Design Thinking ist ein Ansatz für praktisches und kreatives Problemlösen, der in Projekten und anderen Kontexten, in denen es um Innovation geht, genutzt werden kann. Er stellt eine breite Palette an Methoden zur Verfügung, die sich durch Benutzerorientierung, Visualisierung, Simulation sowie durch iteratives und oft auch durch forschendes Vorgehen auszeichnen.
Während um das Jahr 2000 herum die Mehrheit der agil arbeitenden Teams in der Softwareentwicklung angaben, dass sie sich an Extreme Programming orientieren, war 2017 Scrum die meistgenutzte agile Methode. Je nach Umfrage arbeiten 85 Prozent oder mehr aller befragten Teams in der IT mit «Scrum», wobei jedes Team mit der Zeit sein eigenes Scrum entwickelt. Wie viel Software in den vergangenen Jahren prozentual mit klassischen bzw. mit agilen Vorgehensmodellen entwickelt wurde, ist schwer zu sagen. Ein Trend zeichnet sich jedoch klar ab: In der Softwareentwicklung gibt es kaum noch ein Unternehmen, in dem nicht zumindest einzelne Teams «agile Luft» schnuppern. Laut dem Unternehmen VersionOne, das seit 2006 jährlich eine Umfrage zum Stand agiler Softwareentwicklung durchführt, setzten im Jahr 2018 bereits 97 Prozent aller Unternehmen in der Softwareentwicklung agile Methoden ein. Die meisten amerikanischen IT-Riesen arbeiten agil, aber auch namhafte europäische und deutsche Unternehmen vergeben IT-Aufträge inzwischen bevorzugt an agile Teams und arbeiten selbst daran, agil zu werden. Über die Erfahrungen auf dem Weg dorthin gibt es bis heute einen regen Austausch auf Konferenzen und an «agilen Stammtischen», um auch Neulinge auf dem Weg zum agilen Denken und Handeln zu unterstützen. Für viele gilt in Anlehnung an die als Sprint bezeichneten Iterationen: «Wir sind einfach losgesprintet – und es hat gut geklappt.»
Wie verändert agiles Denken die Arbeit?
Sicherlich kann man hier aus heutiger Sicht viele Auswirkungen beschreiben, die auf die Verbreitung agiler Methoden zurückzuführen sind, und sie lassen sich je nach Fokus unterschiedlich gewichten. Im Folgenden werden deshalb nur exemplarisch zwei ganz unterschiedliche Aspekte aufgegriffen:
Agile Methoden haben sich in der zunehmend komplexen Welt, in der sich die Softwareentwicklung heute bewegt, bewährt. Selbst «einfache» Suchmaschinen sind inzwischen so komplex, dass auch Experten oft nicht mehr vorhersagen können, wie sich eine Änderung im Algorithmus auswirkt. Also formuliert man im Laufe der (Weiter-)Entwicklung Hypothesen, stellt die veränderte Suchmaschine für kurze Zeit online und wertet die Ergebnisse anschließend aus. Validiertes Lernen aus Experimenten ist eine unverzichtbare Methode moderner Softwareentwicklung geworden, die in klassischen Vorgehensmodellen kaum Platz findet. In agilen Methoden stellt die Freiheit zum Experimentieren hingegen einen Wert dar. Validiertes Lernen fügt sich auf natürliche Weise in die iterativ inkrementelle Entwicklung von Produkten mit regelmäßigen Feedbackschleifen ein, in welcher Kunde und Nutzer eine zentrale Rolle einnehmen.
Agile Methoden stoßen in IT-Unternehmen einen kulturellen Wandel an. Dieser Wandel hat in der Softwareentwicklung sichtbar positive Wirkungen gezeigt, sodass sich die Ideen inzwischen (obwohl Lean Management sie bereits Mitte des letzten Jahrhunderts aufgegriffen hat) auch im modernen Management und außerhalb der IT-Branche wiederfinden. Bildlich gesprochen: Schwerfällige Tanker, in denen oben auf der Brücke getrommelt und unten gerudert wird, sind in bewegter See zu träge. Stattdessen setzt man auf viele kleine, autonome Teams in Kanus, die eigenverantwortlich rudern. Die Klammer, die diese Kanus «lose zusammenhält» und Richtung Ziel lenkt, ist die Kommunikation. Statt als feste Rolle wird Führung als temporäre und «dienende» Aktivität gesehen, die jeder und jede von Zeit zu Zeit ergreift. Agile Unternehmen schätzen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sie vertrauen ihren Fähigkeiten und ihrem Engagement, setzen auf ihre Motivation und sorgen für ein Klima, in dem offen, respektvoll und transparent kommuniziert wird und Erfolge auch gefeiert werden. So macht Arbeit einfach mehr Spaß!
2.2 Agiles Arbeiten – ein Zusammenspiel aus Werten und Praktiken
Agile Werte
Agile Projekte zeichnen sich nicht nur durch den Einsatz verschiedener agiler Methoden aus, auch wenn diese am sichtbarsten sind, wie etwa die vielen bunten Klebezettel an einem Board. Vielmehr basieren agile Projekte auf einer Reihe von Werten, welche die grundlegende Orientierungs- und Entscheidungshilfe für agile Teams auf ihrem selbstgestalteten Weg zum gesetzten Ziel bilden. In Form von konkreten und erprobten Techniken werden die Werte umgesetzt und die agilen Teams bei ihrer Selbstorganisation ideal unterstützt.
Unter Werten werden grundlegende erstrebenswerte Merkmale und Eigenschaften agiler Projekte subsumiert. Typisch positive personenbezogene Wesensmerkmale wie Eigenverantwortung, Zielstrebigkeit, Offenheit und Respekt sind damit korreliert und tragen zu einer positiven Unternehmens- bzw. Schulkultur bei. Als die beiden zentralen Werte agiler Methoden gelten Kommunikation und Einfachheit. Gemeinsam mit den Werten Feedback, Selbstorganisation und Transparenz werden sie nicht nur in der Softwarepraxis gelebt, sondern bilden auch die Basis für die Agile Schule. Darüber hinaus können in agilen Projekten je nach Schwerpunktsetzung auch andere Werte wie bspw. Commitment, Mut oder Fokus wichtig werden.
Abbildung 2.3: Werte, auf die sich die Prinzipien und Methoden der agilen Projektarbeit beziehen
Im Folgenden werden die wichtigsten Werte der Agilen Schule genauer charakterisiert:
Kommunikation ist die Grundlage für gemeinsames Arbeiten und Lernen. In agilen Projekten ist sie die Voraussetzung dafür, dass Wissen regelmäßig und bestmöglich ausgetauscht und innerhalb des Teams verteilt wird. Bei der Übernahme klassischer Vorgehensmodelle wird mitunter auch in Schulen versucht, durch die fließbandartige Abarbeitung von Dokumenten wie Lasten- und Pflichtenheft, Modellen, Klassendokumentationen und Anderem die zwischenmenschliche Kommunikation zu ersetzen. Für agiles Vorgehen ist dagegen die direkte Kommunikation aller Beteiligten zentral. Sie sollte regelmäßig, zielorientiert, offen, ehrlich, und respektvoll erfolgen. Das betrifft auch die Absprachen über (Zwischen-)Ziele und Machbarkeiten im Projekt sowie den Austausch über Einschätzungen, Lösungswege, Entscheidungen und Probleme mit den Teammitgliedern.
Um Ziele zu erreichen, ist Einfachheit sowohl bei der inhaltlichen Arbeit als auch bei der organisatorischen Durchführung eines agilen Projekts zentral. Dabei ist die Leitfrage des KISS-Prinzips («Keep it small and simple») hilfreich für die Fokussierung auf das Wesentliche: Kann ich es sinnvoll einfacher gestalten? Konkret soll in der inhaltlichen Umsetzung nur das implementiert werden, was für die unmittelbare Zielstellung benötigt wird. Unnötige Details hingegen gefährden den Projektfortschritt. Gibt es mehrere Lösungswege, so ist der einfachere zu bevorzugen; er ist leichter nachzuvollziehen und zu verstehen. Dadurch werden später auch die Fehlersuche, das Erweitern und die Pflege erleichtert. Auch zur Projektorganisation werden nur diejenigen Techniken und Praktiken herangezogen, die einen Mehrwert bieten. Welche das sind, muss abhängig vom konkreten Projekt entschieden werden bzw. kann nach Reflexionsphasen angepasst werden. Beispielsweise kann in der Schule auf Rollen, wie sie in Scrum existieren, weitestgehend verzichtet werden.
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