1. Die Juden hassen die Heiden, die durch Christus zum Gottesvolk hinzugekommen sind:
„Sie wollen’s nicht, sie können’s nicht leiden, dass wir Heiden ihnen vor Gott gleich sein sollten und dass der Messias für uns Trost und Freude sein sollte so gut wie für sie. Ehe sie das litten, sage ich, dass wir Heiden, die von ihnen ohn Unterlass verspottet, vermaledeit, verflucht, gelästert, geschändet werden, mit ihnen am Messias teilhaben und ihre Miterben und Brüder heißen sollten, kreuzigten sie eher noch zehn Messiasse und schlügen Gott – wenn dies möglich wäre – selber tot mit allen Engeln und allen Kreaturen, und wenn sie tausend Höllen statt einer (damit) verdienten. […]
Sie haben solchen giftigen Hass gegen die Gojim (Heiden) von Jugend auf von ihren Eltern und Rabbinen eingesogen und saugen (ihn) noch in sich ohn Unterlass, dass es ihnen … ganz und gar zur Natur und zum Leben geworden ist. Und so wenig sie Fleisch und Blut, Mark und Bein ändern können, so wenig können sie diesen Stolz und Neid ändern; sie müssen so bleiben und verderben, wenn Gott nicht sonderlich hohe Wunder tut.“ 21
Doch: Wer hasst hier wen? Und schreibt Luther hier nicht eine „Natur“ des Juden fest?
2. Die Juden sind geldgierige Räuber:
„Sie leben bei uns zu Hause, unter unserem Schutz und Schirm, brauchen Land und Straßen, Markt und Gassen. Und die Fürsten und die Obrigkeit sitzen dabei, schnarchen und haben das Maul offen, lassen die Juden aus ihrem offenen Beutel und Kasten nehmen, stehlen und rauben, was sie wollen, d. h. sie lassen sich selbst und ihre Untertanen durch der Juden Wucher schinden und aussaugen und mit ihrem eigenen Geld sich zu Bettlern machen […] Wenn ein Dieb zehn Gulden stiehlt, so muss er hängen; raubt er auf der Straße, so ist der Kopf verloren. Aber ein Jude, wenn er zehn Tonnen Gold stiehlt und raubt durch seinen Wucher, so ist er (uns) lieber als Gott selber.“ 22
Vergessen ist die Tatsache, dass die Christen den Juden Arbeitsverbote erteilt und sie in den Geldverleih getrieben haben. Stattdessen bedient und verschärft Luther das gängige Vorurteil über den Wucherjuden. Von den Vorwürfen ist es nur ein kleiner Schritt zum Wunsch, sich die Juden vom Leibe zu halten:
„Wir wollten gerne (ein) Geschenk dazu geben, dass wir sie los wären. Denn sie sind uns eine schwere Last wie eine Plage, Pestilenz und lauter Unglück in unserem Lande […].
Sie halten uns Christen in unserem eigenen Lande gefangen, sie lassen uns arbeiten im Nasenschweiß und Geld und Gut gewinnen; dieweil sitzen sie hinter dem Ofen, faulenzen, pompen und braten Birnen, saufen, leben sanft und wohl von unserem erarbeiteten Gut, halten uns unsere Güter gefangen durch ihren verfluchten Wucher.“ 23
„Die Juden sind unser Unglück“ wird es später in der antijüdischen Propaganda des Nationalsozialismus heißen. Luther redet geradezu einer Verteufelung der Juden das Wort:
„Darum wisse du, lieber Christ, und zweifle nicht daran, dass du nächst dem Teufel keinen bittereren, giftigeren, heftigeren Feind hast als einen rechten Juden, der mit Ernst ein Jude sein will.“
Und:
„Darum, wo du einen rechten Juden siehst, magst du mit gutem Gewissen ein Kreuz für dich schlagen und frei (und) sicher sprechen: ‚Da geht ein leibhaftiger Teufel‘.“ 24
Immer mehr steigert sich Luther in die wahnhafte Vorstellung hinein, die Juden seien „Christus- und Christenmörder“, während die Christen Schuld auf sich laden, indem sie das alles mit sich machen ließen und in Liebe den Juden begegneten.
„Wir fluchen ihnen nicht, sondern wünschen ihnen alles Gute, leiblich und geistlich, herbergen sie bei uns, lassen sie mit uns essen und trinken, wir stehlen und zerstechen ihre Kinder nicht, vergiften ihr Wasser nicht, uns dürstet nicht nach ihrem Blut.
Womit verdienen wir denn solchen grausamen Zorn, Neid und Hass dieser großen, heiligen Kinder Gottes?
Es ist nicht anders als wie oben aus Mose angesagt, dass sie Gott mit Wahnsinn, Blindheit und rasendem Herzen geschlagen hat.
Deshalb ist es auch unsere Schuld, dass wir das große unschuldige Blut, das sie an unserem Herrn und an den Christen dreihundert Jahre lang nach der Zerstörung Jerusalems und bis heute an den Kindern vergossen haben (was heute noch aus ihren Augen und aus ihrer Haut scheint), nicht rächen, sie nicht totschlagen, sondern sie für all ihren Mord, Fluchen, Lästern, Lügen, Schänden frei bei uns sitzen lassen, ihre Schule, Häuser, Leib und Gut schützen und schirmen, womit wir sie faul und sicher machen und helfen, dass sie getrost unser Geld und Gut uns aussaugen, dazu uns verspotten, uns anspeien, ob sie nicht zuletzt unser mächtig werden könnten.“ 25
Die Projektion eigener Gewaltfantasien auf die Juden ist offensichtlich. Und dass es gar als christliche Schuld angesehen wird, wenn Christen die Juden nicht totschlagen, kommt einem Aufruf zum Töten gefährlich nahe. 26
Schließlich werden die antijüdischen Ressentiments vermischt mit religiösen Motiven und mit dem Feuer des göttlichen Zorns legitimiert:
„Was wollen wir Christen nun mit diesem verworfenen, verdammten Volk der Juden tun? Dulden können wir es nicht, nachdem sie bei uns sind und wir solches Lügen, Lästern und Fluchen von ihnen wissen […] Ebensowenig können wir das unauslöschliche Feuer des göttlichen Zorns – wie die Propheten sagen – löschen noch die Juden bekehren.
Wir müssen mit Gebet und Gottesfurcht eine scharfe Barmherzigkeit üben, ob wir doch etliche aus der Flamme und Glut erretten könnten.“ 27
„Scharfe Barmherzigkeit“– was für eine merkwürdige, unbiblische Wortschöpfung. Was Luther darunter versteht, führt er im Folgenden aus: „Ich will meinen treuen Rat geben.“
Seine sieben konkreten Ratschläge an die politische Obrigkeit zum Umgang mit den Juden sind erschreckend.
„Erstens soll man ihre Synagogen oder Schulen mit Feuer anstecken und, was nicht verbrennen will, mit Erde überhäufen und zuschütten, dass kein Mensch einen Stein oder eine Schlacke davon sehe ewiglich. Und das soll man unsrem Herrn und der Christenheit zu Ehren tun, damit Gott sehe, dass wir Christen seien und solch öffentliches Fluchen und Lästern seines Sohnes und seiner Christen nicht mit Wissen geduldet noch (darin) eingewilligt haben […].
Zum andern soll man auch ihre Häuser desgleichen zerbrechen und zerstören […]. Dafür mag man sie etwa unter ein Dach oder in einen Stall tun, wie die Zigeuner, damit sie wissen, sie seien nicht Herren in unsrem Lande, wie sie sich rühmen, sondern im Elend und gefangen […].
Zum dritten soll man ihnen alle ihre Betbüchlein und Talmudisten nehmen, in denen solche Abgötterei, Lügen, Fluch und Lästerung gelehrt wird.
Zum vierten soll man ihren Rabbinen bei Leib und Leben verbieten, hinfort zu lehren […].
Fünftens soll man den Juden das Geleit und die (freie) Straße ganz aufheben […]. Sie sollen daheim bleiben […].
Sechstens soll man ihnen den Wucher verbieten und ihnen alle Barschaft und Kleinodien an Silber und Gold nehmen und es zur Verwahrung beiseitelegen […].
Siebentens soll man den jungen, starken Juden und Jüdinnen Flegel, Axt, Karst, Spaten, Rocken, Spindel in die Hand geben und sie ihr Brot verdienen lassen im Schweiß der Nase […]. Befürchten wir aber, dass sie uns an Leib, Weib, Kind, Gesinde, Vieh usw. Schaden tun könnten, wenn sie uns dienen oder arbeiten sollen […], so laßt uns […] mit ihnen abrechnen, was sie uns abgewuchert haben; und darnach gütlich geteilt, sie aber auf jeden Fall zum Land hinausgetrieben! Denn, wie gehört, Gottes Zorn ist so groß über sie, dass sie durch sanfte Barmherzigkeit nur ärger und ärger, durch Schärfe aber (nur) wenig besser werden. Darum nur fort mit ihnen!“ 28
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