Wie diese junge Mutter lassen sich viele Menschen von niemandem mehr – ob beruflich oder ehrenamtlich agierend – einbinden in ein System, dessen Sprache, Werte und Lebensmodelle sie nicht mehr verstehen, dessen Ambiente ihnen nicht zusagt und in dessen Aufgaben sie keinen Sinn mehr sehen. Vielfach wird statistisch belegt, dass es immer weniger Katholikinnen und Katholiken gibt, die sich in den traditionsreichen Bahnen des gemeindepastoralen Alltags langfristig zu engagieren bereit sind, auch nicht im so genannten pastoralen »Kerngeschäft«. Sie tauchen hier kaum noch auf.
Nicht wenige, die ein Engagement suchen, wandern ab aus dem kirchlichen Binnenraum in andere gesellschaftliche Engagementbereiche. Oder sie sind von vorneherein nur dort zu finden. Denn was sich unter diesen Menschen abzeichnet, ist ein anderer Typ von Ehrenamt: das so genannte »neue« Ehrenamt. Es taucht auf im bürgerschaftlichen, gesellschaftlichen, politischen Raum – in der ganzen Bandbreite der Selbsthilfe- und Betroffenengruppen, der Bürgerinitiativen, Kooperationsringe und Tauschbörsen. Es geht zurück auf die Auseinandersetzungen in den sozialen Bewegungen und der Kulturrevolution der 1960er Jahre. Im Allgemeinen wird das »neue Ehrenamt« dadurch charakterisiert, dass es ein selbstorganisiertes, in hohem Maß flexibles, biographisch passgenaues, persönlich sinn- und gewinnbringendes, zeitlich und thematisch fest umgrenztes Engagement wählt. Es liegt ihm ein Interesse an der Bewältigung eigener Problemsituationen und oft auch politischer Veränderungswille zugrunde – in Projekten mit großen Gestaltungsspielräumen.
Während diese neuen Formen von Ehrenamtlichkeit an vielen gesellschaftlichen Orten an Bedeutung gewinnen, ist die Bereitschaft bundesdeutscher Bürgerinnen und Bürger zur Mitarbeit in den etablierten Institutionen wie den großen Kirchen rückläufig. Das liegt aber nicht etwa nur einseitig an diesen Menschen und ihrer Abneigung gegenüber solcher Mitarbeit. Auch umgekehrt gibt es Ressentiments in den kirchlichen Kreisen diesen neuen Formen gegenüber. Das gilt nicht nur für viele Hauptberufliche, sondern auch für die weniger werdenden alteingesessenen Ehrenamtlichen, die Vertreter des »alten« Ehrenamtes, die um »ihre Pfründe« fürchten. Sie erleben die Vorlieben »der Neuen« nicht nur als »ungewohnt«. Manche lassen sie auch spüren, wie »fehl am Platz« sie sie finden. Weil sie sich in »ihren« gemeindepastoralen Alltag eben nicht integrieren lassen. Weil sie Anderes, Fremdes, Neues einbringen oder entstehen lassen würden. Neben dem Bestehenden. So scheinen die Kirchengemeinden weitgehend die Festungen des »alten« Ehrenamtes zu bleiben. Eines Ehrenamtes, das in den Strukturen des volkskirchlichen Milieus groß geworden ist und sich in großem Beharrungsvermögen schwer damit tut, das Abbröckeln seiner Resonanz überhaupt in den Blick zu bekommen: weder im Kirchenvolk aller Getauften und erst recht nicht im gesellschaftlichen Raum unter den Menschen von heute.
3. Auf das Ehrenamt setzen
Dass die Zahlen dieser »alten« Ehrenamtlichen insgesamt schrumpfen, wird soziologisch und (pastoral-)theologisch vielfach beschrieben und bedacht. Man studiert und diskutiert die heutigen Voraussetzungen, Motivationen und Rahmenbedingungen für das Ehrenamt in der katholischen Kirche. Vor allem aber wird sein zahlenmäßiger Rückgang beklagt . Denn eines tritt überall deutlich zutage: In den großen pastoralen Räumen kann die Seelsorge in den drei kirchlichen Grunddiensten der Verkündigung, Liturgie und Diakonie in der Gemeinschaft Christgläubiger aus finanziellen und personellen Gründen mit den Hauptberuflichen, dem »pastoralen Personal«, nicht mehr in dem Maß »bedient« werden, wie es Pfarrgemeinden in den vergangenen Jahrzehnten gewohnt waren. Und dies, obwohl es seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil neben der Berufsgruppe der Priester verstärkt auch Diakone und mittlerweile zwei pastorale »Laien«-Berufe gibt: die Berufsgruppe der Pastoralreferentinnen und -referenten und die – aus den Seelsorgehelferinnen hervorgegangene – Berufsgruppe der Gemeindereferentinnen und -referenten.
Wer aber – so hört man in kirchlichen Kreisen immer wieder – versorgt die Gemeinden der Zukunft mit den pastoralen Dienstleistungen, wenn man nicht weiter und sogar noch verstärkt »auf das Ehrenamt« setzt? Diese Formulierung verrät das tradierte Denkmodell, das den beschriebenen Umgang mit dem Ehrenamt nach sich zieht. Immer wieder wird so gefragt. Denn diese Frage genau so zu stellen erhält tagtäglich Nahrung.
Gespeist wird sie im pastoralen Alltag zum Beispiel durch das Erleben von jungen Müttern wie der eben erwähnten, die ganz selbstverständlich und oft vehement ihre Erwartungen an eine »schöne« Vorbereitungszeit ihrer Kinder auf die Erstkommunion äußern, ohne dass sie ihr Inhalt wirklich bewegt. Vor allem soll es ein schönes Fest werden. Diese Mütter empfinden sich als »Kunden«, die ein Recht haben auf eine bestimmte pastorale Dienstleistung. Eine Überforderung für das geringer werdende pastorale Personal, das es in immer mehr Gemeinden mit immer mehr solcher Konsumenten zu tun bekommt, bei denen die Erwartungshaltung vorherrscht: »Die Hauptberuflichen sollen das machen. Sie haben schließlich studiert und werden dafür bezahlt!«
Viele Seelsorgerinnen und Seelsorger erhöhen deshalb ihre Anstrengungen in der Entwicklung von Konzepten und im Management ihrer Umsetzung, für die sie auf das Ehrenamt setzen , also auf die Suche nach Ehrenamtlichen gehen. Mehr denn je sehen sie sich herausgefordert, Ehrenamtliche zum Mitmachen zu gewinnen. Je nach Situation vor Ort, ob in eher dörflich oder eher städtisch geprägten Strukturen, mit mehr oder weniger Erfolg.
Für vorgegebene Aufgaben auf das Ehrenamt setzen zu müssen bei gleichzeitiger Abnahme der Rekrutierungsmöglichkeiten für solche Aufgaben, das ist ein Dilemma. Langfristig wird man nirgends aus ihm herausfinden, zumindest so lange nicht, wie man am Modell der »Versorgungs-« und »Mitmach-Kirche« festhält.
Im Dunstkreis dieses Dilemmas bewegen sich auch die Überlegungen dieses Buches.
Es kann sich auch seinem Anliegen gegenüber das Unbehagen einschleichen, dass hier jemand unter der Überschrift »Getauft und engagiert« die Neuauflage tradierter Rekrutierungsversuche probt, weil die beruflichen Seelsorger allein nicht mehr alles leisten können, was pastoral (noch) wünschenswert ist. Allzu eingefahren ist im gewohnten mentalen Horizont der »Mitmach-Kirche« die Beziehung: getauft und engagiert – natürlich: im kirchlichen Ehrenamt!
Zwischen Engagement und (kirchlichem) Ehrenamt gibt es aber keine einfache Gleichung mehr. Ein Umstand, den innovative Seelsorgerinnen und Seelsorger bejahen und im Übergang in einen anderen mentalen Horizont kreativ gestalten. Das gilt es zu erklären.
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