Seine Mutter brachte eine Schale mit Essen herein und reichte sie ihm höflich. Freudig schnupperte er daran, denn der Herbst war eine Zeit des Überangebots. Es roch nach Fleisch und Zwiebeln und er nahm einen Löffel aus einer Muschel, um die köstliche
Mahlzeit zu probieren. Das Fleisch war weichgekocht und hatte den Geschmack des Kürbisses und der Zwiebeln angenommen. Machwao dachte an die Aufforderung, seine Freunde auf der Reise zu begleiten. Vielleicht sollte er doch lieber hier bleiben, denn er wusste aus Erfahrung, dass die Kochkünste seiner Freunde zu wünschen übrig ließen. Es würde Fleisch geben und dann Fisch und dann wieder Fleisch.
Er bereitete seine Mutter ein wenig schonungslos auf seine Reisepläne vor. Unvermittelt stellte er die leere Schale auf die Seite und richtete das Wort an sie. „Ich werde mit meinen Freunden nach Süden ziehen und die grünen Steine holen.“
Die Augen seiner Mutter wurden rund. „Wann wirst du gehen, mein Sohn?“
„Bald!“ Er verzichtete auf weitere Erklärungen. Immerhin hatte er ihr gesagt, dass er nur die wertvollen Steine holen ging und nicht beabsichtigte, auf einen Kriegszug zu gehen. Das musste reichen, um sie zu beruhigen.
Sie schien tatsächlich beruhigt zu ein, abgesehen davon, dass sie ihn auch kaum hindern würde, wenn er etwas anderes vorhatte.
„Wir wollen im Frühjahr nach Süden ziehen, um zu handeln.“
„Ah!“ Auch seine Mutter erkannte, dass die grünen Steine eine Handelsware waren, mit denen er im Süden Tauschgeschäfte machen wollte.
Vor langer Zeit hatte ihr Ahnherr, der große weiße Bär mit dem Kupferschwanz, ihnen diese Steine als Geschenk gegeben. Nur wenige Männer wussten, wie man die Steine bearbeitete, um scharfe Klingen oder Schmuck daraus herzustellen. Mancher Krieger trug die grünen Steine als Talisman um den Hals, während die Frauen die scharfen Klingen als wertvolles Werkzeug erachteten. Auch im Süden waren diese Dinge willkommen und so würde ihr Sohn kaum in Gefahr geraten. Händler waren willkommene Gäste.
„Bringst du mir dann Schmuck aus diesen Perlen?“, wagte sie zu fragen.
Er lächelte sanft. „Aber gerne! Wenn er dir gefällt?“
„Ja, er gefällt mir. Vielleicht auch für deine Schwester? Sie hat bald ihre ersten Riten und ich möchte sie schmücken, wenn der erste Mann um sie wirbt.“ Sie tauschte einen verschmitzten Blick mit Kämenaw Nuki, die verlegen die Augen senkte.
Machwao lächelte freundlich und kniff dann die Augen zusammen. Ja, bald wäre seine Schwester kein Kind mehr, und dann musste er seinen Onkel darum bitten, dass sie gut verheiratet wurde. Er wollte einen guten Mann für sie. Einen guten Jäger, der sie ernähren konnte, aber auch einen Mann, der sich selbst beherrschen konnte. Auf jeden Fall nicht Wakoh, der Fuchs, obwohl er von einem anderen Clan war und somit als potentieller Ehemann in Frage kam. Er gehörte zum Clan der Donnervögel und damit zu den ersten Gefährten, die der große weiße Bär zu sich gerufen hatte, um mit ihm in Menschengestalt über die Erde zu wandeln. Der Bär und der Adler waren die ältesten Clans der Menominee. Aber Wakoh wäre vielleicht kein guter Ehemann. Nein, seine Schwester verdiente einen Mann, der Rücksicht nahm und sich beherrschen konnte. Machwao dachte kurz an seine Freunde und schüttelte dann unmerklich den Kopf. Im Frühjahr oder wenn er von seinen Reisen zurückkam, würde er in den anderen Dörfern nach einem geeigneten Ehemann Ausschau halten und seiner Familie vorschlagen. Bis dahin blieb noch Zeit.
* * *
Die nächsten Tage verbrachte die Familie damit, den Wildreis in den Tontöpfen zu rösten. Sie hatten durch Klopfen und Treten die Schalen entfernt und dann immer kleine Mengen des Wildreises über einem niedrigen Feuer geröstet. Es war viel Arbeit, aber durchaus lohnenswert, denn der Wildreis würde sie über den Winter bringen. Anschließend verstauten sie ihn in geflochtenen Körben und stapelten diese in den Vorratsgruben. Machwao inspizierte indessen das neue Kanu, das er gerade baute. Er hatte mit Hilfe eines Keils Planken aus einem Baumstamm getrieben, sie in Wasser eingeweicht und anschließend mit Hilfe eines Rahmens in eine halbrunde Form gebogen. Das Gerüst aus zwei langen Stangen aus Eschenholz lag zwischen dem Haltegestell eingeklemmt, das dem Kanu bereits die spätere Form vorgab. Erst dann wurden die Kanten des Kanus um einen Holzrahmen mit fünf Querleisten gebogen und ebenfalls an den Rahmen gebunden. Besonders schwierig war es dabei, den etwas höheren Stern und Bug des Bootes zu biegen. Aber er war notwendig, damit beim Paddeln kein Wasser von vorne ins Boot schwappte. Der Sommer war kurz und Machwao arbeitete schon seit Beginn des Sommers an diesem Kanu.
Im frühen Sommer hatte er lange Streifen an Birkenrinde gewonnen und mit der Innenseite nach außen auf den Boden gelegt und mit Steinen beschwert. Seine Mutter hatte die Rinde mit kochendem Wasser begossen, um sie gut durchzuweichen und in Form zu bringen. Er hatte bereits die seitlichen Birkenstreifen hochgezogen und die Pfosten angebracht, die das Kanu in seine Form brachten.
Seine Mutter und Schwester vernähten die aufeinanderliegenden Rindenteile mit den langen Strängen der Fichtenwurzel. Machwao hatte die langen Wurzelstränge der Schwarzfichten in der Nähe des Ufers im sandigen Boden ausgegraben. Er hatte eine eigene Methode erfunden, wie er die Wurzel von der Rinde befreite. Anstatt seine Zähne zu benutzen, hatte er sie durch ein gespaltenes Brett gezogen. Das war viel einfacher gewesen. Dann hatte er die langen Stränge im Wasser einweichen lassen und gespalten, damit sie geschmeidiger wurden und sich wie Sehnen nähen ließen. Die Frauen bohrten mit einem spitzen Stock kleine Löcher in die Rinde und führten dann die Wurzelfäden hindurch. Bald wäre es so weit, dass seine Mutter die Nähte mit Schwarztannenharz verstreichen konnte.
Seine Familie hatte bereits ein Kanu, aber es war nie schlecht, ein zweites zu besitzen. Immer wieder musste es geflickt werden und dann konnte er auf das andere Boot ausweichen. Er brauchte das Kanu auch, um auf traditionelle Weise den Fisch zu fangen. Ein Kanu vereinfachte das Leben. Er hatte in diesem Sommer Zeit gehabt und deshalb mit dem Bau angefangen. Auch hierzu hatte er erst den Rat des Medizinmannes eingeholt und Gebete zum Schöpfer geschickt.
Wenn er seine Freunde auf der Reise begleiten wollte, dann musste er sich beeilen. Wenn es erst kalt wurde, dann würde es schwierig werden, den Bau des Kanus zu beenden. Das Holz und die Rinde würden sich schlechter biegen lassen. Er wollte nicht bis zum nächsten Jahr warten, um die Arbeit fertigzustellen. Seufzend sah er auf seine schmerzenden Hände, denn die Arbeit war schwer. Das Material war sperrig und nur durch Ziehen und Zerren in die richtige Lage zu bringen. Aber ein Krieger beendete, was er anfing. So nutzte er die verbliebenen Tage, um die Planken aus Zedernholz in das Gestell einzuarbeiten, während seine Mutter bereits die Nähte mit Harz versiegelte. Sie hatte hierzu die Harzklumpen gesammelt und in einem Gefäß aus Birke mit Kochsteinen erhitzt. Die Harzmasse hatte sich nach oben abgesetzt und war mit einem Löffel abgeschöpft worden. Anschließend war die Masse mit kaltem Wasser abgekühlt worden, sodass sich eine gummiartige Substanz gebildet hatte, die man auswringen konnte. Um streichfähiges Harz herzustellen, musste diese Masse wieder in einem Birkentopf erhitzt werden. Vermengt mit Asche und vor allen Dingen Fett entstand dann das Harz, mit dem die Nähte des Kanus versiegelt wurden. Das Harz stank beim Verarbeiten und die Mutter passte auf, dass kein Tropfen auf ihr Kleid fiel. Aber ihre Hände waren bereits klebrig und sie wusste, dass es einige Tage dauern würde, bis sie den Geruch wieder abbekam. Sie klagte nicht, denn ein Kanu war für jede Familie wichtig, und so wussten fast alle Menschen, wie man es herstellte. Die Arbeit musste getan werden, also jammerte auch niemand darüber. Mit ein wenig Glück und Wissen hielt so ein Kanu drei bis vier Winter.
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