Wir müssen keine unbequeme Haltung einnehmen, nicht Om singen und keine Räucherstäbchen anzünden, um zu meditieren. Es reicht, auf einem Stuhl oder einem Kissen am Boden Platz zu nehmen. Aber wir müssen regelmäßig praktizieren. Wenn du Klavierspielen oder Basketballspielen lernen willst, reicht es auch nicht aus, darüber zu lesen oder es einmal zu versuchen, um spielen zu können wie Beethoven oder Ben Simmons. Dasselbe gilt für die Meditation. Wir müssen regelmäßig meditieren, um unsere Fähigkeit zur achtsamen Aufmerksamkeit aufzubauen. Wer täglich meditiert, legt damit den Grundstein für ein ruhigeres, entspannteres und achtsameres Leben.
Gewohnheiten schränken die Freiheit nicht ein. Sie schaffen Freiheit.
James Clear, Verhaltens-Coach
Meditation bedeutet nicht (ich wiederhole: nicht ), den Geist zu leeren. (Entschuldige, wenn ich das so demonstrativ schreibe. Aber es ist mir wichtig, dass diese Information ankommt, denn es handelt sich hier um eines der größten Missverständnisse, die mir je begegnet sind.) Unser Geist ist dazu geschaffen, zu denken. Die Meditation hat die Aufgabe, uns mit unseren unaufhörlichen Gedanken anzufreunden und ihnen zu erlauben, sich niederzulassen. Eine Schneekugel ist ein hervorragender Vergleich: Wenn wir gestresst und überfordert sind, ähnelt unser Geist einer Schneekugel, nachdem sie ordentlich geschüttelt wurde. Es ist unmöglich, durch die tanzenden Flocken hindurch etwas zu erkennen. Wenn wir ein paar Mal tief durchatmen, können sich unser Geist und unser Körper etwas beruhigen. Die Flocken in der Schneekugel sinken zu Boden. Die Stressfaktoren sind damit nicht verschwunden, aber die Sicht ist besser geworden. Jetzt können wir kreativer denken, Probleme leichter lösen und uns mit dem beschäftigen, was zählt. Wenn nur ein paar bewusste Atemzüge das bewirken können, kannst du dir vorstellen, welche positiven Auswirkungen fünf volle Minuten der Mediation haben können.
Die neurowissenschaftliche Forschung hat nachgewiesen, dass regelmäßiges Meditieren Form und Funktion des Gehirns beeinflusst. Der präfrontale Cortex (wo Probleme gelöst, Pläne geschmiedet und Emotionen kontrolliert werden) und der Hippocampus (wo Erinnerungsvermögen und Lernen angelegt sind) nehmen an Größe zu, während die Amygdala (die bei der Kampf-oder-Flucht-Reaktion aktiv wird und die emotionale Reaktivität steuert) allmählich schrumpft. 5Das ist noch nicht alles. Bestimmte Verbindungen zwischen den verschiedenen Bereichen des Gehirns werden schwächer, während andere sich verstärken. Zusammengenommen werden emotionale Reaktionen gedrosselt zugunsten von größerer Aufmerksamkeit und besserer Konzentration.
Wenn wir uns von dem unaufhörlichen Geschwätz um uns herum nicht zukleistern lassen wollen, müssen wir uns bewusst Momente der Stille zugestehen. Für manche ist der Gedanke an Stille beklemmend, während andere sie als eine wohltuende Pause für unsere überlasteten Sinne empfinden. Für viele ist es schon einige Zeit her, dass sie eine längere Phase der Stille erlebt haben. Eine große Rolle spielt dabei, ob wir eher introvertiert oder extrovertiert sind, an welcher Station unseres Lebens wir stehen und in welchem Maße unsere Sinne Tag für Tag stimuliert werden. Wenn wir in unserem Leben keine Zeit für Stille haben, sie uns nicht zugestehen, nehmen wir uns selbst und anderen die Chance, das Beste in uns zu entdecken und zu genießen, was wir als Freundin, Partnerin, Mutter, Kollegin und Frau zu bieten haben. Im Rahmen meines Meditationsunterrichts konnte ich beobachten: Wer einmal Stille erlebt hat, entwickelt ein wachsendes Verlangen danach. Ruhig dazusitzen und die Gedanken zu sortieren, ohne sich von den Gefühlen, die sie auslösen, überwältigen zu lassen, vermittelt uns Klarheit und Einsicht, die unserem Leben einen positiven Antrieb geben.
Wann?Probiere verschiedene Tageszeiten aus, um herauszufinden, wann für dich die beste Zeit zum Meditieren ist. Wenn du einen guten Zeitpunkt in deinem Tagesablauf gefunden hast, dann bleib dabei. Zu Regelmäßigkeit findest du am ehesten, wenn du die Meditation zwischen zwei bereits bestehende Gewohnheiten einschiebst. Zum Beispiel morgens: Du stehst auf, wäschst dich, meditierst und trinkst dann deinen Kaffee. Für mich ist die beste Zeit frühmorgens, wenn im Haus noch Ruhe herrscht. Mir gefällt daran auch, dass ich damit einen guten Start in den Tag habe. Aber du findest es vielleicht angenehmer, vor dem Schlafengehen mit Meditation herunterzukommen, in der Mittagspause im Büro hinter verschlossener Tür zu meditieren, oder nach der Arbeit zum Übergang ins Privatleben zu Hause. Es kann sein, dass dein Terminkalender es nicht zulässt, immer zur selben Zeit zu meditieren. Das macht nichts, solange du dir jeden Tag einen Termin gibst – und zwar in der Rubrik „dringend“.
Wo?Finde einen möglichst ruhigen Ort, an dem dich keiner stört. Mache deiner Familie, deinen Haustieren, deinen Kollegen klar, dass du nur im äußersten Notfall gestört werden darfst. Natürlich können wir unser Umfeld nicht vollständig unter unsere Kontrolle bringen. Vielleicht hörst du den Verkehrslärm draußen oder bekommst eine Unterhaltung im Flur mit. Lass diese Geräusche einfach Teil deiner Meditation werden. Wenn du einen Ort im Freien findest, wo du ungestört meditieren kannst, ist das eine schöne Alternative.
Warum (mache ich das schon wieder)?Es ist unvermeidlich, dass du dich irgendwann fragen wirst, warum in aller Welt du volle fünf Minuten lang dasitzt, ohne irgendetwas zu tun. Sieh es als einen Zweifel, der zu erwarten war. Erinnere dich, dass du dir diese Zeit nimmst, um deinen Verstand und dein Gehirn zu trainieren. So, wie du mit Kniebeugen deine Gesäßmuskulatur trainierst. Jedes Mal, wenn du deine Gedanken zurück zu deinem Fokus lenkst, stärkst du den Achtsamkeits-Muskel deiner Aufmerksamkeit. (Pilates fürs Gehirn?) Wenn dir die Meditation zur Gewohnheit geworden ist, wirst du sie vermissen, sobald du damit aussetzt. Du wirst dich auf das nächste Mal freuen, weil es dich nährt. Gestehe dir genügend Zeit zu, diesen Zustand zu erreichen.
Wie?Für Anfänger können Audioguides eine Hilfe sein. Auf meiner Website shondamoralis.netfindest du eine kostenlose fünfminütige Anleitung (und eine Kaffee-Meditation!) zum Downloaden. Du kannst auch eine der mittlerweile zahlreichen Apps benutzen. Wenn du dich mit der Technik vertraut gemacht hast, findest du es vielleicht schöner, ohne fremde Hilfe zu meditieren.
Such dir einen geeigneten Stuhl. Im Sitzen sollten deine Füße bequem auf dem Boden stehen. Du kannst dich auch auf einem Kissen auf den Boden setzen. Richte dein Becken, den Oberkörper und die Wirbelsäule auf, entspanne die Schultern und schließe die Augen. Sei neugierig und entdecke, welche Empfindungen das in deinem Körper auslöst. Taste ihn im Geiste Stück für Stück ab, beginne bei den Fußsohlen und arbeite dich systematisch bis zum Kopf hoch. Spüre verspannte Zonen auf. Sind deine Schultern hochgezogen? Runzelst du die Stirn? Kannst du diese Spannungen lösen? Kannst du die kleinen Muskeln rund um Mund und Augen entspannen?
Nun zu deinem Bauch: Beobachte, wie er sich mit jedem Ein- und Ausatmen hebt und senkt. Du musst nicht extra tief Luft holen, atme ganz normal. Mache dir Anfang und Ende jeder Atembewegung bewusst. Vielleicht machst du zwischen Ein- und Ausatmen automatisch eine kleine Pause? Wenn deine Aufmerksamkeit vom Atmen abschweift, stelle kurz fest, was sie abgelenkt hat: Hast du etwas geplant, erinnert, bewertet, fantasiert, überdacht? Lenke deine Aufmerksamkeit behutsam zurück auf den Atem in deinem Bauch und beginne von vorne. Du bist vielleicht enttäuscht, wenn deine Aufmerksamkeit nachlässt, und fragst dich: Was mache ich falsch? Warum kann ich mich nicht länger als 20 Sekunden auf meinen Atem konzentrieren? Erkenne, dass das eine Wertung ist, und kehre zum Atmen zurück. Jedes Mal, wenn sich deine Gedanken verselbstständigen, bringst du sie sanft zurück zum Atmen. Wenn deine Gedanken sich in fünf Minuten 50 Mal entfernen, bringst du sie 51 Mal zum Atmen zurück.
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