Der Architekt Leo von Klenze war ein enger Vertrauter König Ludwigs I.
Der Zaubertrank des Lebens fast aller Schönen, Reichen und Mächtigen sind Sex, Macht und Geld. Lolas erotische Ausstrahlung hatte König Ludwig I. seit ihrer ersten Begegnung, als sie sich das Mieder aufriss (»alles echt, Majestät!«), so heftig erregt, dass er sich selbst wie ein Vulkan empfand: »Ich kann mich mit dem Vesuv vergleichen, der für erloschen galt, bis er plötzlich ausbrach«, sagte er zu Freiherrn von der Tann und Leo von Klenze versicherte er: »hundert mal, jetzt erst wisse er, was Liebe sei.« Und um von Ludwig zu bekommen, was sie brauchte, wusste sie »was die Geschlechtsliebe angeht, ihn in stetiger Erregung zu halten«. »Wenn es Dir wirklich ernst mit mir ist, kannst Du es beweisen, indem Du mir das Geld zu meinem sofortigen Gebrauch gibst. Ich kann keinen anderen Lebensstil führen als den ich gewohnt bin. Ich bin an allen Luxus des Lebens gewöhnt«, schrieb Lola Montez an König Ludwig I. Und der König zahlte und zahlte und zahlte, um seiner Lola zu zeigen, dass es ihm »wirklich ernst« mit ihr ist. Nur mit Geld, mit viel Geld konnte der 60-jährige König seine 35 Jahre jüngere Geliebte an sich binden. Seit ihrer Ankunft am 5. Oktober 1846 bis zum 15. November 1848 zahlte ihr Ludwig nach seinen eigenen Etat-Aufzeichnungen 158.084 Gulden und 16 ¼ Kreuzer. Vergleicht man den Betrag mit den Ministergehältern von damals und heuteso wären das heute 5.216.772 Euro. Auch wenn der Betrag zum Etat des Königs gehörte, war das Geld aus den Steuereinnahmen der Bürger. Leo von Klenze schäumte vor Wut über seinen König, »welcher jahrelangen Bitten seiner Minister verweigert, einer armen Klasse von Volksdienern eine Beihilfe gegen den Hunger zu reichen, und diese nun den geilen Zärtlichkeiten einer bittenden Hure zugesteht!« Lola Montez nannte er fast nie beim Namen, sondern er hatte eine ganze Litanei mit Schimpfworten für sie: Sie war für ihn eine »Fleisch gewordene Lüge«, eine »Bordellpriesterin«, eine »verbuhlte Seiltänzerin«, eine »Furie« und eine »öffentliche Dirne«, eine »Gossenhure«, »Allerweltshure«, eine »tollgewordene Hündin«, eine »durch halb Europa gepeitschte Bordellhure« oder ganz einfach ein »Saumensch«!
König Ludwig I. im Krönungsornat, Gemälde von Joseph Stieler, 1826
Lola: »Ich hatte Geld, so viel ich wollte«
Der »erotische Sonderling«, wie Leo von Klenze seine Majestät nannte, verstand die Welt nicht mehr. Zu Freiherrn von der Tann sagte er: »Es sei ihm unbegreiflich, wie man ihm aus seinem Liebesverhältnis zu Lola solch ein Verbrechen machen könne, da es doch das fünfzigste sei, und da man deren 49 geduldet habe, ohne Etwas dagegen zu sagen.« Die Biografien der Vorgängerinnen lesen sich aber auch anders als die der Lola Montez, die »nicht einmal einen Taufschein beibringen konnte«, wie sich Klenze aufregte. Den bayerischen Behörden war bekannt, dass sie unter mehreren Identitäten reiste und nicht einmal der Name Lola Montez stimmen konnte, weder Pass noch Ausweis besaß, in fast jeder von ihr besuchten Stadt Schwierigkeiten mit der Polizei hatte und in Berlin sogar ein Haftbefehl auf sie ausgestellt war. Man stelle sich vor, ein bayerischer Ministerpräsident, verheiratet, Vater und Großvater von acht Kindern und fünf Enkeln, Katholik wie König Ludwig I., würde heute ein 35 Jahre jüngeres Playgirl als seine neue Freundin präsentieren mit ähnlicher Vorgeschichte, ohne Ausweis, ohne nachvollziehbare Identität, würde ihr per Befehl die Staatsbürgerschaft erteilen und wie Ludwig I. die Machtfrage stellen: Die widerspenstigen Minister werden entlassen, durch gefügige »Lola-Minister« ersetzt und sein G’spusi hat per Königs-Dekret das Bürgerrecht. Die Erhebung in den Adelsstand, um Lola gesellschaftsfähig zu machen, verlief nach dem gleichen Muster: Minister Maurer und sein Sohn wurden für seine Unterschrift reichlich belohnt und Lola hieß ab sofort Gräfin von Landsfeld. »Ich war nicht mehr Tänzerin, ich war Gräfin«, schrieb Lola in ihren Memoiren. »Ich hatte ein Palais, eine Equipage, Bedienstete, Silberzeug und Geld, so viel ich wollte.« Lola war am Ziel.
Lola Montez, vom Hofmaler Joseph Stieler für die Schönheitengalerie gemalt
»Der König lebt in einem vollkommenen Traum«
Doch mit der Erhebung in den Adelsstand erreichte der König bei bürgerlichen wie adligen Schichten das Gegenteil von dem, was er sich erhoffte: Lola wurde noch stärker von der Gesellschaft gemieden, isoliert und abgelehnt. Ihre Eskapaden, ihre rotzfrechen Auftritte, Schlägereien und Intrigen, die alle von ihrem Lover geduldet und gedeckt wurden, ließ man noch wütend über sich ergehen, als aber als Bestrafung für Lola-kritische Demonstrationen tausende Studenten das Studium beenden mussten und für ein Jahr die Universität geschlossen wurde, war das Fass übergelaufen. Dazu kamen die Forderungen der Bürger nach Abschaffung der Zensur, Einrichtung von Geschworenengerichten, Vereidigung des Heeres auf die Verfassung, Änderung der Landtagswahlordnung und Reform des Polizeigesetzes. Als in dieser aufgeheizten Stimmung am 11. Februar 1848 Lolas Palais in der Barer Straße von tausenden Studenten und Bürgern gestürmt wurde, musste Lola aus München fliehen: König Ludwigs Autorität und Ansehen in der Bevölkerung war auf dem tiefsten Stand seiner Regentschaft, wie der preußische Gesandte Albrecht Graf von Bernstorff (1809–1873) nach Berlin berichtete: »Der König ist vollständig aller Achtung, aller Autorität, alles Vertrauens bei seinem Volke entblößt. Er wird allgemein für ganz oder halb wahnsinnig angesehen und es bedürfte nur des geringsten Anstoßes, um ihn zu entthronen. Der König ist jeder vernünftigen und ernsten Betrachtung unzugänglich und lebt in einem vollkommenen Traum, denkt und schreibt fortwährend an seine verjagte Geliebte und beschäftigt sich mit Gedanken der Wiedervereinigung.«
Der preußische Gesandte Albrecht Graf von Bernstorff
»Während sie mir Liebe heuchelte, wollte sie nur Geld von mir!«
Um den Unruhen Herr zu werden forderten hohe Militärs den Einsatz der Waffen, um die Revolutionäre wie in andern Ländern blutig zu bekämpfen. Um dem befürchteten Militärschlag des Fürsten Wrede zuvorzukommen, stürmten aber die Münchner das Zeughaus. In letzter Sekunde trat ihnen auf dem Promenadeplatz Ludwigs jüngerer Bruder Prinz Karl entgegen und meldete, dass König Ludwig I. bereit sei, die Ständeversammlung einzuberufen und die »Märzforderungen« zu erfüllen. Was niemand wußte, war der wahre Grund für den Sinneswandel des Königs; wenn er nämlich auf die Krone verzichtet und abdankt, könnte ihm als pensionierten König niemand mehr verbieten, wieder mit Lola ins Bett zu gehen, was auch sein Vertrauter Klenze wusste: »Wie schon gesagt, entsagte er diesem Throne einzig und allein in der Hoffnung, zukünftig unangefochten in Lolas Liebe schwelgen und leben zu können.« So legte König Ludwig I. am 19. März 1848 die Krone nieder und verzichtete zugunsten seines Sohnes Maximilian auf den Thron. An Lola schrieb er: »Ich habe auf die Krone verzichten können, aber nicht auf meine geliebte Lolitta. Ohne meine Abdankung weiß ich nicht, wann ich mit Dir, meine geliebte Lolitta, hätte sein können. Mein Plan ist, Mitte April zu Dir nach Vevey zu kommen um dort in Deine Arme zu fallen und einige Zeit mit Dir zu leben.«
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