»Habt ihr denn schon einen Fall in Bearbeitung?«, erkundigte sich Sabine nach der kleinen Schmuserei und schenkte noch Rotwein ein.
Siebels berichtete von seinem neuen Fall und einer scheinbar ziemlich verkorksten Familie.
»Frauen können wirklich böse sein«, resümierte Sabine, nachdem sie über die kleinen Widersprüche im Leben der Eva Schlosser unterrichtet worden war. »Jedenfalls, wenn sie schwere Enttäuschungen erlebt haben.«
»Soll heißen, wenn Frau böse wird, ist immer Mann dran schuld?«
»Vielleicht nicht immer. Aber fast immer.«
»Dann bin ich aber sehr beruhigt, dass ich so eine liebe, herzenswarme Frau an meiner Seite haben darf. Das kann ja dann nur an mir liegen.«
Sabine lachte. »Umkehrschlüsse sind in diesem Fall nicht zulässig.«
Till und Anna hatten sich Pizza beim Lieferservice bestellt. Till konnte es sich nicht verkneifen, während des gemeinsamen Abendessens die neue Assistentin zu erwähnen.
»Ich kenne sie«, sagte Anna und kaute dabei auf ihrem Pizzastück herum. »Sie hat ein paar Tage bei uns in der Gerichtsmedizin verbracht, um die Abläufe bei der Mordkommission besser zu verstehen. Das ist aber schon zwei oder drei Monate her.«
»Und, was hältst du von ihr?«
»Sie ist taff. Ihr könnt froh sein, so jemanden im Team zu haben.«
»Sie hat sogar ein Willkommens-Liedchen für Siebels gesungen, weil der über seinen nicht stattgefundenen offiziellen Empfang ein bisschen enttäuscht war.«
»Ja, ich glaube, die passt ganz gut zu euch. Ich habe übrigens auch schon die ersten amtlichen Erkenntnisse zu eurem neuen Fall.«
»Kann ich erst meine Pizza fertigessen?« Till war ein wenig empfindlich, wenn Anna detailliert über ihre gerichtsmedizinische Arbeit berichtete. Jedenfalls wenn sie es mündlich tat, dabei Pizza aß und mit ihm in der Küche saß.
»Meinen Bericht schicke ich morgen an Jasmin. Müssen wir jetzt nicht machen«, beschwichtigte Anna ihn.
»Jetzt hast du mich aber neugierig gemacht.«
»Schädelbruch mit Hirnblutungen«, sagte Anna lapidar.
Till legte sein letztes schon angebissenes Pizzastück zur Seite, nahm einen großen Schluck aus der Bierflasche und versuchte, sich das Ganze nicht allzu bildlich vorzustellen. »Aber er war nicht gleich tot?«
»Nein, er hat noch mindestens ein bis zwei Stunden gelebt, war aber bewegungsunfähig.«
»Da muss man ziemlich kräftig zuschlagen«, sinnierte er.
Anna nickte. »Mit voller Wucht, ja.«
»Das spricht eher für einen Mann als Täter.«
»Nicht unbedingt. Wenn jemand so zuschlägt, braucht es dazu nicht nur Kraft, sondern vor allem eine gehörige Portion Wut. Die Tatwaffe spielt natürlich auch eine Rolle. Die Skulptur, die der Täter benutzt hat, ist aus Eisen, scharfkantig und massiv. Damit könnte auch eine Frau einen Schädel zum Brechen bringen.«
Till nahm seinen letzten Bissen Pizza und fragte sich, ob Eva Schlosser zu so einem Schlag imstande gewesen wäre. Er konnte es sich nicht wirklich vorstellen.
»Gibt es irgendwelche Anzeichen, dass er sich noch gegen den Schlag gewehrt hat?«
»Nein. Er wurde von hinten angegriffen. Wahrscheinlich hat er das gar nicht registriert, bevor er getroffen wurde.«
»Also hat er auch nicht damit gerechnet. Klingt nicht unbedingt nach einem Streit.«
»Behältst du mich denn immer genau im Auge, wenn wir uns mal streiten?« Anna machten solche Gespräche mit Till Spaß. Besonders, wenn er falsche Schlüsse zog und sie ihn wieder auf die richtige Fährte brachte.
»Sollte ich das besser tun?« Till zog die Augenbrauen hoch und hatte schon wieder ein böses Bild im Kopf. Anna stand wutentbrannt hinter ihm und zog ihm mit dem Schürhaken eins über den Schädel.
»Unterschätze niemals eine wütende Frau«, sagte Anna lächelnd.
Tag 2, Dienstag
»Hey, Siebels, warte mal.«
Siebels blieb an der Türschwelle zum Büro von Jasmin stehen und schaute rein. »Guten Morgen, Jasmin. Was gibt es denn?«
»Weißt du, wann Till kommt?«
Siebels guckte auf die Uhr. Es war kurz nach halb neun. »Der wird bald auftauchen, warum?«
»Magst du noch einen Kaffee mit mir trinken, bis er kommt? Ich habe schon welchen gekocht.«
Schmunzelnd musste Siebels an sein gestriges Gespräch mit Sabine über seine neue Assistentin denken. Wollte sie ihn jetzt tatsächlich anbaggern? »Klar, ich komme gleich. Ich lege nur noch die Jacke im Büro ab.«
Jasmin war mit einem schnellen Schritt bei ihm und half ihm aus der Jacke. »Die kannst du auch hier so lange ablegen. Ich habe sogar einen Garderobehaken. Milch und Zucker, richtig?«
»Ja, richtig.« Siebels kam das nun doch etwas merkwürdig vor und er hoffte inständig, dass Till bald erscheinen würde.
»Wie läuft es denn mit eurem Fall?« Jasmin reichte Siebels die Kaffeetasse.
Vielleicht war sie ja einfach nur karrieregeil, überlegte Siebels. »Da stehen wir noch ganz am Anfang. Wäre gut, wenn wir bald den Bericht von der Spurensicherung bekommen würden.«
»Ich kümmere mich drum, dass das erledigt wird. Kann ich sonst noch was für dich tun?«
»Hast du gestern nicht gesagt, dass wir unseren Kaffee ab heute selbst kochen müssen?«
»Stimmt. Aber ich habe mich anders entschieden. Das gilt jetzt erst ab morgen. Das ist doch kein Problem für dich, oder? Ist er gut?«
»Wer ist gut?«
»Na der Kaffee. Oder ist zu viel Zucker drin? Ich mag ihn ja nicht so süß. Aber ich dachte, du bist mehr so der süße Typ, deswegen habe ich gleich zwei Stück Zucker rein.« Jasmin lächelte Siebels zuckersüß an und Siebels hielt nach Till Ausschau. Aber von dem war noch nichts zu sehen.
»Mmh, der ist gut. Perfekt. Danke.«
»Das freut mich, wenn er dir schmeckt. Setz dich doch einen Moment zu mir. Wir konnten uns gestern ja gar nicht richtig beschnuppern. Das war ja gleich so hektisch.«
In Siebels Erinnerung war diese Hektik ausschließlich von Jasmin ausgegangen, aber das behielt er jetzt für sich. »Bist du verheiratet?«, fragte er frei heraus und schnupperte sich zügig voran.
Jasmin hielt ihm ihre Hände vor die Nase. »Kein Ring. Nicht verheiratet. Ich bin Single. Und du? Du hast deine Frau doch hier bei der Arbeit kennen gelernt, habe ich gehört. Stimmt das?«
»Ja, das stimmt. Das war beim ersten Fall, den ich zusammen mit Till bearbeitet habe. Sie hat uns damals mit Hintergrundinformationen aus dem Sex-Gewerbe versorgt.«
»Jetzt rede dich aber mal nicht gleich um Kopf und Kragen«, lachte Jasmin mit erhobenem Zeigefinger.
Siebels’ Gesicht nahm schon eine rötliche Farbe an, als Till endlich auf der Bildfläche erschien. »Da bist du ja endlich«, stammelte er.
»Guten Morgen, oh gibt es schon wieder frischen Kaffee?«
»Nix da«, wimmelte Jasmin ihn ab. »Geht jetzt mal in euer Büro, ich habe zu tun.«
Siebels schüttelte nur den Kopf, schnappte sich seine Jacke und machte sich mit der Kaffeetasse in der anderen Hand auf den Weg nach nebenan. Till folgte ihm. Kaum hatte Siebels die Tür geöffnet, wurden er und Till mit einem warmen Applaus in Empfang genommen. Eine ganze Reihe der alten, ihnen noch gut bekannten Kollegen, hatte sich dort versammelt. In vorderster Front stand Charly, der auch gleich zu einer Rede ansetzte.
»Wir heißen die besten Kommissare und liebenswertesten Kollegen der letzten hundert Jahre herzlich willkommen, zurück im Dienst bei der Frankfurter Mordkommission. Ein Hoch auf Siebels und Till.«
Siebels stand mit offenem Mund vor seinen Kollegen, die wieder applaudierten. Till stellte sich neben Siebels und legte seinen Arm um dessen Schultern. »Sie haben uns ja doch nicht vergessen«, freute er sich.
Hinter ihnen kam Jasmin mit einem großen Strauß Blumen herein. »So, Jungs, den stelle ich mal auf den Tisch, dann sieht das nicht mehr ganz so trostlos bei euch aus.«
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