Die Blume der Liebe
Als Älteste aller Rosen gilt die Rosa gallica, deren Pracht iranische Dichter bereits im 12. Jahrhundert v. Chr. besangen. Dort gilt sie über 2000 Jahre auch als Blume der Liebe. Die Damaszener-Rose heißt »Gole Mohammadi«, weil ihr sanfter Duft an den Propheten Mohammed erinnern soll. Für den Islam ist die Rose ein heiliges Symbol, da sie aus einem Schweißtropfen Mohammeds entsprossen sein soll. Undenkbar also für Muslime, über Rosen zu gehen und ihre Blütenblätter beispielsweise bei einer Hochzeit zu zertreten. Der persischen Sprache verdankt die Rose auch ihren Familiennamen: Die Bezeichnung des edlen, dornigen Gewächses geht zurück auf das lateinische Wort rosa, das wiederum auf der griechischen Bezeichnung roson beruht. Roson aber leitet sich ab vom altiranischen Wurdi. Es bezeichnet nicht nur die Rose speziell, sondern bedeutet auch Blume im Allgemeinen. Die Rose als Mutter aller Blumen also.
Damaszener-Rose
Handelsware und Statussymbol
Rosen haben zwar einen hinreißenden Duft, aber nur wenig Öl. Aus drei Tonnen Blüten wird durch Dampfdestillation gerade mal ein Liter Rosenöl gewonnen. Für einen einzigen Tropfen müssen rund 500 Rosenblüten handgepflückt werden. Entsprechend teuer ist es auch. Heute kostet ein Kilo echtes bulgarisches Rosenöl im Großhandel über 5000 Euro. Früher wurde es buchstäblich mit Gold aufgewogen, der Handel mit dem Luxusartikel florierte.
Phönizier, Griechen und Römer begannen, Rosen zu züchten und mit dem flüssigen Gold zu handeln. Vom Zentrum der Rosenöl-Produktion im Iran verbreitete sich die Pflanze über den ganzen Mittelmeerraum. Der griechische Wissenschaftler und Schriftsteller Theophrastus von Eresos (372–288 v. Chr.) katalogisierte die Blumen als Erster, lieferte detaillierte botanische Beschreibungen und schwärmte von den Pflanzen, die mal fünf Blütenblätter, mal einige Hundert haben.
Alexander der Große (356–323 v. Chr.) züchtete Rosen und soll sie nach Ägypten gebracht haben. Als der berühmte britische Archäologe Sir Flinders Petrie (1853–1942) 1888 Gräber in Oberägypten aushob, fand er einen Begräbniskranz aus dem zweitem Jahrhundert v. Chr. – voller Rosen. Der asketische Exzentriker, der jeden Morgen bei Sonnenaufgang zu arbeiten begann und seine Grabungsmannschaft mit Trillerpfeifen-Lärm weckte, identifizierte sie als Rosa x richardii, eine Kreuzung aus der Rosa gallica und der Rosa phoenicia, die als »Heilige Rose Abessiniens« bekannt ist. Was Sir Flinders und seine Frau Herta verblüffte: Die Blütenblätter waren zwar verschrumpelt, hatten aber immer noch ihre zartrosa Farbe behalten. Und als der Wissenschaftler sie in Wasser legte, schienen sie wieder aufzuleben.
Archäologen entdeckten Zeichnungen von Rosen an den Wänden der Grabkammer von Pharao Thutmosis IV., der im 14. Jahrhundert v. Chr. starb. Rosenwellness und edle Deko
Auf der anderen Seite des Mittelmeers, im alten Rom, war es der Stolz eines jeden Patriziers, einen kostbaren Rosengarten zu besitzen. Für reiche Römerinnen und Römer gab es nichts Schöneres, als in einem dieser Gärten zu wandeln, die herrlichen Blumen zu betrachten und ihren Duft als Aphrodisiakum einzuatmen. Sogar das Wasser der öffentlichen Badeanstalten parfümierten sie mit Rosenwasser – der Beginn von Wellness und die Weiterführung der Aromatherapie. Denn allein schon der sanfte Geruch entspannt beim Einatmen.
Lieber Rosen als Obst oder Weizen
Beim römischen Festmahl schmückten Teppiche aus Rosen die Wege zu den reich gedeckten Tafeln, den Wein in den Kelchen verzierten schwimmende Rosenblütenblätter. Bei der legendären Festivität »Sub rosa«, die Kaiser Nero (37– 68 n. Chr.) im Goldenen Palast auf dem Palatin feierte, rieselten Hunderttausende Rosenblütenblätter und sogar Rosenöl herab. Es flossen Ströme von Wein, der nach Rosen duftete, alle Festgäste badeten in teurem Rosenwasser. Auch am Morgen nach dem großen Fest nutzten die praktisch denkenden Römer die Heilkraft der Rosen. Sie versuchten, den wegen des Katers dröhnenden Kopf mit einem Kranz aus gekühlten Rosen wieder klar zu bekommen. Mit diesem Ansatz waren sie durchaus auf der medizinisch richtigen Fährte. Rosen waren aber auch als Auszeichnung für militärische Großtaten begehrt – man denke an den Rosenkranz.
In modernen Wohlfühltempeln wird die wohltuende Wirkung der Rose auf das Nervensystem noch heute bei Massagen und Bädern eingesetzt. Rosenblätter sind ein beliebter Zusatz in Entspannungsbädern;
für die seelische Balance wird Rosenöl verräuchert.
Zurück über das Mare nostrum an die Küste Afrikas: Kleopatra (69–30 v. Chr.), die ägyptische Königin, badete nicht nur wohlig in Rosenmilch, sie nutzte die Rose vor allem als Zeichen der Liebe. Die schöne Frau auf dem Pharaonenthron begrüßte den römischen Feldherrn Marcus
Antonius (86–30 v. Chr.) in einem Zimmer, dessen Fußboden so hoch mit Rosenblütenblättern bedeckt war, dass er knietief darin versank.
Als Rom und das weströmische Reich im Jahr 476 untergingen, gab es in der Ewigen Stadt mehr als 2000 öffentliche Rosengärten, belegen historische Unterlagen. Der Dichter und Satiriker Horaz (65 v. Chr.–8 v. Chr.) hatte schon zuvor eindringlich darüber geklagt, dass überall dort Rosen wüchsen, wo eigentlich Obstgärten und Weizenfelder gedeihen sollten.
Eine Heilpflanze seit Anbeginn
Doch so wunderschön und faszinierend die Rose auch ist: Die Menschen interessierten sich schon früh nicht nur für ihre »äußeren Werte«, sondern auch für ihre medizinische Heilkraft. Der legendäre Yan-Kaiser Shen Nong (»Göttlicher Bauer«, um 2800 v. Chr.) beschrieb in seinem Arzneimittelbuch Shen Nong Ben Cao Jing 365 Pflanzen wie etwa chinesischen Zimt, Ingwer, Rhabarber oder Ginseng – aber auch die Früchte der Jin Ying Zi-Rose, die heute als Cherokee-Rose bekannt ist. Diese Wildrosenart aus Zentralchina ( Rosae laevigatae fructus ) gelangte bereits im 17. Jahrhundert nach Nordamerika. Dort breitete sie sich schnell aus.
Der französische Botaniker und Forschungsreisende André Michaux (1746–1802) verlieh ihr dann in seiner »Flora boreali americana« den indianischen Namen Cherokee-Rose: Er hielt sie irrtümlich für eine heimische amerikanische Pflanze.
EXTRA Segeln unter falscher Flagge 
Pfingstrosen ähneln mit ihren prächtigen Blüten zwar Rosen. Doch die Päonien gehören zu den Hahnenfuß-Gewächsen. Die Blume, die auch als Bauernrose bekannt ist, gibt es in 32 verschiedenen Sorten.
Christrosen, die auch als Schneerosen oder Weihnachtsrosen bekannt sind, gehören zu den Nieswurzen.
Zistrosen bilden eine eigene Gattung, die Zistrosen-Gewächse (Cistaceae ), und haben eine starke Heilwirkung z. B. gegen Erkältung.
Die Rose von Jericho (→ Foto), eine Wüstenpflanze, gehört zu den Kreuzblütlern und bildet im Winter eine Rosette mit kleinen weißen Blüten aus. In der Trockenzeit rollt sie sich zu einer apfelgroßen Kugel zusammen und überlebt sehr lange ohne Wasser. Bei Regen erblüht sie.
Christrose, Pfingstrose, Zistrose – klingt alles sehr nach Rose, sie alle sind aber Mogelpackungen.
Keine Rose ohne Dornen … sagt zwar das alte Sprichwort. Doch der Botaniker gruselt sich: Rosen haben Stacheln, keine Dornen. Der feine Unterschied: Dornen wie bei Kakteen sind umgewandelte Blätter. Stacheln dagegen sind Auswüchse der obersten Zellschicht von Sprossen oder Blättern. Beide aber piksen. Der kleine Botanicus würde sicher auch darauf hinweisen, dass die Rose keine Blume ist, sondern ein Gehölz. Stimmt. Aber für jeden, der sie sieht und bewundert, bleibt sie dennoch die schönste Blume des Planeten.
Читать дальше