Die meisten verkauften Schnittrosen, etwa 84 Prozent, stammen aus EU-Ländern. Bei den Importen aus Afrika, vor allem aus Kenia, erobern zunehmend die Rosen mit Fair-Trade-Siegel den Markt. Bereits 25 Prozent der Blumenköniginnen kommen aus »fairer« Produktion – 365 Millionen Stück im Jahr 2015. Tendenz steigend -um jährlich rund sechs Prozent.
Rosenrenaissance Ende des 19. Jahrhunderts
Ein neues Wissenschaftsverständnis, der Wunsch, Heilkräfte der Natur bis ins letzte Molekül zu erforschen, brachte die Rosenmedizin wieder zurück ins Bewusstsein. Welche enormen Wirkungen ätherische Öle haben können, bewiesen 1887 bis 1889 französische Wissenschaftler. Sie erbrachten den Nachweis, dass ätherisches Thymianöl Kolibakterien, Staphylokokken oder sogar Meningokokken zerstören kann. Wissenschaftler entdeckten auch, dass Rosenöle im Limbischen System den Thalamus anregen, mehr körpereigene Opiate zu produzieren: Neurotransmitter, die gute Laune und das Wohlbefinden fördern. Als Mittel, das seelische Zustände wie Antriebslosigkeit, Apathie oder Niedergeschlagenheit beheben und austarieren kann, empfahl der britische Arzt Edward Bach (1886–1936) die Hundsrose (»Wild Rose«) in der von ihm entwickelten Bachblütentherapie. Vielleicht ahnte Bach, der eigentlich Schulmediziner war, bereits, welches Heilpotenzial in der Pflanze steckt.

Öle aus Kräutern: schmackhaft, wohltuend und schön anzusehen.
So sind im natürlichen Rosenöl bisher insgesamt circa 230 Molekülarten gefunden worden. Welche Vorteile die wunderschönen Blumen uns in der Zukunft noch bringen werden, liegt größtenteils noch in der Forschungs-Pipeline. In den 30er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts entdeckte der amerikanische Nobelpreisträger Linus Pauling (1901–1994) die Wirkung von Vitamin C auf das Immunsystem – und die Hagebutte, prall gefüllt mit dem ImmunVitalstoff, erlebte ihr Comeback als Heilmittel. Bis heute entdecken Pharmakologen auf der Jagd nach neuen Heilsubstanzen immer mehr vielversprechende Inhaltsstoffe. Aktuell wird beispielsweise auch getestet, ob Rosenwirkstoffe Schutz gegen HIV bieten können. Es sieht gut aus …
Rosen als Heilpflanzen
Die wichtigsten Medizinrosen, ihre stärkende Wirkung auf Herz, Gelenke und mehr sowie verblüffende neue Forschungsergebnisse.
Enthüllung heilender Geheimnisse
Auf dem Weg zur Phytotherapie
Auf den Schlachtfeldern Mitteleuropas war der französische Barbier-Chirurg Ambroise Paré (1510–1590) der wohl berühmteste Militärarzt, ein großer Erneuerer. Der hagere Mann mit einem nach heutigem Verständnis coolen Hipster-Bart beobachtete zum Beispiel, dass die Wunden von Patienten schneller heilten, wenn er kleine Fliegenmaden hineingab und die Wunde abdeckte. Er gilt seitdem als Begründer der modernen Madentherapie, die Mitte der 90er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts wieder auflebte. Vor allem aber grübelte der spätere Hofchirurg von Karl IX. Nächte um Nächte über die grausamen Amputationen nach, die damals durch den Einsatz der neuartigen Feuerwaffen notwendig waren. Die Feldscher verödeten die Wunden, die seinerzeit als vergiftet galten, mit Gluteisen oder gossen siedendes Öl hinein. Viele starben an der Prozedur.
Schließlich ersetzte Paré das heiße Öl durch ein besser verträgliches Gemisch aus Eigelb, Terpentin und Rosenöl. Das macht ihn zu einem Wegbereiter der modernen Phytotherapie. Der Feldarzt wusste bereits, dass Rosenblüten blutstillende Eigenschaften aufweisen.
Heute rücken die modernen Phytoforscher der Rose mit Mikroskop, Reagenzglas, dünnschichtchromatografischen Bioassays, Hochdurchsatz-Screenings und anderen für Laien weitgehend unverständlichen Hightech-Methoden auf die Blütenblätter, um immer mehr heilende Wirkstoffe, aber auch Wirkungen zu entdecken. Dennoch sind bisher von den 550 pflanzlichen Inhaltsstoffen im Rosenöl 120 Substanzen noch nicht einmal identifiziert worden, so der emeritierte Münchner Chemiker Prof. Dietrich Wabner. Er muss es wissen, denn er erforscht ätherische Öle seit mehr als 40 Jahren.
Wissenschaftlich sicher ist aber nachgewiesen: Rosen enthalten die Vitamine A, B, D und E. Hagebutten weisen 20- bis 60-mal mehr immunschützendes Vitamin C auf als Orangen oder Zitronen.
Dazu kommen Anthocyane (Bioflavonoide), die aggressive Sauerstoffmoleküle neutralisieren, die sogenannten freien Radikale. Vermutet wird, dass Anthocyane, die den Rosen ihre rote Farbe verleihen, entscheidende Schlüssel für die Krebsbekämpfung sind, berichtet der European Food Information Council, EUFIC, mit Sitz in Brüssel. Sie verhindern offenbar, dass es im Erbgut zu Mutationen kommt und so ein Karzinom entstehen kann. Für die medizinische Forschung öffnet sich ein neuer, spannender Therapie- und Prophylaxe-Weg. Eine wichtige Rolle spielen auch Gerbstoffe, Pektin und Carotin, Nerol und Geraniol. Kein Wunder also, dass der Verein »NHV Theophrastus« in Chemnitz die Damaszener-Rose zur »Heilpflanze des Jahres 2013« gewählt hat. Ihre Heilkraft ist sogar wissenschaftlich abgesegnet. Die »Kommission E« des Bundesinstituts für Arzneimittelforschung und Medizinprodukte etwa befürwortet die Anwendung von Rosenblüten aufgrund ihrer Gerbstoffe und deren adstringierender Wirkung bei leichten Entzündungen im Bereich der Mund-und Rachenschleimhaut.
Rosenduft kurbelt den Stoffwechsel an
Die Heilwirkung der Rose muss heute weitreichender betrachtet werden als noch vor wenigen Jahren. An der australischen James-Cook-Universität Townsville etwa testeten Forscher die Auswirkungen von Rosenduft an 3200 übergewichtigen Frauen zwischen 20 und 36 Jahren. Sie »mussten« mindestens drei Stunden pro Tag in einem Zimmer mit frischen Rosen verbringen. Nicht anders essen, nicht mehr Sport treiben, einfach nur den frischen blumigen Rosenduft einatmen. Das Ergebnis verblüffte sogar die Ärzte: Der Appetit wurde von Tag zu Tag weniger, die tägliche Kalorienzufuhr sank um 1000 Kilokalorien. Im Schnitt nahmen die pfundigen Frauen in gerade mal drei Wochen zwischen drei und fünf Kilogramm ab. Vermutet wird, dass der Rosenduft ein Sättigungssignal ans Gehirn sendet.
Lavendel
Ähnlich überrascht waren US-Psychologen, die 28 Schwangere nach der Geburt in einer klinischen Studie mit einer Rosen-Lavendel-Aromatherapie behandelten. Die Frauen gehörten alle einer Hochrisiko-Gruppe an, die bereits eine postnatale Depression erlitten hatten. Sie verbrannten in Räuchergefäßen über drei Wochen lang täglich jeweils nur 15 Minuten lang 2,5-prozentige ätherische Öle. Die jungen Mütter in der Aromatherapie litten deutlich seltener an der belastenden Schwermut, die sich bis zu einem Jahr nach der Geburt zeigen kann. Sie hatten auch deutlich weniger Zukunftsängste, waren innerlich sicherer und stabiler und freuten sich mehr auf die turbulente Zeit mit ihrem Baby. Der Duft hat aber zudem auch eine einschläfernde Wirkung, stärkt das Nervenkostüm bei Stress, schenkt neue, stärkende Energie bei Müdigkeit und vertreibt eine gereizte Stimmung. Das fanden Psychologen des Departments of Physiology und Pathology an der brasilianischen Universität von Paraiba-Caixa heraus.
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