1 ...8 9 10 12 13 14 ...18 Mädchen: »Hallo!«
Sie sahen sich danach lächelnd an und stießen sich gegenseitig in die Seiten.
Martin lächelte und grüßte zurück.
Martin: »Hallo!«
Ein Stückchen weiter wiederholte sich die Szene mit einer Frau, die ihren Hund ausführte.
Dann wurde er angehupt von einer VW-Fahrerin. Hätte er es doch nur geahnt! Hier wurde Martin stutzig. In Mecklenburg-Vorpommern sind einer Studie zu Folge die unhöflichsten Menschen Deutschlands. Man grüßte nicht einfach so auf der Straße. Hatte er einen Hemdschniepel oder einen Workaholic Urinfleck? Er lief zu einem Schaufenster und kontrollierte sein Spiegelbild. Als er sich in die Augen sah, machte es laufend Bang Bing. Er verguckte sich in sich selbst! Er spazierte ein Stück weiter und fragte sich, was wohl gerade passierte? Martin musste stehen bleiben. Eine Ampel zeigte rotes Licht, das ihn hypnotisierte. Um das Licht zu ändern, musste man einen Knopf drücken, ein Signal für Blinde wäre ertönt und dann könnte man theoretisch, bei grünem Licht, über die Straße gehen. Eine Schaltung verhinderte sogar, dass gleichzeitig verschiedene, widersprüchliche Signale gesendet wurden. Der Schlüssel war der Knopf für Fußgänger. Wieso erschien kein neues Licht? Martin hatte vergessen den Knopf zu drücken!
Martin: »Seneca, wie bringt man das rote Licht dazu grün zu werden?«
Seneca: »Man bewegt sich schnell davon weg!«
Martin dachte an den Energiekrieg und sah bei Senecas Anweisung wieder denselben Bug. Charles müsste sich mit Schaltungen auskennen, oder? Von Autofahrern hörte man Aussprüche wie ‚in jeder Farbe steckt ein bisschen grün‘. Seneca gab Martin anscheinend den Tipp, nun ja bei Rot über die Straße zu rennen und Charles könnte schlimmstenfalls noch den Hinweis bekommen, die Ampel zu erschießen. Martin holte sein Telefon aus der Tasche, Charles war noch irgendwie in Amsterdam. Martin hatte ein neues Problem, das Telefon bestand auch aus Knöpfen, die Martin nicht bedienen konnte. Die Ampel hatte einen Knopf und das Telefon hatte 20, die in der richtigen Reinfolge gedrückt werden mussten. Martin war im Kampf mit etwas, das Denkzerfahrenheit genannt wurde. Das Gehirn war zu solchen Leistungen nicht mehr fähig. Denis, der Lieferjunge von Herbert und anderen Pensionsbesitzern, kam von hinten, im Auto, an Martin, herangefahren. Auch ihn erwischte der Blick, was dank Freundin kein Grund war sich für schwul zu halten, aber danach zu fragen, wie es mit Martin stand.
Denis: »Bluetooth?«
Martin: »Endlose Zahlenreihen, ich kann mein Telefon nicht bedienen!«
Denis dachte eigentlich an eine Freundin von Martin. Das neue Geld, das macht doch attraktiv, vor allem für Binzer Kellnerinnen, denn dass Martin nicht oder kaum geschlafen hatte, sah man ihm an. Jetzt dachte er an Herbert.
Denis: »Diabetiker? Haben Sie schon mal einen Test gemacht?«
Martin: »Nein, wieso?«
Denis: »Das klingt wie unterzuckert!«
Martin: »Schokoriegel?«
Denis: »Wenn das noch nie gemessen wurde, besser Strahlsund Krankenhaus. Sie sehen gar nicht gut aus!«
Mathew war auf dem Weg zu Jeff um zu beraten, wie er entweder den Wagen nach Deutschland bekommt, oder bei Martins übermächtigen Spesenkonto und der dummen Angewohnheit, den Kontinent im Stundentakt zu wechseln, wohl eher überall Mietwagen zu bekommen, die den Sicherheitsstandard erfüllten. Und Martin fuhr zum sechsten Mal in seinem Leben Taxi.
Martin: »Kennen Sie Haki?«
Taxifahrer: »Kennen Sie die Stones?«
Martins Gesicht war auch auf Rügen bekannt geworden und auch der Kontostand dahinter. Ein gutes Ticket für die Rolling Stones war nur schwer unter 500 Euro zu ergattern. Der Taxifahrer nutzte aber nur zum Schein Zahlen, die Martin wieder nicht gesehen hatte. Senecas Geschäftskonto war ihm völlig fremd, obwohl es seines war und Ulla Martins Anwältin, Jeff, Mathew, und selbst Personen, die von Seneca eher als Feinde eingestuft wurden, wie Charles, bedienten sich kräftig davon. Es war untergegangen und der Satz »Sie sind reich« war ohne richtige Geldkarte nicht greifbar und gehörte ins Reich der Phantasie. Er hatte doch die Null mit eigenen Augen gesehen. Martin kam dank des Symptoms der Denkzerfahrenheit, wie diese Unfähigkeit hieß, die Menschen dazu brachte sich vor der eigenen Haustür zu verirren oder beim Raten der Anzahl der eigenen Finger daneben zu liegen, ins Klinikum West, welches damals zu Damp gehörte, auf die offene psychiatrische Station. Der standardisierte Ankunftstermin für Patienten, die sich einfach nur überarbeitet fühlen, ist übrigens, bei fast allen Krankenhäusern, um 11 Uhr vor dem Mittagessen. Martin kam nach dem Abendessen. Nach dem er angegeben hatte, wieso er kam, sprich Seneca und Horst, verlegte man ihn auf den Flur der geschlossenen Station. Wäre er um 11 Uhr gekommen, hätte er ein Zimmer bekommen. Zuckertest um 9 Uhr abends, eine hilflose Ochsendosis vom Barbiturat Valium und um 23 Uhr, also 12 Stunden nach dem Zeitpunkt nach dem ihm der volle Service offeriert werden müsste, bekam er das, was sein Körper und vor allem sein Geist, zumindest nach den Richtlinien unserer westlichen Gesellschaft, brauchte. Tavor, ein Tranquilizer, eine Droge. Merken Sie sich den Namen, das Zeug ist nicht nur legal, es verwandelte einen auch in den perfekten Menschen. Humor, Einfallsreichtum, gesunder Appetit, nicht nachtragend, einfach perfekt. Ok, ok, es gibt Nebenwirkungen wie Verstopfung, Entzugserscheinungen, unkontrollierter Speichelfluss, Kurzsichtigkeit und der Tatsache, dass man mit Schlagertexten mitfühlte. Ja, für mich ist das auch unheimlich. Ach, der Grund, weshalb Sie sich den Namen merken sollten, es unterbricht lange Grübeleien. Ich hatte selbst mal die Ehre, dieses Medikament zu konsumieren, und es unterbrach damals hervorragend höheres Denken, wie Quantenmechanik, methodische Schauspielerei oder sogar Kombinatorik. Ich bekam es und war 6 Monate lang regelrecht arbeitsunfähig und beliebt. Das Zeug jagt mir immer noch ein Schauder über den Rücken. Es hat die Fähigkeit, lange Gedanken einfach zu beseitigen. Dieser Assassine im Trinkwasser und wir haben in Tagen den Polizeistaat. Medizinisch aber richtig! Martins Hirn hatte sich im Leerlauf aufgehangen. Er war zwischen wach und schlafend stecken geblieben. Schlafwandeln? Nun fast, es gab noch die andere Möglichkeit, die Psychose. Während man beim Schlafwandeln das tat, was man im Traum erlebte, träumte man bei der Psychose, was man im Leben tat. Versuchen Sie sich mal im Traum zu orientieren. Die Psychose brachte sehr kurze Gedanken mit sich. Das, was man dachte, wurde sofort umgesetzt, aber fliegende Menschen gab es nicht, auch nicht unter Psychose. So waren Brücken Orte, an denen man besser völlig wach war, auch Martin. Er war eher in Gefahr als ein Lebensmüder, der noch denken konnte und da Martin schon schlief, konnte selbst das Valium nicht wirken. Eines der bemerkenswertesten Dinge, die einem Schlaflosen auffielen, war zudem noch, wie der Körper langsam versagte. Herzflattern, oder auch das seltsame Gefühl, Kristalle zu schwitzen, war gegen klassische Kopfschmerzen noch angenehm. Ich kenne die Probleme ziemlich gut, nach 3 Tagen riecht und schmeckt die Haut nach Blut und dass wir Autoren manchmal von Blut schwitzen reden, kam nicht von ungefähr. Martin schlief im Flur und um 7 Uhr 30 begann der unglaublich kurze Tag mit Tavor.
Schwester: »Guten Tag, Herr Bretz, die Liste für die wählbaren Mittagessen nächste Woche.«
Es war Routine, die sich beim Lösen dieser Aufgabe einschlich.
Martin: »Ok, Fisch, ok, Kantinen Fisch, ok, Fisch aus dem Gemüsedämpfer. Da kann 10 Mal stehen Dorsch, es ist geschmackloser Pamps. Vegetarisch, oh Grießbrei!«
Schon stand fest, wo Martin sein Kreuz machen würde.
Das war alles, was Martin dort tun musste, und der ehemalige Hartz-IV-Empfänger machte das sogar sehr gut. Berufserfahrung, die einem Reichen fehlte, der wohl Calamaris oder gleich Pommes angekreuzt hätte und dabei vergaß, dass in Kantinen nicht gebraten und nur selten ordentlich frittiert wurde. Martin war wieder da und das Problem mit Dr. Molke schwebte noch im Raum.
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