Bert Roebben
Schulen für das Leben
Bert Roebben
Schulen für das Leben
Eine kleine Didaktik der Hoffnung
Mit einem Vorwort von Norbert Mette
Calwer Verlag Stuttgart
„Don’t ask what the world needs .
Ask what makes you come alive, and you do it .
Because the world needs people who have come alive.“
(Howard Thurman, 1899–1981)
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
eBook (epub): ISBN 978–3–7668–4402–6
ISBN 978–3–7668–4395–1
© 2016 by Calwer Verlag GmbH Bücher und Medien, Stuttgart
Alle Rechte vorbehalten.
Wiedergabe, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Verlags.
Umschlaggestaltung: Karin Class, Calwer Verlag unter
Verwendung eines Fotos von Goedele Miseur
Satz und Herstellung: Karin Class, Calwer Verlag
E-Mail: info@calwer.com
Internet: www.calwer.com
eBook-Herstellung und Auslieferung:
Brockhaus Commission, Kornwestheim
www.brocom.de
Inhalt
Vorwort
Einleitung
Eine unerlässliche Frage
Drei Beweggründe
Leadership in der Bildung
Ein Lehr-/ Lernprozess in sieben Schritten
Hoffnung als Leitmotiv
Kapitel 1: Diagnostizierung
1. Praxis
2. Theorie
Zehn Kriterien guten Unterrichts
Festhalten und Loslassen
3. Inspiration
Außenstehende in der Gebärmutter des Lernprozesses
Eine Erzählung über guten Unterricht?
4. Herausforderung
Kapitel 2: Sozialisierung
1. Praxis
Mit-Mensch des Anderen werden
2. Theorie
Teaching for the test
Verletzliche Differenz
Didaktik der Differenz
Verbindendes und verbindliches Lernen
Lernen anhand einer Vision
3. Inspiration
4. Herausforderung
Kapitel 3: Elementarisierung
1. Praxis
2. Theorie
Sache und Person
Der Stamm des didaktischen Baumes
Fünf Schritte der Elementarisierung
3. Inspiration
Der Lehrer als Fachidiot
Der Lehrer als Jazz-Performer
Grenzüberschreitendes Lernen
4. Herausforderung
Kapitel 4: Kommunikation
1. Praxis
2. Theorie
Interreligiöses Lernen als Beispiel
Mehr Mensch werden durch den Dialog
Lernen in der Gegenwart des Anderen
Spirituelle Kommunikation
Der Lehrer als Zuhörer und Ansprechpartner
3. Inspiration
4. Herausforderung
Kapitel 5: Verlangsamung
1. Praxis
Slow food and soul food
Entstöpseln und Verflüssigen
2. Theorie
Ratlosigkeit und Explosivität in der Klasse
Produktive Fremdheit
Pilgernd lernen
3. Inspiration
Daumenlutschen
Tagträume
4. Herausforderung
Kapitel 6: Aneignung
1. Praxis
2. Theorie
Partizipative Identität
Gereifte Identität
Der Lehrer als Seiltänzer
3. Inspiration
4. Herausforderung
Kapitel 7: Menschwerdung
1. Praxis
2. Theorie
Motivierende Lernumgebung wird zu heiligem Boden
Liebe
Ruhe
Schönheit
Berufung
3. Inspiration
Bildung durch „Ent-Bildung“
Leere Hände
4. Herausforderung
Schluss
Anmerkungen
Personenregister
Vorwort
Entscheidend für die Lernerfolge, die Kinder und Jugendliche in der Schule erreichen, sind die Lehrerinnen und Lehrer, die sie unterrichten. Mit seiner Meta-Auswertung (in deutscher Bearbeitung 2013 unter dem Titel „Lernen sichtbar machen“ erschienen) von mehr als 50.000 empirischen Studien zur Unterrichtsforschung aus dem angelsächsischen Bereich hat der australische Bildungsforscher John Hattie ein weltweites Echo ausgelöst und veranlasst, dass der Persönlichkeit des Lehrers bzw. der Lehrerin wieder ein größeres Gewicht beigemessen wird. War doch der Befund, zu dem Hattie gelangt war, eindeutig: Guter Unterricht ist maßgeblich von dem persönlichen, d.h. schülerzugewandten didaktischen Einsatz der Lehrperson abhängig. Damit ist das in der neueren konstruktiven Didaktik verfolgte Anliegen, die Schülerinnen und Schüler dadurch in ihrer Entwicklung zu fördern, dass sie sich möglichst selbständig ihr Wissen erarbeiten und aneignen und so ihre Lernbiographie von sich aus gestalten, nicht obsolet. Aber um das zu erreichen, reicht es nicht aus – so die empirisch zutage geförderte Einsicht –, die Rolle der Lehrperson darin zu sehen, entsprechende Unterrichtsarrangements zu schaffen, die dem selbständigen Lernen förderlich sind, und sich dann auf die Begleitung der Schüler und Schülerinnen zu beschränken. Um zu lernen, sich in einer immer komplexer werdenden Welt zurecht zu finden, und um das dafür erforderliche Wissen zu erwerben, benötigen die Heranwachsenden außer der Möglichkeit, unter ihresgleichen zu experimentieren und Regeln für den Umgang miteinander zu finden, erwachsene Bezugspersonen als Gegenüber, von denen sie sich verstanden, ermutigt und herausgefordert fühlen, immer wieder neues Gelände zu betreten, bereits erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten zu erweitern und zu vertiefen, auf Fehlwege aufmerksam gemacht zu werden usw.
Ohne dass dafür die Studie von John Hattie den Anstoß gegeben hat, verfolgt Bert Roebben mit diesem Buch das Anliegen, vor allem in der Ausbildung befindlichen Lehrern und Lehrerinnen einen Weg zu weisen, auf dem sie für sich lernen können, demnächst guten Unterricht zu erteilen, also ein guter Lehrer bzw. eine gute Lehrerin zu werden. Doch auch Lehrerinnen und Lehrer, die bereits länger in der Schule tätig sind, können dieses Buch mit Gewinn lesen, wenn sie mit seiner Hilfe über ihre Praxis – und sich selbst – zum Nachdenken kommen.
Was von Beginn an bei der Lektüre dieses Buches auffällt, ist sein sprachlicher Duktus. Es ist in einer gänzlich anderen Sprache gefasst, als man es von derzeit weit verbreiteten bildungspolitischen Konzepten her gewohnt ist, die von einer technokratischen Denk- und Sprechweise geprägt sind. Bildung wird auf die Ausbildung, auf den Erwerb der zum Funktionieren in der Gesellschaft, genauerhin in der Wirtschaft erforderlichen Kompetenzen reduziert. Die Schülerinnen und Schüler werden anderen Zwecken untergeordnet, gelten nicht als Zweck an sich. Ähnliches müssen die Lehrpersonen an sich selbst erfahren.
Roebben greift demgegenüber auf Begriffe zurück, die im Vergleich zu der technokratischen Sprache seltsam, gewissermaßen altertümlich wirken: Milde, Seele, Liebe, Geheimnis, Spiritualität, um nur einige zu nennen. Dazu kommt u.a. das Plädoyer für Langsamkeit. Es werden Metaphern verwendet, wenn er etwa den Lehrerberuf mit dem Können eines Jazzperformers oder Seiltänzer vergleicht. In diesem Sprachgebrauch findet Ausdruck, was tiefste Überzeugung des Verfassers ist: Richtschnur für den Beruf des Lehrers sind nicht irgendwelche Interessen von dritter Seite (Gesellschaft, Wirtschaft, Kirche o.ä.), sondern sind die Heranwachsenden; um deren – emphatisch gesprochen – Mensch- bzw. Subjektwerdung als Entfaltung ihrer je unverwechselbar zukommenden Würde ist es zu tun, und zwar mithilfe der verfügbaren Wissensbestände, die sich dafür als hilfreich und unterstützend erweisen. Es sind gewissermaßen die beiden Pole einer Ellipse, zwischen denen sich das Tun des Lehrers bzw. der Lehrerin bewegt: das objektivierte Fachwissen, über das er oder sie für den Unterricht verfügt, und die Person des Schülers bzw. der Schülerin, dem bzw. der damit zur besseren Orientierung für ihr Leben und zur Wahrnehmung ihrer Verantwortung zur Gestaltung der Welt verholfen werden soll. Von daher ist der Lehrerberuf für Roebben nicht bloß ein Beruf im Sinne eines Jobs, sondern er ist Berufung, die nicht zuletzt die Betreffenden in ihrem eigenen Mensch- bzw. Personsein beansprucht und zu ständiger Selbstreflexion anhält.
Читать дальше