vertraut und sich liebkosend hingen beide aneinander, bemerkten seine Anwesenheit in keiner Weise.
„Stör ich?“ Mit grimmigem Gesicht stellte er diese Frage, eine Antwort nicht erwartend. „Was soll das hier, Shonessi? Komm sofort mit!“
Shonessi legte ihre Stirn in Falten.
„Ich bleibe, Ahmik. Ich liebe Lakota und ich will bei ihm bleiben.“
Marc musste tief Luft holen, erst jetzt erkannte er in dem Fremden den Bruder von Shonessi. Ahmik blickte verdutzt von einem zum anderen.
„Lakota, wieso Lakota?“
„Weil ich ihn Lakota nenne, oder kennst du die Bedeutung des Namens nicht mehr?“
Ahmik verdrehte die Augen.
„Bist du völlig irre. Man droht dir mit Mord und du denkst an so einen Blödsinn!“
„Blödsinn? Das ist kein Blödsinn.“
Sie war aufgesprungen. Seine Bevormundung nervte. Bevor der Streit jedoch eskalierte, griff Marc ein.
„Shonessi, bitte! Dein Bruder hat Recht, du bist in sehr großer Gefahr. Geh mit ihm. Ich halt das nicht aus, wenn dir etwas zustoßen sollte.“
Shonessi wandte sich Marc zu.
„Liebst du mich? Willst du mich wiedersehen, dann sag es! Jetzt!“
Marc nahm ihren Kopf zwischen beide Hände, schaute sie ernst an.
„Ich liebe dich, und ich will dich wiedersehen.“
„Das will ich auch, komm einfach nach Yellowknife, hier ist meine mobile Rufnummer. Wenn du mich dort nicht findest, ich wohne auf Queen Mary Island, in Sunrise City. Hier ist meine Adresse.“
Sie gab ihm eine Karte mit ihrer Adresse und Telefonnummer. Zur Antwort nahm er sie fest in seine Arme und streichelte ihr über die Haare. Ahmik stand die ganze Zeit ohne ein Wort zu sagen daneben. Dann griff er ihre Hand, widerwillig folgte sie ihm aus dem Gastraum.
Zurück blieb Marc. Nachdenklich setzte er sich nochmals an den Tisch, sah aus dem Fenster noch beide mit dem Pickup davonfahren. Er bestellte sich einen Whiskey und versuchte, sein Gedankenchaos zu ordnen. Es gelang ihm nicht, so machte er sich auf den Weg in sein Zimmer. Als er schon die Hälfte der Treppe hinter sich hatte, betraten zwei Männer den Gastraum. Er hielt inne, in seinem tiefsten Innern spürte er Gefahr. Er stand auf dem unteren Absatz der Treppe, als er die beiden hörte. Da erkannte er einen der beiden, es war der jüngere der beiden Männer aus dem Flugzeug. Schnell lief er die Treppe nach oben, um selbst unerkannt zu bleiben.
Die beiden Männer erkundigten sich an der Rezeption nach den Gästen, allerdings mussten sie den Nachtportier massiv bedrohen, um an die entsprechenden Informationen zu gelangen. Dann stürmten sie die Treppe hinauf, traten die Tür von Hartmuts Zimmer ein und rissen den Ahnungslosen aus seinem Tiefschlaf. Mussten dann aber feststellen, dass dieser keine Ähnlichkeit mit dem gesuchten hatte. Wortlos verschwanden sie fluchtartig aus dem Hotel.
Im Transporter rief der Mann aus dem Flugzeug, er nannte sich Fowler, seinen Vorgesetzten an.
„Mr. Baxter, wir waren ganz dicht dran. Aber hier sind sie nicht mehr. Der Typ aus dem Flugzeug hat sich wohl mir ihr aus dem Staub gemacht.“
Eine erzürnte Stimme antwortete am anderen Ende: „wie konnte das passieren. Ich dachte, Sie hatten alles im Griff. Von wem reden Sie? Klartext bitte!“
„Mr. Baxter. Erinnern Sie sich an diesen Mann an dem Zeitungsständer auf dem Flug nach Vancouver? Er muss uns belauscht haben. Ich habe ihn gesehen, als er sich mit Jeep und dieser Indianerin davonmachte, uns nach allen Regeln der Kunst austrickste. Hier in Watson Lake konnte ich ihn auch nicht finden. Wahrscheinlich ist er längst über alle Berge.“
„Mir ist egal, wie Sie das anstellen. Ich will Ergebnisse! Sie haben vier Wochen. Ihre letzte Chance. Nutzen Sie diese.“ Damit war das Gespräch beendet.
„Fahr los. Unser Ziel ist Yellowknife. Vielleicht können wir sie vorher noch abfangen. Der Weg bis dorthin ist lang. Wir müssen auch den roten Pickup von ihrem Bruder beachten.“
Im Hotel, Hartmut völlig aufgelöst, rief um Hilfe. Als erster war Gerhard bei ihm, etwas später kam Marc mit hinzu, der zuerst die eingetretene Tür begutachtete.
Ich denke, das galt mir. Ihr Bruder hatte Recht. Die wollen sie tatsächlich umbringen. Ich muss sie wiedersehen, muss ihr helfen.
Mit diesen Gedanken ging er in das Zimmer hinein. Mit hochrotem Kopf ging Hartmut laut schreiend auf Marc los.
„Du blöder Hund, siehst du, was du angerichtet hast? Wegen dieser Indianerin riskierst du mein Leben? Vielleicht solltest du dich ein bisschen mehr mit uns absprechen. Ich hätte tot sein können, verstehst du das?“
Hartmut war wie von Sinnen. Marc dagegen die Ruhe selbst.
„Wieso, du lebst doch, bist noch nicht einmal verletzt. Und damit du Bescheid weißt: Ich bereue nichts, habe richtig gehandelt. Sie lebt und ist hoffentlich in Sicherheit.“ Sein Gesichtsausdruck verklärte sich. „Ich habe mich verliebt, ja, das habe ich.“ Nach kurzer Pause war er klar und deutlich. „Wenn ihr nicht wollt, dass wir uns hier und jetzt trennen, dann sollten wir uns jetzt vertragen und unsere Tour fortsetzen.“
Jetzt griff auch Gerhard ein, „du machst mit uns die Tour? Das hätte ich nicht gedacht!“
„So schlecht kennt ihr mich? Ich freue mich seit einem halben Jahr auf diese Tour, das lass ich doch nicht einfach so sausen.“
Gerhard umarmte Marc, auch Hartmut hatte sich wieder gefangen. Gerhard sprach beide zufrieden an.
„Das finde ich richtig gut. Und wenn wir unser Ziel erreicht haben, kannst du ja immer noch zu deiner neuen Liebe.“
Am nächsten Tag erkundeten sie die Umgebung und besichtigten den Schilderwald von Watson Lake. Dieser 'Sign Post Forest' ist berühmt für seine über 50.000 Orts- und Wegeschilder aus aller Welt, gesammelt seit 1942 von einem heimwehkranken Soldaten und nach seinem Tode ergänzt durch die Mitbringsel tausender Touristen.
Am Nachmittag stand der Einkauf von weiterer Ausrüstung und Lebensmittel an, insbesondere der Kochutensilien. Am darauffolgenden Morgen wurde das Gepäck, einschließlich der noch verstauten und zerlegten Boote, zum Flugzeug gebracht. Es handelte sich dabei um einen knallroten Hochdecker mit Schwimmern und großem Sternmotor. Zuerst verstauten sie die Boote im Flugzeug, Hartmut und Marc flogen mit. Nachdem die beiden samt Boote abgesetzt waren, folgte Gerhard mit dem restlichen Gepäck. Während des Fluges bemühte sich Marc um Versöhnung.
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