Herat, mit seinen 50.000 Einwohnern, sieht wie eine Festung aus, so zahlreich sind die hohen, alten Mauern, die den eigentlichen Stadtkern umschließen. Erfreulich sauber sind die Straßen, deren Reinigung auf recht originelle Weise geschieht. Ein Mann trägt eine Ziegenhaut prall mit Wasser gefüllt auf seinem Rücken wie einen Rucksack und was einst ein Ziegenbein gewesen ist, wird jetzt als Schlauch benützt, aus dem schlenkernd ein Wasserstrahl auf die Straße spritzt.
Weniger genau nimmt man es mit der Reinhaltung des Benzins. Wir erkunden, dass eine Karawanserei begonnen hat, sich auf Autos umzustellen – in Afghanistan spielen sie noch nicht annähernd die gleiche Rolle wie in Persien –, und wirklich, man bringt uns einige offene Kannen. Im Sieb des Trichters sammelt sich alles Mögliche: kleine Steinchen, Stroh und grober Schmutz – der feine macht es sich im Tank bequem. Immerhin, wir hatten Benzin. Doch jetzt ging es ans Zahlen. Sechzig Liter Benzin kosten 748 Stück Afghani-Münzen. Wehe dem, der beim Zählen nervös wird! Es kann ihm passieren, dass er knapp vor dem Ende noch einmal anfangen muss. Wir hatten unsere liebe Not mit diesen Münzen. Vier persische Hundert-Toman-Noten trugen wir in die Wechselstube von Herat und zwei Säcke und ein Kistchen mit Münzen schleppten wir heraus.
Ganz klug bin ich mit den Münzen nie geworden. Da gibt es die »Afghani«, die zu den »Kabuli« im praktischen Verhältnis von 9:10 stehen. Ein Kabuli wieder teilt sich ausgerechnet in 66 Kani. Da gehört schon ein guter Kopfrechner dazu oder eine gewisse Großzügigkeit, sich begaunern zu lassen. Papiergeld gibt es in Afghanistan noch nicht.
So ähnlich die Karawanserei den persischen Autostationen ist, so verschieden waren die Fahrzeuge, die wir erblickten. Ja, sogar eine Marke war vertreten, die sonst nirgends auf der ganzen Welt vorkommt: »Afghan«. Bei näherer Betrachtung stellte sich allerdings heraus, dass es sich um einen Geschäftstrick der tüchtigen Amerikaner handelt, die auf den Kühler und die Motorhaube eines GMT (General Motor Truck) diesen Namen hatten setzen lassen. Was nach Afghanistan geliefert wird, sind im Übrigen meist nur die Fahrgestelle. Alles andere bauen die Söhne des Stammlandes selbst dazu. Karosserien aus schwerem Holz, in Form eines Omnibusses, nicht schön, aber haltbar. Statt der Fenster Drahtgitter, statt der Lederstühle Holzbänke der Länge nach an beiden Seiten. Nicht bequem, aber raumsparend. Und nur selten für die Passagiere gedacht, denn auf dem Boden des Wagens werden so viel Güter aufgestapelt, dass für die afghanischen Reisenden zwischen Gepäck und Dach gerade ein Raum von etwa einem Meter Höhe frei bleibt, in den sie sich brav wie die Sardinen hineinschachteln. Dafür ist die Holzkarosserie außen bunt bemalt, mit Landschaften, Moscheen, Ornamenten – damit können wieder wir in Europa nicht konkurrieren.
Und auch nicht im Entferntesten mit der Findigkeit afghanischer Chauffeure. Sind wir doch einmal vorbeigekommen, als gerade einer dieser Kerle zwischen die Lamellen seines lecken Kühlers eine Masse von zerriebenem Filz, Honig und Mehl strich. Der Kühler hielt dicht! Wir sind dem Wagen zufällig am nächsten Tag noch einmal begegnet und konnten uns selbst davon überzeugen, dass er völlig gebrauchsfähig war.
Im Großen und Ganzen aber ist der Afghane dem Auto nicht freundlich gesinnt. Die vielen Kamelkarawanen und Eselherden, denen wir auf der Weiterreise von Herat nach Kandahar begegnen, sind mit besonderer Vorsicht zu genießen. Wir sind Eindringlinge in ihre jahrtausendalten Rechte und vorläufig – ganz im Gegensatz zu Persien – noch die Schwächeren. Die stolzen Bewohner des Urlajat sind sich ihrer Wichtigkeit als Kameltreiber noch voll bewusst und es ist eine deutliche Ablehnung des Motors bei Mensch und Tier zu spüren. Nur behutsam können wir die Karawanen überholen und befleißigen uns besonderer Höflichkeit.
Das große Fragezeichen an der persisch-afghanischen Grenze: Wird die Einreise mit dem Auto gelingen? Denn internationale Dokumente gab es für Afghanistan nicht.

Afghanistan ist ein streng islamisches Land, das anderen Religionen keine Missionierung (Ausübung) gestattet. Misstrauisch blickt dieser Grabwächter auf die »fremden weißen Teufel«.

Raffiniert: Die Kornschnitter haben eine »verlängerte Hand«, mit der sie mit einem Griff ein großes Bündel Getreide fassen können.

Die meist großen Afghanen sitzen auf meist kleinen Eseln; wenn der Esel müde wird, kann der Reiter mitlaufen, ohne abzusteigen. Man spricht von »sechfüßigen Menscheneseln …«

Windmühle bei Herat. Die Achse ist senkrecht und Matten aus Stroh bilden die Windflügel.
Fachleute sagen, dies sei die älteste Form der Windmühle, stammend aus Zentralasien.

Die »Ark« (Burg) von Herat, in den dreißiger Jahren eine fast uneinnehmbare Festung im Zentrum von Herat. Heute ist sie nur mehr ein Schutthaufen.

Schwieriges Ausweichen auf dem Schotterpfad! Die Esel transportieren Buschwerk der Wüste als Brennmaterial für die Zelte der Nomaden.

Sommer-Residenz des Bürgermeisters von Girischk. Die Hütte aus Reisig wird ständig mit Wasser begossen und ist deshalb erstaunlich kühl.

Webstuhl, primitiv, halb in die Erde hineingebaut (vorne der Sitz des Webers).

Der Hilmend, einer der vielen brückenlosen Flüsse in Afghanistan. Orientalischer Kismet und westliches Glück standen Pate bei der Auffahrt auf solche vorsintflutliche Fähren.

Das waren die Räuber, die afghanische Soldaten aus dem dunklen Verlies zum Fotografieren herauszogen.
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