Kathrin Emely Springer und Carolin Lüdemann
1. Schritt:
Erkenne, was Schönheit ist
„Nicht die Schönheit entscheidet, wen wir lieben, die Liebe entscheidet, wen wir schön finden.“
Sophia Loren (*1934), italienische Schauspielerin
Schönheit ist subjektiv
Ausstrahlung und Schönheit scheinen auf den ersten Blick untrennbar miteinander verbunden zu sein. Wer schön ist, erzeugt Wirkung auf seine Mitmenschen und hat eine positive Ausstrahlung, so die häufige Vermutung. Also fragen wir uns zunächst einmal: Was ist Schönheit eigentlich? Mit Sicherheit kann gesagt werden: Schönheit ist subjektiv, ist kulturell und geschichtlich geprägt und liegt im Auge des Betrachters. In traditionellen Kulturen etwa, in denen Frauen in erster Linie Hausfrauen und Mütter sind, oder in ärmeren Ländern werden fülligere Frauen als attraktiver eingestuft. In Kulturen, in denen Frauen berufstätig sind, Führungspositionen bekleiden und in denen wirtschaftlicher Wohlstand herrscht, werden dagegen schlanke Figuren bevorzugt.
Was „schön“ ist, ist also subjektiv. Und doch haben amerikanische Soziologen herausgefunden: „Schöne leben schöner.“ Schöne Babys werden nämlich länger angelächelt. Schöne Kinder dürfen mehr spielen und man verzeiht ihnen Blödsinn deutlich rascher. Schöne Schulkinder haben bei gleicher Leistung oft die besseren Noten. Sie haben mehr Freunde und verdienen im Berufsleben sogar mehr Geld: Nach einer englischen Studie bekommen attraktive Männer bis zu 14 Prozent, attraktive Frauen bis zu elf Prozent mehr Gehalt.
Es ist also kein Wunder, dass wir heutzutage immer mehr an unserer äußeren Schönheit feilen und uns von dieser umso mehr Erfolg versprechen. Mit einem attraktiven Äußeren werden unbewusst positive Charaktereigenschaften verbunden. Es gilt die Devise „schön = schlau und nett“. Wenn wir einem Menschen das aller-erste Mal begegnen, gehen wir automatisch und meist unbewusst eine Checkliste durch. Anhand seiner Größe, seines Alters, seiner Proportionen beurteilen wir seine Attraktivität und seine Gesundheit. Anhand seiner Gestik und Mimik schätzen wir zum Beispiel seine Selbstsicherheit ein. Und anhand seiner Kleidung seine Persönlichkeit oder sogar seinen gesellschaftlichen Status. Da wir solche Rückschlüsse automatisch ziehen, denken wir über unsere Ableitungen nicht weiter nach. Wir sind uns also keineswegs darüber bewusst, dass wir uns von der These „schön = gut“ in beachtlichem Maße beeinflussen lassen. Und das wiederum bedeutet, dass wir in jedem Lebensbereich davon betroffen sind:
Politiker erhalten nachweislich mehr Stimmen bei Wahlen, wenn sie als attraktiv eingestuft werden. Eine Untersuchung über die kanadischen Parlamentswahlen offenbarte, dass attraktive Kandidaten mehr als zweieinhalbmal so viele Stimmen erhalten hatten wie unattraktive Kandidaten. Die Wähler jedoch waren sich ihrer Voreingenommenheit nicht bewusst. 73 Prozent der befragten Wähler bestritten heftig, dass ihre Wahlentscheidung irgendetwas mit der äußerlichen Attraktivität des Kandidaten zu tun gehabt hätte; nur 14 Prozent wollten dies prinzipiell nicht ausschließen.
Auch die Rechtssprechung ist nicht gegen die Beeinflussung durch ein anziehendes Äußeres gefeit. In Studien stellte sich heraus, dass attraktiven Angeklagten doppelt so häufig eine Gefängnisstrafe erspart blieb und attraktive Beklagte vor Gericht zu 50 Prozent weniger Schadensersatz verurteilt wurden. Anziehende Menschen erhalten auch eher Hilfe, wenn sie in Not sind.
Attraktive Menschen sind nachweislich überzeugender und erfolgreicher, wenn sie ihre Mitmenschen zu einer Einstellungsänderung bewegen wollen. Erfolgreiche Trickbetrüger sind darum übrigens auch meist attraktiver und anziehender als der Durchschnitt der Bevölkerung.
Ein Ausflug in die Vergangenheit In Urzeiten war es für uns überlebensnotwendig, sehr schnell eine zutreffende Beurteilung einer fremden Person vornehmen zu können. Schließlich musste man im Handumdrehen einordnen, wer einem mit welchen Absichten gegenüberstand und ob man sich auf Kampf, Flucht oder Harmonie gefasst machen durfte. Was sich über Jahrtausende hinweg entwickelt hat, bekommen wir natürlich nicht so einfach aus unseren Köpfen heraus. Aber auch das Verlangen nach einem makellosen Körper lässt sich mit der Evolution erklären: Schönheit versichert beste Gesundheit, Kraft und gute Gene. Dass wir lange Beine zum Beispiel attraktiv finden, hat einen logischen Ursprung: Wer lange Beine hatte, konnte schneller rennen, weiter wandern und hatte somit bessere Überlebenschancen. |
Gehen wir noch einen Schritt weiter: Schönheit gilt nicht nur als Sympathieträger, sondern auch als Garant für Beliebtheit. Wer schön ist, erhält mehr Aufmerksamkeit, ist beliebter und wird eher geliebt. Ein Vorteil muss das nicht unbedingt sein.
Ein Schulkamerad war schon in der Grundschule extrem hübsch. Alle Mädchen schwärmten für ihn. Da er sehr ruhig war, vermuteten alle dahinter ein großes Geheimnis. Tatsächlich jedoch war er einfach nur langweilig. Dies fiel nicht so schnell auf, da seine Mitschülerinnen alle ihre Wünsche und Sehnsüchte auf ihn projizierten. Die meisten gut aussehenden Jugendlichen haben es im Umgang mit Menschen leichter als andere, deshalb sind sie nicht gezwungen, Witz oder Charme zu entwickeln, um auf andere zu wirken.
Jeder von uns weiß, wie gut es tut, für die erbrachten Leistungen gelobt zu werden. Sehen wir uns hierzu ein Beispiel aus dem Berufsleben an. Es gibt leider viele Vorgesetzte, die einen autoritären Führungsstil pflegen und mit ihren Mitarbeitern nach dem Motto „Nicht geschimpft ist genug gelobt“ verfahren. Sie sind damit zum Scheitern verurteilt. Beruflicher Erfolg stellt sich immer nur dann ein, wenn Menschen etwas (wie vielleicht Lob und Anerkennung) erreichen möchten – und nicht, wenn ihr Ansinnen die Vermeidung (von Bestrafung, Ärger etc.) ist. Doch manchmal bleibt Anerkennung aus. Mit seltsamen Folgen ...
In Seminaren kommt es vor, dass einzelne Teilnehmer – vor allem, wenn sie noch jünger sind – als Unruhestifter auffallen. Sie reden dazwischen, führen separate Gespräche oder reißen laut Witze und lenken die anderen Teilnehmer dadurch vom Thema ab. Wer als Vortragender nun versucht, diese störenden Teilnehmer zu ermahnen, sie um Aufmerksamkeit und Ruhe zu bitten, hat damit oft keinen Erfolg. Die entscheidende Frage ist: Was treibt die Teilnehmer zu ihrer Unruhe? Gehen wir einmal davon aus, dass es sich um einen interessanten Vortrag handelt. Langeweile kann es dann also nicht sein. Unkonzentriertheit? Vielleicht. Aber sehr viel häufiger steht hinter diesem Verhalten der Wunsch nach Aufmerksamkeit. Wenn man das Gefühl hat, dass man keine Anerkennung bekommt, dann holt man sich zumindest Aufmerksamkeit – auch wenn diese nicht positiv ist und (wie in diesem Fall) nur aus Ermahnungen besteht.
Ähnliches gilt für den Fall eines pubertierenden Teenagers. Dieser testet seine Grenzen aus, indem er bei seinen Eltern negativ auffällt. Entziehen die Eltern jetzt dem Teenager Liebe und Aufmerksamkeit, wird sich das negative Verhalten noch verstärken. Denn wenn wir schon nicht geliebt werden – oder zumindest nicht das Gefühl haben, dass wir geliebt werden –, ist der nächste Schritt das Streben nach Aufmerksamkeit. Der Klassenclown zum Beispiel hungert nach nichts anderem als nach Aufmerksamkeit. Er fällt durch seine Scherze auf und bekommt für seine lustige Art dementsprechende Beachtung.
Alles eine Frage der Maße?
Was empfinden wir als besonders sympathisch und ansprechend, wenn wir einem fremden Menschen begegnen. Ist es die – nach westlichen Maßstäben – „perfekte“ Schönheit? Nein. Am attraktivsten finden wir erwiesenermaßen das Durchschnittsgesicht. In einer amerikanischen Untersuchung wurden Probanden 100 Fotos mit Gesichtern vorgelegt. Ein Foto davon war so bearbeitet, dass es von allen Gesichtern das am meisten symmetrische war. Ein perfekter Durchschnitt aller Gesichter. Spontan entschieden sich alle Probanten für dieses Gesicht als das angenehmste. Warum das so ist? Beim Übereinanderlegen verschwinden Unregelmäßigkeiten, wie zum Beispiel kleine Hautunreinheiten oder leichte Asymmetrien. Denn gerade die Symmetrie spielt eine große Rolle in der Attraktivität. Gesichter werden als besonders schön empfunden, wenn sie einen hohen Grad an Ordnung und Proportionalität aufweisen. Das Top-Model Claudia Schiffer beispielsweise erreicht bei dieser Vermessung einen unglaublichen Wert von 94 % Symmetrie. Als schön empfunden werden also Gesichter, die symmetrisch und damit besonders gleichmäßig sind.
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