1 ...7 8 9 11 12 13 ...38 Männer und Frauen brachten Körbe, in denen sich viele Vorräte befanden. Es stellte nur einen kleinen Teil ihrer Nahrungsvorräte dar, aber anscheinend waren die Fremden zufrieden damit. Sie luden den Häuptling und sein Gefolge zu einer Demonstration ihrer Fähigkeiten ein. Sie nannten es „Pferderennen“. Maisblüte erfuhr, dass es sich bei den Vierbeinern um „Pferde“ handelte und die Männer darauf nicht mit ihnen verschmolzen waren, sondern auf- und absteigen konnten. Sie benutzten dazu ein Ding, das sie „Sattel“ nannten. Es war aus Leder gefertigt und bot Riemen, die es den Männern gestatteten, auf das Tier zu klettern. Tuscalusa weigerte sich, seinen Hügel zu verlassen, stattdessen ließ er den Hauptweg räumen, damit die Fremden ihr Können zeigten. Die Menschen kletterten einfach auf die Dächer der Häuser, um besser sehen zu können, oder verteilten sich an der Wegstrecke.
Maisblüte blieb mit den anderen Mädchen neben dem Häuptling stehen und hatte so eine gute Sicht. Nebel-am-Morgen und Vogel-im-Bach standen neben ihr. Sie kicherten vor Aufregung und freuten sich auf das Spektakel. Noch hatten sie die Gefahr nicht verstanden, in der sie alle schwebten. Sie hatten das Gespräch zwischen Tuscalusa und Große-Schlange nicht gehört und Maisblüte hatte ihnen ebenfalls nichts erzählt. Sie fühlten sich sicher in der Gegenwart des Häuptlings. „Sieh nur, wie ihre Kleidung glänzt!“, lächelte Vogel-im-Bach.
„Ich möchte wissen, was in dieser Kiste ist“, überlegte Nebelam-Morgen. „Der Minko schien nicht so beeindruckt gewesen zu sein.“
Maisblüte kicherte. „Er zeigt nie, wenn er beeindruckt ist. Sonst wäre er ja kein so großer Minko.“
Die Mädchen lachten. „Das stimmt. Wenn es leicht wäre, ihn zu beeindrucken, dann wäre es schwierig, so respekteinflößend zu sein. Seht nur, wie er diese Fremden behandelt! Als hätte er so etwas schon oft gemacht!“
* * *
Dann wurden alle still, als zehn Reiter plötzlich eine Attacke gegen den Hügel des Häuptlings ritten und erst im letzten Moment die Tiere durchparierten. Staub wirbelte auf und außer dem Schnauben der Pferde war nichts zu hören. Den Mädchen war vor Entsetzen das Gesicht gefroren, nur langsam wagten sie wieder auszuatmen, während der Häuptling ganz ruhig dastand und gnädig mit dem Kopf nickte. Maisblüte bewunderte ihn. Wie konnte er sich so schnell von diesem Schrecken aus der Geisterwelt erholen? Die riesigen Wesen, die aus einem vierbeinigen Wesen und einem Menschen zusammengewachsen schienen, waren beängstigend. Obwohl ihr von diesem Fremden, der ihre Sprache sprach, erklärt worden war, dass es sich um gezähmte Tiere handelte, auf denen diese fremden Männer saßen, schauderte sie vor Entsetzen. Sowohl die großen Tiere als auch die Männer erschienen ihr gefährlich, außerdem stanken sie. Selbst auf die Entfernung konnte sie den Schweiß und die Ausdünstungen der Männer riechen. Es roch wie bei einem Stachelschwein, das sich gegen den Jäger wehrte. Es dauerte eine Weile, ehe es ihr gelang die Augen von dem Spektakel abzuwenden. Doch der Gestank erinnerte sie daran, dass auch sie sich baden musste. Nach der langen Reise war ihr Haar staubig.
Der Minko winkte die Männer gnädig heran. Einige Diener hielten die Pferde fest, während die fremden Männer den Hügel emporschritten Einer musterte Maisblüte mit lüsternen Augen und sie erstarrte vor Schreck. Es war den Männern nicht gestattet, sie anzusehen! Nicht so! Die Männer schienen noch jung zu sein, obwohl das wilde Haar in ihrem Gesicht sie älter erscheinen ließ. Ihre Augen waren dunkelbraun und wild. Ihre Haut von einem helleren Braun als die ihre. Unter dem seltsamen Hut, der ebenfalls an den Panzer eines Käfers erinnerte, quollen braun-schwarze Haare hervor, die teils gelockt waren. Die Füße der Männer steckten in seltsamen hohen Mokassins und ihre Beine waren vollständig mit Tuch verhüllt. Maisblüte konnte erkennen, dass sie unter dem Brustharnisch, der ebenfalls wie dieser Käferpanzer glänzte, noch weitere Kleidung trugen. Die Männer schwitzten unter der Last der Kleidung, dabei war es kühl. All dies sah Maisblüte, als sie die Fremden unter gesenkten Wimpern musterte.
Ein unangenehmes Schweigen entstand, dann zogen die Männer plötzlich ihre Waffen und umringten den Häuptling. Er war nun ihr Gefangener. Ein Aufschrei ging durch die versammelten Menschen, denn Tuscalusa war nicht nur ihr Minko, sondern der oberste Priester! Ihn gefangenzusetzen bedeutete für die Menschen den Untergang des Volkes. Klagende Stimmen erhoben sich, die darauf warteten, dass die Sonne sich verdunkelte. Maisblüte war so entsetzt, dass sie zu keiner Bewegung mehr fähig war. Mit einer Handbewegung beruhigte Tuscalusa seine Männer und machte gute Miene zum bösen Spiel. „Ich führe euch nach Mabila, wo ihr eure Unterstützung bekommen werdet!“, ließ er den Dolmetscher übersetzen.
Dem Gouverneur schien das zu genügen, denn die Männer ließen die Waffen sinken. Der Gouverneur winkte zwei Männer herbei, die einen seltsamen langen Ast mit sich trugen. Mit lauter Stimme richtete er seine Worte an die versammelten Menschen, die von einem Führer übersetzt wurden: „Ich bin der Sohn der Sonne und wenn ihr nicht gehorcht, dann werde ich Blitze auf euch schleudern!“
Er trat etwas zurück und gab mit Handzeichen zu verstehen, dass auch Tuscalusa etwas Abstand halten sollte. Auf ein weiteres Zeichen stützten die Männer ihre Stöcke auf ein Gestell und richteten sie gen Himmel. Dann ertönte der lauteste Knall, den Maisblüte je gehört hatte. Blitz und Donner kamen aus den Stöcken, sodass die Menschen sich vor Schreck zu Boden warfen und in lautes Wehklagen ausbrachen. Einzig Tuscalusa war neben dem Sohn der Sonne stehengeblieben, aber sein Gesicht war vor Schreck wie erstarrt. Nur mühsam gelang es ihm, die Angst zu beherrschen und würdevoll stehen zubleiben.
Der Gouverneur war sehr zufrieden mit dieser Demonstration und wandte sich wieder dem Häuptling zu: „Ich freue mich schon, in deinem Dorf begrüßt zu werden. Sei solange mein Gast!“
Die Soldaten folgten Tuscalusa in höflicher Weise, trotzdem war klar, dass sie den Häuptling nicht aus den Augen lassen würden. Sie führten ihn in das Haus zurück und ließen auch seine Begleiter eintreten. Dann schickten sie nach dem Hopaii und den Jungfrauen. Noch wurden alle respektvoll behandelt, als Gäste, aber es war klar, dass sich das ändern würde, wenn der Häuptling sich nicht den Anweisungen fügte. Tuscalusa ertrug seine Gefangennahme mit stoischer Ruhe. Er hatte dies vorhergesehen und bereits Vorkehrungen getroffen. Seine Zähne knirschten vor Zorn, als er an die Krieger in Mabila dachte. Bald!
Der Gouverneur kam in Begleitung des Dolmetschers herein und setzte sich zu dem Minko, um mit ihm zu reden. Er wirkte herrisch und arrogant. Seine Kleidung sollte Respekt einflößen mit all dem Tand, aber im Moment stank sie bestialisch. Selbst Maisblüte, die im Hintergrund der Hütte saß, rümpfte angeekelt die Nase. Der Gouverneur äußerte sich in blumigen Worten, die im Gegensatz zu seinen Taten standen. „Ich bin hier, um eure Freundschaft zu suchen! Wenn ihr mir die Wünsche erfüllt, die ich habe, dann gelobe ich, dass ich euch freilasse. Ihr bekommt großzügige Geschenke und ihr erhaltet das Wohlwollen des Sohnes der Sonne. In meinem Land ist es Sitte, sich die Hand zum Zeichen des Friedens zu schütteln und sich beim Namen zu nennen. Ich heiße DeSoto und es ist eine große Ehre für den großen Häuptling, wenn er mich mit meinem Namen anreden darf!“
DeSoto hielt Tuscalusa fordernd die ausgestreckte Hand hin, doch der Häuptling ignorierte die Geste mit völliger Missachtung. Letztendlich war es gleichgültig, wie der Fremde hieß, und er würde ganz bestimmt nicht die Hand eines Fremden schütteln! DeSoto war darüber verärgert und befahl mit harscher Stimme den Aufbruch. Anscheinend waren ihm in dem Dorf zu viele Krieger. Der Häuptling wurde mit seinem Gefolge aus der Hütte getrieben und unter dem Protest der Krieger aus dem Dorf geführt. Das schrille Schreien war ohrenbetäubend, und nur durch Tuscalusas beruhigende Gesten wurden weitere Ausschreitungen verhindert. Dabei waren die Lippen des Häuptlings vom Hass verzerrt, aber er wusste, dass er die Fremden in Sicherheit wiegen musste, um zu seinem Ziel zu gelangen. Er wusste auch, dass es keinen Frieden geben würde.
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