Kerstin Groeper
Donnergrollen im Landder grünen Wasser
Für Rain, Blaize, Quintin, Cedar und Wade Jr.
und das Volk der Menominee, auf dass sie nicht vergessen
werden!
Donnergrollen im Land
der grünen Wasser
Historischer Roman
von
Kerstin Groeper
Impressum
Donnergrollen im Land der grünen Wasser, Kerstin Groeper TraumFänger Verlag, Hohenthann 2018
eBook ISBN 978-3-941485-65-5
Lektorat: Michael Krämer
Satz und Layout: Janis Sonnberger, merkMal Verlag
Datenkonvertierung: Readbox, Dortmund
Titelbild: Andrew Knez jr
Copyright by TraumFänger Verlag GmbH & Co. Buchhandels Kg,
Hohenthann
Produced in Germany
Inhalt
Maisblüte
Die Menominee
Maisernte
Machwao
Maiswinter
Hechtfluss
Der Kampf um Mabila
Juan de Anasco
Gefangenschaft
Steinemacher
Gewalt
Nach Norden
Hirschjagd
Über den Fluss
Tennessee Fluss
Awässeh-neskas
Winterlager
Verraten und verkauft
Ho-Chunk
Angriff
Rache
Witcawa
Ruhepause
Nomähpen kesoq – Die Rückkehr der Störe
Die Barrikade
Alibamo
Sopomahtek – Ahornsaft
Ohio-Fluss
Die große Reise
Casqui
Begegnungen
Pacaha
Folter
Terre de Haute
Neue Freunde
Chicago
Sekakok
Michigan-See
Quiguate
Shawano-Nuki
Beute
Die Portage
Illiniwek
Die Kaskaskia
Das Medizin-Spiel
Der große Fluss
Kaskaskia
Coligua
Wahkayoh
Vernichtung
Wasserlilie und Witcawa
Wanähsen Nuki
Heimreise
Chatah-Winter
Portage am Großen See
Regen
Heimkehr am Manomäh-Sipiah
Winteranfang am Menominee-Fluss
Wohin der Ahnherr sie führt
Das Versprechen
Der große weiße Bär
Winter bei den Menominee
Die Mounds der Ahnen
Awässeh Pameh
Nachwort und historischer Hintergrund
Die Schildkröteninsel/Florida/alias USA
Maisblüte
(Mabila im Süden der Schildkröteninsel)
Es war bereits das Ende des Sommers, der Frauenmond nahte und die Menschen freuten sich auf die Ernte des Maises und die Zeit des Überflusses. Maisblüte hielt die Spindel in kreisender Bewegung, während ihre Finger die Baumwollflocken zu langen Fäden zupften. Hin und wieder rollte sie den Faden auf die Spule. Sie summte vor sich hin und freute sich auf die kommenden Tage. Sie war als Jungfrau auserwählt worden, die Zeremonien vor der Maisernte zu begleiten. Der Mais stand hoch in den Feldern und die Kolben hatten bereits gelbe Blätter. Einige Wochen zuvor hatte sie das Fest des grünen Korns begleitet, um für eine gute Ernte zu beten. Doch jetzt würde die Ernte eingebracht werden und alle freuten sich auf die Erneuerung der Feuer und den Beginn des neuen Lebens.
Neben Maisblüte saß die Mutter an einem einfachen Holzrahmen und webte bereits an einem hellen Tuch. Ihre Hände waren alt und runzelig, trotzdem wand sie den Faden geschickt auf und ab und klopfte ihn mit einem Kamm aus Holz fest, sodass die Fäden eng beieinander lagen. So entstand ein langes Tuch, aus dem man Kleidung herstellen konnte. Sie lächelte, als sie ihre Tochter summen hörte. „Bist du schon aufgeregt?“
Maisblüte nickte. „Ja, es ist eine hohe Ehre, dem Heiligen Mann und Hashtali, dem Sonnenvater, zu dienen! Hoffentlich mache ich nichts falsch.“
Die Mutter nickte ernst. „Die Zeremonien sind wichtig! Wir werden eine gute Ernte haben und müssen beten, dass das Saatgut über den Winter nicht fault. Die Zeiten sind gut und dafür müssen wir danken. Auch die Männer haben viel Fleisch erlegt, sodass wir in der Zeit, in der das Gras stirbt, nicht hungern müssen.“ Ihre Stimme klang zufrieden.
Die beiden schwiegen, als sie sich wieder ihren Arbeiten widmeten. Es war bereits spät im Jahr und doch wehte eine laue Brise in die Chukka. Sie stand erhöht auf einem künstlich errichteten kleinen Hügel, sodass bei Regen oder Hochwasser das Innere der Behausung trocken blieb. Die Wände und das Dach waren aus einem Gestell aus Ästen erbaut worden, die mit Schilfmatten bedeckt wurden. Das Dach war so stabil, dass Männer darauf stehen konnten. Nur wenige Häuser waren erhöht, die anderen waren ebenerdig. Es zeugte von dem hohen Stand ihrer Familie, denn nur einige Chukkas hatten dieses Privileg. Ihr Dorf bestand aus gut zweihundert Hütten, die von einem stabilen Palisadenzaun umgeben waren.
Ihr Volk waren die Chatah oder auch Hacha hatak, das Volk vom Fluss, und ihr Minko war ein gefürchteter Krieger namens „Tuscalusa“, der schwarze Krieger. Zugleich war er auch der oberste Priester, der all das Wissen der Ahnen in seiner Person vereint hatte und so mit ihnen in Verbindung stand. Er war es, der die Gebete zum Sonnenvater schickte und für das Wohl des Volkes betete. Ihm zur Seite standen mehrere Hopaii, Heilige Männer, die die Zeremonien leiteten und den Minko unterstützten. Tuscalusa war ein mächtiger Mann, und damit war auch sein Volk stark und mächtig, sodass die letzten Winter eine Zeit des Friedens gewesen waren. Kaum ein Feind wagte es, die befestigten Dörfer anzugreifen. Tuscalusa griff mit harter Hand durch und ließ sich diesen Schutz von den anderen Dörfern mit Tributen bezahlen. Fremde, die in friedlicher Absicht kamen, wurden mit großer Gastfreundschaft bewirtet, doch Feinde wurden zur Abschreckung grausam gefoltert und die Überlebenden versklavt. Tuscalusa zählte auf Stärke und Abschreckung und nicht so sehr auf Verhandlungen.
Maisblüte genoss diesen Schutz. Als Mädchen konnte sie ungefährdet zum Badeplatz am Fluss gehen, im Wald Holz und Beeren sammeln oder auf den Feldern mit den anderen Frauen arbeiten. Sie erntete den weichen Flachs, der sich unter der Rinde des Maulbeerbaumes verbarg, und sammelte die Wolle der Baumwollpflanze, um daraus die Kleidung herzustellen. Sie konnte aber auch das Fell gerben und das Fleisch von der Jagdbeute verarbeiten, die der Vater brachte. Ihr Vater hieß „Große-Schlange“, und er gehörte zu den bevorzugten Kriegern des Häuptlings. Noch war er kräftig genug, um die Lanze oder den Bogen zu führen. Maisblüte hatte einen älteren Bruder, der bereits im Haus der unverheirateten Männer lebte.
Außerdem kümmerte sie sich um den kleineren Bruder, der erst sechs Winter zählte. Er hieß „Nanih Waiya“, Lehnender Hügel, in Erinnerung an die Herkunft ihres Volkes. Die Legende erzählte, dass ihr Volk einst weit im Westen gelebt hätte. Ein Hopaii, ein Heiliger Mann, führte sie über schneebedeckte Berge immer weiter nach Osten. Jeden Abend stellte er einen rotbemalten Stock in die Erde, der sich am Morgen stets nach Osten neigte. Erst, wenn der Stock aufrecht stehenbleiben würde, hätten sie ihre neue Heimat erreicht. So hatten sie diese Ebene mit ihren fruchtbaren Böden und fischreichen Flüssen gefunden. Damals hatte der Stamm zwei Brüder als Anführer gehabt. Der eine hieß Chatah, und die Legende besagte, dass auch dies auf ihren Stammesnamen zurückführte. Der andere hieß Chicksaw, der seine Leute nach Norden führte, um dort zu siedeln. Chatah hatte an der Stelle, an der der rotbemalte Stock aufrecht stand, einen Hügel aus Sand aufschütten lassen. Dort hatten die Menschen ihre Ahnen bestattet, deren Knochen sie auf der langen Reise mitgeschleppt hatten. Sie waren in Zedernholzrinde gewickelt und ehrenvoll zur letzten Ruhe gebettet worden. Frauen hatten in mühsamer Arbeit den Sand in Körben vom Flussufer herbeigeschleppt, und die Männer hatten Zedern gefällt und daraus einen hohen Hügel errichtet. Anschließend war der Hügel mit schwarzer Erde bedeckt und mit Baumschösslingen bepflanzt worden, damit Regen und Schnee das künstliche Bauwerk nicht abtrugen.
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