Centurien- und Tribusordnung
Bereits in der frühen Republik sind somit drei Formen der Volksversammlung belegt: die Curiatcomitien (comitia curiata) aus personalen »Männervereinigungen«, die Tributcomitien (comitia tributa) aus regional gruppierten Tribus und die Centuriatcomitien (comitia centuriata), die aus der Heeresordnung hervorgingen. Die erste Heeresverfassung wird Romulus zugeschrieben, während die grundlegende Organisation dann unter Servius Tullius im mittleren 6. Jh. v. Chr. geschaffen worden sein soll: »Dann richtete er Klassen und Centurien ein und schuf auf der Grundlage des Census (Vermögen) die folgende für Krieg und Frieden passende Ordnung« (Liv. 1,42,5–43,8; vgl. Dion. Hal. 4,16–22). Diese umfasste:
18 Reitercenturien (= 1800 equites), dann fünf classes (mit 170 centuriae, also 17 000 Mann) Fußsoldaten (pedites), bestehend aus der:
1. classis mit 40 centuriae iuniorum (bis zum 46. Lebensjahr = letztes Dienstpflichtjahr) und 40 centuriae seniorum;
2. classis mit zehn centuriae iuniorum und zehn centuriae seniorum;
3. classis mit ebenso vielen Centurien;
4. classis mit ebenso vielen Centurien;
5. classis mit 15 centuriae iuniorum und 15 centuriae seniorum.
Insgesamt ergibt dies also 188 centuriae, plus zwei centuriae Zimmerleute, zwei centuriae Bläser, eine centuria proletarii = total 193 centuriae.
Falls mit 100 Mann pro Centurie gerechnet wird, wies die Ordnung 19 300 Mann auf, was für die Königszeit und den Anfang der Republik unrealistisch ist. Zu dieser Form haben sich die Centurien erst im Verlauf der Zeit bzw. bis ins 3. Jh. v. Chr. hinein entwickelt, wobei eine Centurie schließlich weit mehr als 100 Mann umfasste. Die politische Ordnung hat in dieser Zeit aber mit dem Heeresaufgebot nichts mehr zu tun, da dieses dafür als ungeeignet erscheint. Demnach liegt eine Abstimmungsordnung vor, die sich aus einer frühen militärischen Ordnung entwickelt hat. Aus diesem Grund fanden die Centuriatcomitien auch stets außerhalb der Stadtgrenze (pomerium) auf dem Marsfeld statt. 36
Da eine eigentliche timokratische Ordnung für die Königszeit und den Anfang der Republik kaum angenommen werden kann, ist eher von einer Dreiteilung in Reiter (equites), Schwerbewaffnete (classis) und Leichtbewaffnete (infra classem) auszugehen. 37Die militärische Ordnung umfasste demnach neben den sozial herausragenden Reitern selbstausgerüstete Fußsoldaten sowie nur leicht bewaffnete Kombattanten. Im Zentrum standen die Reiter und besitzenden Bürger der späteren ersten Klasse, welche das eigentliche Aufgebot (classis) bildeten. Die anderen waren anfänglich infra classem und konnten mit bescheidenem Gerät wie Schlingen, Schleudern und Steinen aufgeboten werden.
Ursprünglich gab es wohl drei patrizische Reitercenturien, geordnet nach den drei Tribus (Tities, Ramnes, Luceres) und 30 Centurien; dann erfolgte eine Verdoppelung auf sechs Reitercenturien (Tities, Ramnes, Luceres priores und posteriores) und 60 Centurien, die in der frühen Republik vermutlich aus beiden Klassen des Fußvolkes (classis und infra classem) rekrutiert wurden. Daraus wurden dann wohl schon im frühen 4. Jh. v. Chr. zwei Legionen formiert (eine Legion zu 60 Centurien), während am Ende des 4. Jhs. v. Chr. bereits vier Legionen zu verzeichnen sind. Das Kommando lag bei den Oberbeamten, ging also im Verlauf der frühen Republik an die Konsuln über. Neben diesen fungierten pro Legion sechs vom Volk gewählte Militärtribunen (tribuni militum) als Stabsoffiziere (Liv. 7,5,8 f.), deren Zahl im Jahre 311 v. Chr. auf 16 erhöht wurde (9,30,3) und bis zum Jahre 207 v. Chr. schließlich 24 erreichte (27,36,14). 38
Für die politische Ordnung ist anzunehmen, dass im früheren 5. Jh. v. Chr. neben der classis als erste Klasse aus der Gruppe infra classem zu Abstimmungszwecken vier weitere Klassen gebildet wurden, die sich nach Ernteerträgen richteten (comitia centuriata bzw. comitiatus maximus), wobei jede centuria in ihrer Klasse eine Stimme erhielt. Dies bewirkte aber auch eine Bevorzugung der Besitzenden, denn die Ritter und die erste Klasse verfügten später über 98 Stimmen bzw. die Mehrheit der 193 Centurien und konnten somit zugleich die Wahl der Konsuln dominieren. Eine einförmige Masse, wie sie Livius schildert, ist jedenfalls nicht festzustellen. Dennoch war eine Einteilung in Vermögensklassen nach Geldansätzen erst um die Mitte des 4. Jhs. v. Chr. bzw. sogar erst nach der Einführung von geprägtem Geld am Anfang des 3. Jhs. v. Chr. möglich. Zur Zeit des 1. Jhs. v. Chr. waren für die Einteilung in die erste Klasse 100 000 Asse (= 25 000 Sesterzen), in die zweite Klasse 75 000 Asse, in die dritte Klasse 50 000 Asse, in die vierte Klasse 25 000 Asse und in die fünfte Klasse 11 000 oder 12 500 Asse vorgeschrieben.
4 Ständekampf und Ständeausgleich
Der sog. Ständekampf zwischen Patriziern und Plebejern gilt als grundlegendes Element der frühen römischen Republik (509–287 v. Chr.). In der römischen Historiografie spielte er allerdings noch keine eigene Rolle und wurde erst in der Neuzeit zu einer Epoche gefasst. Der endgültige Ausgleich wurde dabei mit der lex Hortensia von 287 v. Chr. gleichgesetzt, sodass sich die Konflikte über 200 Jahre hingezogen haben sollen. Dennoch war der grundlegende Gegensatz zwischen Patriziern und Plebejern schon im Verlauf der republikanischen Zeit als konstitutives Element der Frühzeit festgelegt worden. Bei den politischen und ideologischen Auseinandersetzungen in der späten Republik erlangten die Aufstände der Plebs besondere Bedeutung. Sie wurden insgesamt als Vorlage für eine Phase des Ausgleichs bemüht und entsprechend ausgestaltet. 1Den in der Frühzeit getroffenen Entscheiden und Maßnahmen wurde dabei oft offizieller Rechtscharakter zugeschrieben.
Mit der Einrichtung der plebejischen Selbstorganisation bzw. des Volktribunats im frühen 5. Jh. v. Chr. war ein Graben in der Gesellschaft offenkundig geworden. Die führenden Plebejer begannen, die politische Gleichstellung mit den »Vätern« (patres) zu suchen, welche die Ämter und die Sitze im Senat einnahmen. Während für den Senat schon früh Neuzugänge anzunehmen sind, waren die Ämter für die Plebejer immer noch verschlossen. Die Patrizier haben sich zunehmend abgeschottet und als geschlossenen Stand formiert. 2Viele Plebejer hatten weiter gegen die Verschuldung zu kämpfen und waren – angesichts von Getreideknappheit, Hungerkrisen und Seuchengefahr 3– auf Unterstützung angewiesen, um auch militärisch leistungsfähig zu bleiben. Insgesamt fand zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen ein Prozess gegenseitiger Verhandlungen und Annäherungen, aber auch der Abgrenzung statt. Dieser ging Hand in Hand mit der Formierung und Weiterentwicklung der römischen Republik. 4
Zwölftafelgesetz und Dezemvirat
Ein erster wichtiger Schritt für einen gesellschaftlichen Ausgleich und die Festigung des Gemeinwesens überhaupt war das Zwölftafelgesetz aus den Jahren 451 und 450 v. Chr., in denen jeweils ein Zehnmännergremium amtierte (decemviri consulari imperio legibus scribundis; MRR 1,45–47). Das für das Gesetz überlieferte Datum bleibt zweifelhaft, obwohl der Zeitrahmen durchaus stimmig erscheint. Das Gesetz stellte künftig die Quelle allen Rechts dar und blieb lange gültig, sodass es noch zu Ciceros Zeiten in den Schulen gelehrt wurde. Nachdem die ursprünglichen Tafeln im Galliersturm von 387 v. Chr. untergegangen waren, stellten Juristen wohl spätestens im 2. Jh. v. Chr. eine neue schriftliche Fassung der Gesetze her, aus denen sich Zitate erhalten haben.
Diese Überlieferung ist insofern relativ zuverlässig, als sie nicht über die Annalisten lief, auch wenn spätere Ergänzungen nicht auszuschließen sind. Schriftsteller wie Cicero, Festus und Gellius bezogen sich an manchen Stellen darauf und die Juristen Gaius, Pomponius, Paulus und Ulpianus zitierten im 2./3. Jh. n. Chr. daraus. Der wesentliche Inhalt ging dann auch in die Digesten aus der Zeit des Kaisers Iustinian ein, welche die Zitate aus den juristischen Schriften in einem Lehrbuch vereinigten. Aus diesen Quellen ist ungefähr ein Drittel des Gesamtinhalts rekonstruierbar. Soweit der Originalwortlaut erhalten ist, wirkt dieser altertümlich und umfasst knappe Bedingungssätze. Die heute vorliegende Einteilung in Tafeln ist allerdings eine moderne Rekonstruktion. 5
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