Rudi Kost
Dillinger tritt ab
Hohenlohe-Krimi
Wie tief kann man fallen? Nie mehr will er sich mit Mord und Totschlag befassen. Das hat sich Versicherungsvertreter Dillinger aus Schwäbisch Hall geschworen. Gerade erst ist er von einer schweren Schussverletzung genesen. Doch als eine flüchtige Bekannte aus Jugendtagen mit einer merkwürdigen Geschichte zu ihm kommt, gerät sein Entschluss ins Wanken. Ihr Mann, der Bauunternehmer Frieder Schindel, ist von einem Gerüst zu Tode gestürzt – doch stimmt die offizielle Version von einem Unfall? Dillinger wird rückfällig. Sind es die hübschen Beine einer schönen Frau, denen er noch nie widerstehen konnte? Reizt ihn das scheinbar Aussichtslose? Widerwillig beginnt Dillinger seine Recherchen, und je weniger Antworten er auf seine Fragen erhält, desto mehr packt ihn diese Sache. Er lässt sich in die Geschichte hineinziehen und kommt einem raffiniert eingefädelten Komplott auf die Spur, das ausgerechnet ihm die Hauptrolle zugedacht hat.
Rudi Kost, 1949 in Stuttgart geboren, ist gelernter Journalist, war viele Jahre Redakteur bei Tageszeitungen, unter anderem als Ressortleiter Feuilleton, und arbeitet seit Langem als freier Autor und Herausgeber. Er hat Hörfunkfeatures, Schulfunkserien und Hörspiele veröffentlicht, PC-Fachbücher und vieles mehr. Er leitete einen von ihm mitbegründeten Verlag für Reiseliteratur und hat selbst etliche Reiseführer geschrieben. Seine Krimiserie um den Versicherungsvertreter Dillinger spielt in Schwäbisch Hall und Umgebung. Der Autor lebt in einem kleinen Dorf bei Schwäbisch Hall.
Personen und Handlung sind frei erfunden.
Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen
sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
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Alle Rechte vorbehalten
Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt
Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht
Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart
unter Verwendung eines Fotos von: © jakob5200 / Pixabay.com
ISBN 978-3-8392-6876-6
Anscheinend war ich doch nicht tot. Ein Toter mosert nicht über die tägliche Bürofron, sondern dreht sich in seinem gemütlichen Sarg auf die andere Seite und wartet darauf, was das Jüngste Gericht über ihn entscheidet: Top oder Flop.
Ich aber starrte missmutig auf den Papierstapel vor mir, den mir meine Partnerin Sonja hingelegt hatte, mit der Begründung, ich solle mich nach meiner Wiedergeburt langsam an die Realitäten des Lebens gewöhnen.
Dann war sie mit ihrer Liebsten davongerauscht. »Kleine Auszeit«, hatte sie gesagt. Nach all dem Stress, den sie hatte aushalten müssen. Hatte sie gesagt.
Stress! Wenn jemand Grund hatte, über Stress zu jammern, dann wohl ich.
Ja, ich lebte, zur großen Enttäuschung all jener, die mich noch nie hatten leiden können. Sie hatten es nie so deutlich gesagt, sie hätten es entrüstet von sich gewiesen, überhaupt daran zu denken, anständige Leute, die sie waren, doch insgeheim …
Und da saß ich nun also vor meinem Berg Papier.
Alles wie immer. Es hatte sich nichts geändert.
Nicht mal der Papierstapel hatte die Anständigkeit besessen, sich während meiner Abwesenheit zu verkrümeln. Und ich war ja wirklich lange genug weg gewesen.
So kam es, dass niemand die Frau hatte aufhalten können, die jetzt mein Büro betrat.
Ich musterte sie nicht sehr freundlich, wahrscheinlich genauso missmutig wie den Papierstapel, war ich doch gerade nach reiflicher Überlegung zu der Entscheidung gekommen, dass ich heute ohne schlechtes Gewissen etwas früher Schluss machen konnte. Immerhin war schon gleich Mittag. Und es war keine gestrenge Sonja da, die mich hätte aufhalten können.
Und jetzt das.
Klientenbesuch, das roch immer nach Arbeit. Also nach Ärger.
Die Frau war recht attraktiv, wenn auch nicht berückend schön, und das war gut so, denn mit berückend schönen Frauen, die mein Büro stürmten und dann auch noch mit dem Hintern wackelten, hatte ich nicht die besten Erfahrungen gemacht. Ich dachte an die Unternehmersgattin aus Esslingen, die dann gar nicht mehr so schön gewesen war, als ich ihr kurze Zeit später als Leiche wiederbegegnet war.
Vergangenheit. Wenigstens war sie aufgepoppt, in meinem Kopf war doch nicht alles durcheinander. Nur ihr Name wollte mir partout nicht einfallen.
Ich wischte die Erinnerung weg und konzentrierte mich auf die Gegenwart. Die ja durchaus erfreulich war.
Die alten Reflexe funktionierten also noch.
Attraktiv, ich sagte es schon.
Die Frau war ungefähr in meinem Alter, etwas jünger vielleicht, also Mitte 40, hatte halblange brünette Haare, in die sich das erste Grau mischte, war schlank, elegant angezogen und trug auf dem Arm ein kleines Kind. Irgendwo zwischen gerade geboren und Schulanfang. Ich kannte mich mit den kleinen Schreihälsen nicht aus und wollte mich altersmäßig daher nicht festlegen.
Der kleine Schreihals schlief.
»Dillinger?« Sie sah mich fragend an.
Ich nickte.
»Du erkennst mich nicht mehr, oder.« Das war keine Frage, sondern eine Feststellung. Eine durchaus richtige Feststellung.
»Elisabeth«, sagte sie.
Ich durchforstete meine Erinnerungen nach einer Elisabeth und fand nichts.
Ich sah sie fragend an.
»Ruine Limpurg«, sagte sie.
Ich nickte. War mir bekannt, nur zu gut bekannt. In dem verfallenen Gemäuer trafen sich zu meiner Jugendzeit die Cliquen, um ungestört Party zu machen. Es waren zumeist mehrere Cliquen, die sich irgendwann mischten, meistens friedlich. Eine Elisabeth sah ich nicht darunter.
»Eine heiße Sommernacht«, fuhr sie fort. »Wir haben getrunken, wir haben gekifft, wir haben geknutscht und gefummelt, und ab und zu sind zwei auch in den Büschen verschwunden.«
Sie lächelte, und das Grübchen, das sich dabei bildete, lichtete den Nebel meiner Erinnerung etwas und brachte die diffusen Schemen einer jungen Frau hervor, die tanzte und wild entschlossen war, ihren Spaß zu haben. Und dann?
Und dann machte es plötzlich »Peng«, und alles stand mir wieder vor Augen.
Himmel, ja, Christo hatte den Reichstag in Berlin verhüllt, George Forman Axel Schulz niedergehauen, Take That gab es noch, wir tanzten zu Madonna und Michael Jackson, und wenn jemand eine Gitarre dabei und mehr als drei Akkorde drauf hatte, grölten wir die Hits aus der Vergangenheit, als unsere Eltern noch jung gewesen waren, und damals war es uns überhaupt nicht peinlich.
Die Limpurg und eine heiße Sommernacht!
Ich wusste nicht so recht, wie peinlich mir das in der Rückschau sein sollte.
»A b’soffene G’schicht halt«, sagen die Österreicher dazu, und das gilt immer als Entschuldigung, gleich, ob es ums Schnackseln hinterm Busch geht oder um den Verkauf halb Österreichs an eine angebliche russische Oligarchin.
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