8. Ich halte wie gesagt die Wiederholung des österreichischen Sozialstaatsvolksbegehrens aus dem Jahr 2002 für den dringlichsten, unverzichtbaren, wirklichen Ausweg aus der jetzigen, sich verschlimmernden Situation. Das Sozialstaatsvolksbegehren war wie gesagt verbunden z. B. mit Frauenministerin Johanna Dohnal, dem WIFO-Ökonomen Schulmeister und primär dem Arzt, Menschenrechtskämpfer, Antifaschisten und ersten Wiener Pflegeombudsmann Werner Vogt. Vogts Arztroman , Lebensbericht, ist, ich sag’s sicherheitshalber noch einmal, eine Geschichtsschreibung und präventive Problemanalyse des österreichischen Sozialstaates, der Zivilgesellschaft, Institutionen und Bewegungen, des Gesundheitswesens und der Pflegeeinrichtungen. Da steht gewissermaßen schon ewig alles drinnen, was jetzt katastrophal geschehen ist. Und was man dagegen hätte tun können, kann. Mir ist unvorstellbar, dass vor dem Lockdown Berater von Fach die schwarzgrüne Regierung auf Vogts Analysen nicht hingewiesen haben, und ich bin mir auch sicher, dass unabhängig von Vogt Supervisoren, Therapeuten, Pflegewissenschaftler, Ärzte und Verbände die Regierung auf die Qualen, Unfallgefahren und Todesfolgen hingewiesen haben, die entstehen, wenn man z. B. Pflegeheime und Gesundheitseinrichtungen zu geschlossenen Anstalten macht, so der Kontrolle und Hilfe von außen entzieht und mit ihren Notständen an Personal, Material und Know-how im Stich lässt. Wie auch immer, das Sozialstaatsvolksbegehren 2002 war präventiv in jeglicher Hinsicht. Hätte man an ihm festgehalten, wären uns allen die Katastrophen da hier erspart geblieben. Gerade auch die ökonomischen. Wie auch immer, jetzt, jetzt ist das österreichische Klimaschutzvolksbegehren vorbildlich und beherzt. Die Eintragungswoche beginnt gleich nach dem Bachmannwettbewerb. Die Bachmann hätte sicher unterschrieben.
Interview für Literatur outdoors – Worte sind Wege, https://literaturoutdoors.com
Die Welt braucht ...
das österreichische Sozialstaatsvolksbegehren aus dem Jahr 2002.
Corona hat ...
die Katastrophen nicht verursacht. Die Katastrophen sind Menschenwerk. Die Folge von jahrzehntelangen Unterlassungen seitens der Regierung. In der Dritten Welt wie in der Ersten.
Literatur muss ...
Müsli. Und Kakao!
Himmel oder Hölle ...
Freiheit ist jene kleine Bewegung, die einen Menschen macht.
Wenn ich ein Diktator wäre, würde ich ...
Sie vielleicht! Ich nicht.
Ohne Sprache ….
Ja bitte! Gern!
Was schmerzt Sie?
Jede Minute stirbt eine Frau bei der Geburt ihres Kindes. Und jedes Mal, wenn wir mit den Augen blinzeln, verhungert ein Kind. Und 400.000 Kinder scheißen sich unter Krämpfen zu Tode, das ist die Zahl allein in Indien jedes Jahr. Alles Menschenwerk, nix Naturkatastrophe.
Für wen sind Sie gefährlich?
Den Gemeinen.
Was an Ihnen ist kindisch?
Die Nüchternheit.
Worauf warten Sie?
Sie haben völlig recht! Gemma! Sozialstaatsvolksbegehren wiederholen! Höchste Eisenbahn!
Interview für kulturMontag , ORF
Wie haben Sie reagiert, als Sie erfahren haben, dass Sie bei den diesjährigen tddl (Tage der deutschsprachigen Literatur) dabei sein werden? (Freue mich natürlich zusätzlich bzw. stattdessen auch sehr über ein Selfie mit dem dazugehörigen Gesichtsausdruck ;-))
Passt.
Was verbinden Sie mit den tddl?
Wort=Halten
Die tddl in Zeiten von Corona – wie haben Sie die letzten Wochen erlebt in Bezug auf Ihre Arbeit? Und: Sind Sie mehr zum Schreiben und Lesen gekommen?
Kein Unterschied. & Ein Gedicht ist, heißt’s, die Fassung, die man wiedererlangt. & Die Dörner-Experimente seit 50 Jahren: Computersimulationen: 1. Exp. fiktive kleine Stadt Lohhausen, 2. Exp. fiktives Entwicklungsland Tanaland, 3. Exp. reale Tschernobylkatastrophe. Die Versuchspersonen scheitern mit ihren Strategien und werden dadurch immer grausamer, die gewohnten Regelbrüche im Alltag führen zu Leid und Tod. Siehe gegenwärtig (ärger jetzt als bei Milgram-Exp. und Zimbardo-Exp.). Verdrittweltlichung der ersten Welt (z. B. ewiger, stets verleugneter Pflegenotstand), nicht durch die Flüchtlinge, sondern durch den Narzissmus der Eliten. Gegenmittel nach wie vor und mehr denn je: Paulo Freire, Erich Fromm, Günther Anders usf. An die Regierenden: Durch Testen ausselektieren und isolieren ist weder schützen noch behandeln, da fehlt noch was ... Nämlich was? Wissen Sie’s wirklich? Schonen, Helfen, Beistehen ...
Würden Sie ein Foto von ihrem Bücherregal machen?
Ist im Anhang.
Was war Ihre beste/Ihre ungewöhnlichste Lesung?
Liebe*r Fragesteller*in, Sie irren sich m. E. grammatikalisch: Gut ist nämlich der Superlativ. Auch Herr Kanzler Kurz irrt sich, wenn er so oft sagt, dass wir besser werden müssen. a) Er vielleicht. b) Andererseits: Durch die Kurzschen Methoden wird ja tatsächlich alles besser, aber nichts gut. (Man wird nicht meiner Ansicht sein.) Im Übrigen nehme ich an Veranstaltungen so gut teil, so gut ich eben kann.
Welches »Emoji« beschreibt Ihre derzeitige Stimmung?
Elefant im Regen und aber Unterschlupf bietend aufrichtigem Igel.
ORF/3sat-Interview für den Social-Media-Auftritt des Bachmannwettbewerbes 2020
Intervention 9. April 2020
Sehr geehrter Herr Bundeskanzler!
Mir ist bewusst, dass ich mich mit meinen Meinungen und Fragen sehr unbeliebt machen werde, zumal unsere Regierung zweifellos aus sehr guten Gründen sehr beliebt ist. Es ist aber meinerseits eine Sache des Gewissens. Die Regierungsverantwortlichen sagen ja ständig, es gehe jetzt einzig ums Leben retten, ums Existenzen retten, um nichts sonst. Und die jetzige Situation sei in der Geschichte ganz einfach noch nie da gewesen und daher seien Fehler ganz einfach unvermeidbar und man tue jetzt – immerfort dazu lernend – ja außerdem ganz gewiss das Menschenmögliche und Bestmögliche. Und offen und ehrlich sei man sowieso.
Es ist jedoch meines Erachtens völlig falsch, wenn dadurch politiker-seits so getan wird, als müsse man in den jetzigen Extremsituationen das Rad in einem fort neu erfinden und dabei mache man eben notgedrungen immer wieder etwas falsch. Das gehe gar nicht anders. Mit Verlaub: In Wahrheit ist das Rad längst erfunden. Jede Menge von im Moment noch tadellos intakten Rädern. Denn sehr viele Ausübende der helfenden Berufe arbeiten und leben tagtäglich – sozusagen seit jeher – gemeinsam mit den ihnen anvertrauten Menschen in extremen Extremsituationen und wissen sehr wohl, was in solchen Problem- und Extremsituationen zu tun ist. Und vor allem was man hingegen ganz gewiss n i c h t tun darf. Es gibt also für uns alle lebenswichtige Teilbereiche unserer Gesellschaft, die sozusagen immer schon im Guten wie in der Wahrnehmung des Schrecklichen unserer Zeit und Situation jetzt weit voraus waren. Im Richtig-Handeln. Im Nicht-Davonlaufen. Im Nicht-im Stich-Lassen. In der Fürsorglichkeit. In der Vorsorglichkeit. Es gibt daher z. B. bewährte, präventive, prophylaktische Helferstandards. Aber gerade diese bewährten Sorgfaltspflichten werden absurderweise von der angeblich Leben und Existenzen rettenden Politik gerade jetzt gebrochen und außer Kraft gesetzt. Nicht von Coronaviren, sondern von Politikerideen.
Sie werden mir gewiss widersprechen, sehr geehrter Herr Bundeskanzler. Dennoch: Das Rad ist längst erfunden. Die Politiker sollten es jetzt bloß nicht kaputtmachen. Tun die aber. Weil die selber nicht wirklich kapieren, wie das Rad funktioniert. Z. B. 1. Die richtige, wirklich schützende Handhabung der Masken kapieren die nicht. Z. B. 2. Das Grausamkeitsverbot bei der Pflege von Menschen kapieren die nicht. Z. B. 3. Was Fehlerkultur bedeutet, kapieren die nicht. Und z. B. 4. Schon gar nicht kapieren die, was an Lebenswichtigem die Wissenschaft bedeutet, die Redlichkeit der Wissenschaft nämlich, und was an Lebenswichtigem die offene Gesellschaft bedeutet oder an Lebenswichtigem gar die österreichische Verfassung. 5. Die kapieren nicht, dass die das Gegenteil von dem tun, was die sagen. Oder die wollen nicht kapieren, dass die das Gegenteil von dem tun, was sie sagen.
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