„Primum itaque profitetur et asserverat Sacra Synodus Deum Ipsum vias generi humano notas fecisse per quas, Ipsi inserviendo, homines in Christo salvi et beati fieri possint. Hanc unicam veram Religionem subsistere credimus in catholica et apostolica Ecclesia, cui Dominus Iesus munus concredidit eam ad universos homines diffundendi, dicens Apostolis: ‘Euntes ergo docete omnes gentes baptizantes eos in nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti, docentes eos servare omnia quaecumque mandavi vobis’ (Mt. 28,19–20).” 344
Der „Textus denuo recognitus“ verändert diesen Passus noch einmal dahingehend, dass das „asserverat“ ausgelassen wird und der Plural „Wege“ („vias“) zum Heil, die („quas“) Gott den Menschen offenbar gemacht habe, um in Christus das Heil zu finden, in den Singular gesetzt wird. Fortan ist also nur noch von einem Weg („viam“) zum Heil die Rede, was mit der „einzigen wahren Religion“ („unicam veram Religionem“) korrespondiert, die das Konzil in der (römisch-)katholischen Kirche verwirklicht sieht und an dieser Stelle deutlich hervorhebt.
Damit verstärkt sich die Annahme, dass mit dem „catholica“ im Sinne der dritten nota die (römisch-)katholische Kirche explizit ausgesagt wird, um deren einzigartige Qualität im Sinne von Glaubensfülle und -wahrheit zu unterstreichen (qualitative Katholizität), verwirklicht sie doch als „einzige wahre Religion“ die Catholica des Glaubensbekenntnisses in vollkommener Weise. Diese Interpretation ist gestützt durch die Tatsache, dass die Aufnahme des Passus nur aus dem Grund erfolgte, um eine dem Papier inhärente Beliebigkeit auszuschließen. Damit aber muss diese Passage inhaltlich als Rückschritt hinter das weiter gefasste Verständnis des „subsistere“ in LG 8 gewertet werden, wo ja das frühere exklusive Selbstverständnis der katholischen Kirche („est“) in ein bewusst „weiteres“ („subsistit in“) geändert wurde. Auch steht die exklusive Verwendung des „catholica“ in DiH 1 in einem gewissen Widerspruch zu der sonst in den Konzilstexten herauszulesenden „weiteren“ Verwendung, wo in inkludierender Weise auf die in ihrer Katholizität gründende Fülle und Weite der (römisch-)katholischen Kirche abgezielt wird, die – nach (römisch-)katholischem Verständnis zwar in graduell verschiedener Weise – allen christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften gleichermaßen zukommt.
Die weiteren Belegstellen sprechen allesamt in konfessioneller Lesart entweder von der „katholischen Lehre“ („doctrina catholica“ in DiH 1,3 und DiH 10), von der „katholischen Kirche“ („Ecclesia catholica“ in DiH 14,1.3) oder von den „Katholiken“ („Catholici“ in DiH 15,3).
Am 7.12.1965 erfolgte ebenfalls die Abstimmung über das Dekret „Ad gentes“, das mit nur fünf Neinstimmen die größte Zustimmung unter allen Konzilsdokumenten erzielte. 345Im Dekret lassen sich 19 Belegstellen für das Adjektiv „catholica“ bzw. die Substantive „catholici“ und „catholicitas“ finden (AG 1,1; AG 4 inklusive Fußnote 21; AG 6,2.6; 7,1; 15,3.7 sowie Fußnote 23 zu AG 15,3; AG 17,3; 20,7; 22,2; 36,2; 38,3; 39,2; 40,1; 41,2 sowie in der Fußnote 46 in AG 8).
AG 1 spricht unter Rückbezug auf die Kirchenkonstitution Lumen gentium vom Wesen der Kirche als allumfassendem Sakrament des Heils (vgl. LG 48) und stellt die Sendung der Kirche heraus, allen Menschen die Frohe Botschaft zu verkünden. Diese Sendung sieht das Missionsdekret in der ihr eigenen Katholizität („catholicitas“, AG 1,1) sowie im Missionsbefehl Christi (vgl. Mk 16,15) begründet. 346Hier wird deutlich, dass die extensive Katholizität der Kirche (ihre Weite und Offenheit gegenüber denen, die noch nicht zum Glauben gefunden haben) notwendig rückgebunden ist an ihre intensive Katholizität (ihre sakramentale Fülle, die ihr in und durch Christus geschenkt ist) bzw. dass die extensive Katholizität der Kirche innere Konsequenz ihrer intensiven Katholizität ist. Das, was gültig und wahr zu sein beansprucht, weil es die ganze Fülle Christi auf sakramentale Weise in sich trägt, hat universale Heilsbedeutung für alle Menschen und ist für alle bestimmt. Die qualitative Fülle und Ganzheit von Kirche (intensive Katholizität) drängt auf ihre quantitative Weite und Ganzheit (extensive Katholizität). 347
In AG 4 wird – nachdem AG 3 das Heilswirken Gottes in der Welt in Jesus Christus entfaltet hat – Gottes Wirken in der Welt durch die Kraft des Heiligen Geist thematisiert. Den Konzilsvätern ist bewusst, dass der Heilige Geist bereits vor der Menschwerdung Jesu von Beginn der Welt an (vgl. Gen 1) in dieser wirkte; sie betonen aber, dass mit der Geistsendung am Pfingsttag dieses Wirken des Heiligen Geistes in der Welt in qualitativer Weise eine Steigerung erfuhr, als er von Gott auf die Apostel und somit auf die werdende Kirche herab gesandt wurde, um diese zu befähigen und zu beauftragen, an der Sendung Christi teilzuhaben und am Auferbau des Reiches Gottes und der Kirche mitzuwirken. Das Missionsdekret bezeugt den Heiligen Geist als „inneren Motor“ der Sendung der Kirche, welcher die Ausbreitung der Kirche voranbringt (vgl. AG 4); darin erweist sich der Heilige Geist als inneres Konstitutivum der Kirche und ihrer Katholizität. Im Fortgang spricht AG von der geistgewirkten „Katholizität des Glaubens“ („fidei catholicitas“, vgl. AG 4) – hier im quantitativen Sinne von „Weite“ und „Offenheit“ gedacht – die sich darin erweise, dass durch die Aufnahme der Heiden in die junge Gemeinschaft der Kirche die von Gott immer schon gewollte Einheit aller Menschen vorausgebildet und anfanghaft konkretisiert worden sei. Es ist die „alle Differenzen und Abgrenzungen überspannende Weite des Geistes“, die dies bewirkt und die sich zeigen soll „in der Offenheit der Kirche auf alle Sprachen und das liebende Verstehen aller Sprachen und Kulturen“ 348. Hier äußert sich die der Katholizität eigene Spannung von Einheit und Vielheit, nämlich in der inneren Verwiesenheit auf die Einheit und Fülle des Glaubens (qualitative Katholizität) einerseits und in der vielfältigen Gemeinschaft und Weite der Kirche (quantitative Katholizität) andererseits.
Fußnote 21 in AG 4 führt als Beleg für die Katholizität („Weite“) des Glaubens, die sich im Sprachenwunder des Pfingsttages erstmals erwiesen hat und in der Vielfalt der Sprachen der doch nur einen Kirche fortsetzt, verschiedene Schriften von Augustinus, Johannes Chrysostomos, Cyrill von Alexandrien und Fulgentius an mit dem Hinweis: „Die Kirche spricht alle Sprachen und sammelt so alle in der Katholizität des Glaubens“ („Ecclesia omnes linguas loquitur, et sic omnes colligit in Fidei catholicitate“ (Fußnote 21, AG 4). Die notwendige Weite der Kirche (Vielfalt) ist immer schon gebündelt in ihrer notwendigen Einheit, so dass Vielfalt und Weite nicht Vereinzelung meinen, sondern das Zielen auf das Ganze bzw. Eine.
In AG 6 wird dieser Zusammenhang deutlicher, wenn AG expressis verbis von der „katholischen Fülle“ („in catholicam plenitudinem“, AG 6,2) und der „katholischen Einheit“ („catholicam unitatem“, AG 6,6) spricht: Gemäß ihrer Sendung und kraft ihrer missionarischen Tätigkeit sucht die Kirche die Vielen, sprich alle Menschen, Rassen und Völker aller Orten und Zeiten in die ihr durch Christus geschenkte sakramentale Fülle aufzunehmen (vgl. AG 6,2), um so ihre wesensgemäße Einheit bzw. Ganzheit zu vervollkommnen (vgl. AG 6,6). Umfasst Kirche nach ihrem Selbstverständnis zwar schon die „Gesamtheit bzw. Fülle der Heilsmittel“ (AG 6,2), verwirklicht sie also schon in ihrem Wesen und Wirken die Anteil-Gabe der Heilsuniversalität Christi (intensive Katholizität), so muss sie diese doch im Sinne einer bleibenden Auf-Gabe immer wieder neu realisieren und in ihren Gläubigen sowie unter allen Menschen verwirklichen (extensive Katholizität), weshalb „das Ziel der Mission primär im Gegenwärtig-Setzen der ganzen institutionellen und sakramentalen Fülle der Kirche für die Völker bzw. die Menschen besteht.“ 349
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