Die rein menschliche Hilfe-Beziehung zum Hilfsbedürftigen soll im Falle christlich motivierter Helferinnen und Helfer demnach strukturanalog sein zur gottmenschlichen Hilfe-Beziehung Jesu Christi zu den Hilfsbedürftigen. Diese strukturelle Analogie erscheint mir insofern plausibel und überzeugend, als dass die christlich motivierten Helferinnen und Helfer ihre Hilfe-Arbeit der Hilfebeziehung Jesu qualitativ ähnlich gestalten sollen, indem sie die hilfsbedürftigen Menschen von ihren Leiden zu befreien, dadurch zufriedener und glücklicher und vor allem gottempfänglicher zu machen versuchen (sollen).
Aber ist auch die Verneinung der substanzontologischen Entsprechung zwischen den beiden Seiten beider Hilfebeziehungen überzeugend? Der menschliche Therapeut soll sich nicht voll und ganz und deshalb auch nicht substanziell mit seinem Klienten identifizieren – das ist zweifellos richtig und vernünftig. Allerdings müsste man hier wohl präzisieren, dass eine Identifizierung im Hinblick auf die individuelle Substanz beider, des Helfers und seines Klienten, nicht nur nicht wünschenswert, sondern seinsmäßig auch gar nicht möglich ist. Gleichwohl gibt es und bleibt notwendigerweise auch eine substanzontologische Entsprechung, ja Identität, zwischen beiden, dem menschlichen Helfer und seinem ebenfalls menschlichen Klienten, bestehen, und zwar im Hinblick auf ihre allgemein menschliche Substantialität, d.h. ihre gemeinsame Teilhabe an der allgemein menschlichen Natur. Die Hilfebeziehung ist hier also nur zwischen zwei Seiten möglich, zwischen denen auch ein Verhältnis seinsmäßiger bzw. substanzieller Analogie besteht. Diesem eigentlich selbstverständlichen Sachverhalt würde Heinrich Pompeÿ sicher nicht widersprechen.
Wie steht es nun mit dem substanzontologischen Entsprechungsverhältnis in der gottmenschlichen Hilfebeziehung zwischen Jesus Christus und seinen „Klienten“? Auch hier ist es eindeutig, dass zwischen Jesus und seinen „Klienten“ gemäß christlichem Glauben auch ein substanzontologisches Entsprechungsverhältnis, wenn auch keine Identität, besteht, sofern nämlich die gott-menschliche Natur Jesu Christi zu der rein menschlichen Natur seiner Klienten in einem ontologischen Verhältnis seinsmäßiger Analogie steht. Davon bleibt natürlich die strukturontologische Analogie zwischen beiden genannten Hilfe-Beziehungen unberührt. Man darf diese nur nicht gegen das seinsanaloge Verhältnis zwischen den Beziehungsgliedern als solchen ausspielen. Diese beiden Analogien – die Struktur-Analogie der HilfeBeziehung und die Seinsanalogie der Helfer-Klienten-Beziehung – liegen ontologisch gesehen auf zwei verschiedenen Ebenen, wobei allerdings die Strukturanalogie der Hilfe-Beziehung die Seinsanalogie der Helfer-Klienten-Beziehung als eine ontologisch notwendige Bedingung ihrer Möglichkeit voraussetzt, nicht aber umgekehrt. Diesem ebenso sehr selbstverständlichen Sachverhalt dürfte Heinrich Pompeÿ sicher ebenfalls zustimmen.
Für Heinrich Pompeÿs strukturanaloges Verständnis der Hilfebeziehung Jesu zu den Hilfsbedürftigen und der Hilfebeziehung des/der christlichen Helfers/Helferin zu seinen/ihren Klienten erscheinen mir noch zwei ergänzende Vorschläge sachlich geboten, die ich im Folgenden kurz erläutern will.
3.1 Erster Ergänzungsvorschlag zu Heinrich Pompeÿs Verständnis des strukturanalogen Verhältnisses zwischen der Hilfebeziehung Jesu zu den Hilfsbedürftigen und der Hilfebeziehung des/der christlichen Helfers/Helferin zu seinen/ihren Klienten: Die Unterscheidung zwischen einem Haupt- und einem Nebenanalogat in der strukturontologischen Analogie zwischen beiden Hilfebeziehungen
Über die mir bekannten Überlegungen Heinrich Pompeÿs zum strukturanalogen Verhältnis zwischen den beiden genannten Hilfe-Beziehungen hinaus könnte und sollte man auch noch ein sog. Hauptanalogat von einem Nebenanalogat der strukturontologischen Analogie zwischen beiden Hilfe-Beziehungen voneinander unterscheiden. Denn wie das analoge Prädikat in einem der beiden Glieder einer Analogie, nämlich im sogenannten Hauptanalogat, vollumfänglich verwirklicht ist, während es im Nebenanalogat nur eingeschränkt und teilweise verwirklicht ist, so stellt im vorliegenden Fall eines strukturanalogen Verhältnisses zwischen den beiden Hilfe-Beziehungen die Hilfebeziehung Jesu Christi zu den Hilfsbedürftigen gleichsam das Hauptanalogat dar, in dem der ideale Sinngehalt einer helfenden und heilenden Beziehung vollkommen verwirklicht ist, während jede zwischenmenschliche Hilfebeziehung diesen Sinngehalt stets nur approximativ und nie ganz zu verwirklichen vermag und damit gleichsam nur das Nebenanalogat einer helfenden Beziehung sein kann. Dieses, das Nebenanalogat, aber verwirklicht den Sinngehalt des analogen Prädikats, d.h. in unserem Fall der helfenden, heilenden Beziehung, durch Teilhabe an dem Hauptanalogat, d.h. hier der Hilfebeziehung Jesu Christi. Diese Unterscheidung zwischen einem Haupt- und einem Nebenanalogat in einem analogen Verhältnis ist daher auch auf ein strukturanaloges Verhältnis wie dasjenige zwischen den beiden genannten Hilfebeziehungen anwendbar.
3.2 Zweiter Ergänzungsvorschlag zu Heinrich Pompeÿs Verständnis eines strukturanalogen Verhältnisses zwischen der Hilfebeziehung Jesu zu den Hilfsbedürftigen und der Hilfebeziehung des/der christlichen Helfers/Helferin zu seinen/ihren Klienten: Die Beachtung der größeren Unähnlichkeit (im Vergleich zur Ähnlichkeit) zwischen beiden Hilfebeziehungen14
Gemäß der von dem IV. Laterankonzil (1215) formulierten Analogieregel ist die Unähnlichkeit bei affirmativen analogen Aussagen über Gott und sein Handeln größer als die Ähnlichkeit zwischen den beiden Gliedern dieses analogen AussageVerhältnisses, d.h. zwischen der geschöpflichen Wirklichkeit, die analog von Gott ausgesagt wird, und Gott selbst. Diese Regel findet ihre angemessene Begründung in der Transzendenz und Erhabenheit des vollkommenen, unübertrefflichen Gottes gegenüber seiner Schöpfung. Sie ist aber auch auf das strukturanaloge Verhältnis zwischen der Hilfebeziehung Jesu Christi zu den Hilfsbedürftigen und der Hilfebeziehung christlich motivierter menschlicher Helferinnen und Helfer zu ihren Klienten deshalb anwendbar, weil nach christlichem Glauben in der Hilfebeziehung Jesu Christi zu den Hilfsbedürftigen Gottes eigenes, Heil und Erlösung stiftendes Handeln am Werk ist. Deshalb ist es nicht nur legitim, sondern auch geboten, die Regel der größeren Unähnlichkeit gegenüber der Ähnlichkeit im Vergleich beider Hilfebeziehungen miteinander zur Geltung kommen zu lassen. Mit anderen Worten: Gottes Heilshandeln in Jesus Christus an den Menschen ist der Hilfebeziehung der christlichen Helferinnen und Helfer zu ihren Klienten unähnlicher als sie ihnen ähnlich ist. Denn die Hilfe Jesu kann den Hilfsbedürftigen zu ihrem umfassenden und endgültigen Heil gereichen, wenn sie sich ihm öffnen, während dies bei zwischenmenschlichen Hilfebeziehungen nicht und niemals der Fall sein kann. Auch christlich motivierte Hilfebeziehungen können daher die Hilfebeziehung Jesu zu den Menschen nicht ersetzen; sie sollen diese vielmehr im Idealfall gleichsam zum Vorschein und zum Ausdruck bringen, indem sie die Hilfsbedürftigen durch ihre Zuwendung zumindest indirekt auf diese völlig einzigartige und für das Heil jedes Menschen unersetzliche Hilfebeziehung verweisen und aufmerksam machen. Denn umfassendes und zureichendes Heil schenken kann kein Mensch, sondern nur der Mensch gewordene Gott den hilfsbedürftigen Menschen. Menschliche Helferinnen und Helfer aber können und sollen aus christlicher Sicht auch zum Mittler/in dieser einzigartigen Hilfebeziehung werden.
3.3. Zu Heinrich Pompeÿs Verständnis eines korrelativen und kompatiblen Verhältnisses zwischen der Hilfebeziehung Jesu zu den Hilfsbedürftigen und der Hilfebeziehung der christlichen Helferinnen und Helfer zu ihren/seinen Klienten
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