In Deutschland war die ursprüngliche Rasse im alten Preußen zur Zeit der Ordensritter eine ähnliche, wie die Galloways in England. Auch sie wurde mit Hilfe orientalischer Hengste verbessert, aber es gab noch keine Leistungsprüfungen auf der Rennbahn. Als Initiatoren von Zucht und Rennsport in Deutschland gelten die Brüder und Barone Gottlieb (1792-1873) und Wilhelm (1789-1768) von Biel, die Vertreter der neuen Rasse auf Auktionen von Tattersalls, Newmarket kauften, das 1776 gegründet wurde und das älteste Auktionshaus für Vollblutpferde ist. Sie brachten zwar nicht die ersten Vollblüter nach Deutschland – wahrscheinlich war der mehrfache Vier-Meilen-Sieger Dick Andews (1779; Joe Andrews) der erste Import, der auch den St. Ledger-Sieger Quiz in einem Matchrennen geschlagen haben soll – betrieben aber eine systematische Vollblutzucht. Im mecklenburgischen Gestüt zu Zierow standen damals fünf Stallions und eine große Zahl von Stuten, und jährlich gab es eine Auktion, um die Produkte zu vermarkten. Ein weiteres Gestüt soll in Weitendorf, in der Nähe Wismars existiert haben, und als einer der bekanntesten Biel-Stallions, der zu Zierow stand, gilt der aus England eingeführte Muley Sohn Robin Hood (1818), der 3x3 auf den Diomed-Sohn Young Giantes ingezogen war, und von dessen Söhnen auch viele im Landgestüt Celle aufgestellt wurden.
Auch Deutschlands erste Rennbahn, zu Bad Doberan, wurde auf Betreiben der Barone Biel gebaut, und sie gilt als die erste Pferderennbahn auf dem europäischen Festland. Seit 1804 wurden bereits auf freiem Feld „Rennen“ geritten, doch fand der erste Renntag mit Vollblütern am 10.8.1822 zu Ehren der Großherzogin Alexandrine statt. Auch die Bahnen zu Güstrow und Neubrandenburg riefen sie in ihrer mecklenburgischen Heimat ins Leben, und wenige Tage nach dem ersten Rennen, am 13.August, gründete sich der Doberaner Rennverein, dessen erster Präsident der spätere Großherzog Paul Friedrich von Mecklenburg wurde. 1827 erhielt Bad Doberan eine erste Holztribüne, 1854 und 1890 Neubauten. Ein Steeple-Chase Kurs war ab 1833 verfügbar, und nach der Wende entstand aus DDR-Ackerland wieder eine Rennbahn. Zu den ältesten deutschen Rennplätzen zählten auch Breslau (1832), Schleswig (1833), Stralsund (1834), Celle, Düsseldorf (1836) und Baden-Baden 1858.
Das erste Union-Rennen (2400 m) schrieben die Gebrüder ebenfalls aus, und die Erstausgabe gewann 1834 der 1831 von ihnen gezogene Nigel-Sohn Alba, der ein Urururenkel von Eclipse war und die Whalebone-Tochter Therese zur Mutter hatte. Dieses Rennen sollte die wichtigste überregionale Zuchtprüfung des mitteleuropäischen Raumes, und das Gegenstück zum Englischen Derby, werden, und war deswegen für Pferde aus Ungarn, Österreich, Preußen, Mecklenburg, Holstein und dem Kontinent ausgeschrieben, während die überlegenen Pferde Englands ausgeschlossen blieben. 1868 entstand jedoch das Österreichische Derby, und ein Jahr später das Norddeutsche, das Ulrich von Oetzens Englandimport Investment (King of Diamonts) gewann.
1842 waren im Deutschen Gestütsbuch bereits 780 Zuchtstuten verzeichnet, und drei Jahre später enthielt es schon 37 importierte Stallions, während Frankreich damals erst 14 importiert hatte. Damit zählte Deutschland zu den ersten Ländern, die den Grundstein für Zucht und Sport nach englischem Vorbild gelegt hatten. Und zu jenen Hengsten gehörten auch die Epsom Derbysieger von 1822, Moses (Seymour oder Whalebone), und 1835, Mündig (Catton).
Dieser war zwar ein Halbbruder zu Cotherstone (Touchstone), der die 2000 Guineas und das Derby 1843 gewann, doch waren beide Halbbrüder als Beschäler eine Fehlentscheidung. Moses war ein schwacher Derbysieger, und Mündig, 4x4 auf den Eclipse-Sohn Mercury ingezogenen und für John Bowes der erste von vier Derbysiegern, soll mit zunehmendem Alter äußerst gefährlich geworden sein. Neben 14 weiteren Hengsten, die in jenen Jahren aus Frankreich kamen, hatte 1836 auch schon der Schimmel Gustavus (Election) in deutschen Landen eine Box bezogen, der 1821 das Epsom Derby gewann, die St. Ledger-Distanz aber nicht stehen konnte.
Der Schlussbogen von Deutschlands ältester Rennbahn führt als Rechtskurs in eine 500 Meter lange Zielgerade
Und zu dessen Siegreiter Sam Day, der im 19. Jahrhundert eine sehr bekannte „Rennfamilie“ vertrat, und dessen älterer Bruder John vier „Oaks“ gewann aber nie das Derby, gibt es auch eine kleine Story. „Uncle Sam“, so sein Spitzname, trat nach seinem zweiten Derbyerfolg mit dem Emilius-Sohn Priam 1830 vom Jockey-Beruf zurück und wurde Farmer. Dieses Geschäft war jedoch nicht nur unprofitabel, sondern die harte Arbeit hatte auch Sams „Rentner-Gewicht“ von 11 Stone, 6 Pfund (72,6 Kilo) auf sieben Stone, 12 Pfund (49,9 Kilo) reduziert. Der Ex-Jockey kehrte zurück in den Rennsattel und gewann das Derby 1846 auf Pyrrhus The First (Epirus) und die Oaks in der gleichen Saison mit de Touchstone-Tochter Mendicat, die auch die 1000 Guineas gewonnen hatte, für den gleichen Besitzer. 1866 starb „Uncle Sam“ mit nur 64 Jahren, nachdem er zu Ascot einige Pferde als Trainer in Obhut gehabt hatte.
1850 gewann der von Graf Hahn-Basedow gezogene Turnus, der den Muley-Enkel Taurus zum Vater hatte und als Dreijähriger in Deutschland in vier Rennen ungeschlagen war, als Vierjähriger im englischen Goodwood die Stewards- und Chesterfield Cups, und das war drei Jahre früher, ehe ein französisches Pferd ein wichtiges Rennen auf der Insel für sich entscheiden konnte. Zehn Jahre später siegte seine in England gezeugte Tochter Butterfly in den dortigen Oaks.
Hamburg-Horn startete 1855, und der erste Deutsche Derbysieger, der Ungar Uram Batyam, der den Hermit-Sohn Gunnersbury zum Vater hatte und aus der Buccaneer-Stute Bajos gezogen war, heftete 1889 das erste Deutsche Derby an seine Farben, das 15 Jahre früher kam als das Italienische Derby, und das Norddeutsche Derby ablöste. Während des Zweiten Weltkrieges wurde es als Großer Deutschland-Preis entschieden, und auch nicht immer an seinem angestammten Platz gelaufen. Als der Nuage-Sohn Gibraltar (3x4 auf St. Simon ingezogen) 1919 gewann, geschah das auf der Rennbahn Grunewald, und 1943 und ein Jahr später wurden die Sieger in Hoppegarten gefeiert. Zunächst Allgäu (Ortello) und 1944 der Sohn des Oleander und der Nereide, der Erlenhofer Nordlicht, der 1943/44 auf deutschen Bahnen ungeschlagen war, 1944 zum „Pferd des Jahres“ gewählt wurde, eine eigene Briefmarke bekam und 1945 als Kriegsbeute in die USA abtransportiert wurde, wo er 1968 auf der La Branche Plantation zu St. Rose, LA verstarb. 1946 eröffnete der Lampos-Sohn Solo in München die Nachkriegs-Derbyzeit, und 12 Monate später gewann der Isarländer und Arjaman-Enkel Singlspieler das Blaue Band des Turfs zu Köln. 1972, als das Derby bei der Eingruppierung den Gruppenstatus I erhielt, siegte der Tudor Melody-Sohn Tarim unter Geoff Lewis für Trainer Georg Zuber und Besitzer Fredy Ostermann dort, wo es schon längst wieder fest beheimatet war, zu Hamburg Horn.
Bei den Jockeys fehlt Andrasch Starke nur noch ein einziger Derby-Erfolg, um mit Gerhard Streit gleichzuziehen, der acht Sieger ritt: Orgelton gewann 1938, Wehr Dich, Schwarzgold und Magnat in den folgenden drei Jahren, Allgäu 1943, Solo drei Jahre später, Mangon 1952, und Baalim setze 1961 den Schlusspunkt. Andrasch Starke begann 1998 mit Robertino, ließ zwei Jahre später Samum folgen und nach gleichem Zeitabstand Next Dessert. Vier Jahre später punkteten für den geborenen Hamburger Schiaparelli und 2008 Kamsin, während die beiden vorerst letzten Derbyerfolge für den mehrfachen deutschen Champion-Jockey 2013 und 2015 mit Lucky Speed und Nutan folgten. Der vorerst letzte Sieger, der Lord of England-Sohn Isfahan musste 2016 hart kämpfen, um mit dem Italiener Dario Vargiu im Sattel um Millimeter zu gewinnen.
Читать дальше