Sie ahnte nicht, wie nah sie an der Wahrheit vorbeischrammte. Ihm lief ein kalter Schauer über den Rücken. Es lag nicht an Fisiks aufgeladener Weiblichkeit. Das Handy war sein Problem. Es musste unter allen Umständen geheim bleiben, denn es war sein einziger privater Draht nach draußen, der nicht von den Kollegen gehackt werden konnte. Das Telefon schien sie nicht weiter zu interessieren. Er steckte es mit einem stillen Seufzer ein und beglückwünschte sich einmal mehr für die weise Voraussicht, zwei identische Handys angeschafft zu haben.
»Mir kannst du es ruhig verraten«, flüsterte sie und rückte noch einige Zentimeter näher. »Ich sag‘s bestimmt nicht weiter.«
Was führte sie im Schilde? Die körperliche Nähe brachte ihn unwillkürlich ins Schwitzen. Fisik war der Hardwareguru im Bunker, nichts weiter – bisher.
»Ich denke, du solltest dich ein wenig entspannen«, sagte sie.
Ihr T-Shirt löste sich vor seinen Augen in nichts auf. Die nackten Brüste bekräftigten ihre Bemerkung auf eine Weise, der er nichts entgegenzusetzen hatte. Wahrscheinlich lag es daran, dass seine Gedanken immer noch um die ferne Geliebte kreisten. Jedenfalls fiel die Antwort seines Körpers auf den unerwarteten Striptease zu ihrer vollen Entzückung aus. Die CPU der Großhirnrinde fuhr herunter. Der Autopilot des Stammhirns übernahm die Kontrolle. Das genügte vollkommen für den Rest der Nacht. Im letzten Moment hinderte ihn der Klingelton des offiziellen Handys daran, in ihren Mund zu entladen.
»Verdammt, weißt du, wo Fisik steckt?«, fragte Andrei gereizt.
Ahnungslos, was er antworten sollte, da sein Großhirn ausgeschaltet war, ließ er sich das Telefon aus der Hand nehmen. Fisik unterbrach die Arbeit am steifen Glied und sprach ins Handy:
»Hallo?«
»Verdammt, wo steckst du? Warum ist dein Telefon ausgeschaltet?«
Andrei sprach so laut, dass sein Stammhirn jedes Wort hörte.
»Ich bin beschäftigt. Dringender Auftrag von Gott persönlich, schon vergessen?«
»Du kommst heute nicht mehr?«
»Blöde Frage, und überdies ist es schon morgen.«
Sie unterbrach die Verbindung und schaltete sein Handy vorsichtshalber aus. Ein kurzer Zungeneinsatz brachte seinen Schwanz wieder in Stellung.
»Jetzt aber richtig, mein Lieber!«, rief sie aus und saß auch schon auf seinem Schoß.
Mehr als ein paar wenige rhythmische Stöße hielt sein Stammhirn nicht aus. Das System kollabierte gleichzeitig mit dem Samenerguss. Reboot. Sie war noch nicht soweit, presste die Hinterbacken zusammen, um den lahmenden Schwellkörper im Schoß zu halten, während sie masturbierte wie auf Speed, bis sie mit einem Aufschrei über ihm zusammenklappte.
»Andrei!«, war der erste müde Gedanke, den das wiedererwachte Großhirn an sein Bewusstsein sandte.
Fisik zog sich ohne ein weiteres Wort in die Dusche zurück. Zur Not diente der Bunker auch als Wohnung. Bei ihren Projekten war die erforderliche Präsenzzeit kaum abschätzbar. Es würde nicht auffallen, wenn sie zwei hier übernachteten, falls Andrei nicht schon misstrauisch geworden war. Seine Gedanken drehten sich im Kreis oder besser: kreisten in einer Achterbahn um zwei Frauen. Computerprogramme und Betriebssysteme oder Papirossi im Plattenbau kamen nicht vor. Er fühlte sich plötzlich hundemüde. Nach kurzer Toilette legte er sich unter seinem Pult auf dem harten Betonboden schlafen. Jacke und Tasche dienten als Bettzeug.
Vanyas Stimme weckte ihn am frühen Morgen.
»Hat sich die Nacht wenigstens gelohnt?«, wollte er von Fisik wissen.
Sie stand wie aus dem Ei gepellt in frischen Kleidern vor ihrem Gemischtwarenladen, Lötpistole in der Hand.
»Ich kann mich nicht beklagen«, murmelte sie und beugte sich über ein Werkstück, das einem gewöhnlichen Netzwerkkabel von der Stange glich.
»Was bastelst du da?«
Sie versteifte sich, drehte sich langsam zu Vanya um, die Lötpistole gefährlich nah an seinem Auge.
»Ich bastle nicht«, zischte sie.
Vladimir fürchtete, sie würde zustechen und zuckte unwillkürlich zusammen.
»Ich löse Probleme«, fuhr sie weiter, »während du auf deinem Hausboot die Sau rauslässt. Du stinkst.«
Vanya grinste. Er verstand die Schelte als Bestätigung seiner rauen Männlichkeit.
»Die Nacht war wohl doch nicht so erfolgreich«, sagte er lachend und setzte sich an seinen Arbeitsplatz.
Vladimir fiel es schwer, sich auf den Programmcode zu konzentrieren. Immer wieder schweifte sein Blick verstohlen zu Fisik hinüber. Sie reagierte nicht, konzentrierte sich auf ihre Arbeit, als erinnerte sie sich nicht an die Nacht. Er verstand diese Frau nicht, wollte sie im Grunde auch nicht verstehen. Im Übrigen war er damit beschäftigt, seinen Kater mit Tee aus dem Samowar zu lindern. Er fühlte sich wie nach einer Flasche Wodka, übel und leer.
Andrei traf erst gegen Mittag ein. Er warf ein paar bedruckte Seiten auf Vanyas Schreibtisch, die dem Ekspert einen verwunderten Ausruf entlockten.
»Wer zum Teufel verwendet denn heute noch Faxe?«
»Die glorreiche russische Armee«, grinste Andrei.
»Die mit dem modernsten verdammten Supercomputer? Betreiben die den noch mit Dampf?«
Fisik hatte das Fax schon gelesen. Sie strahlte.
»Sieh dir lieber an, was da drin steht. Wir haben das Monster!«
Jubel brach aus im Bunker, in den sogar der stille Fedor einstimmte. Andrei sah auf die Uhr.
»O. K., Leute, uns bleiben noch genau sechs Stunden, um die Machbarkeit zu verifizieren. Schaffen wir das?«
Er erhielt keine Antwort, erwartete auch keine. Es gibt Fragen, die kann man erst im Nachhinein beantworten, also schenkt man sich die Antwort.
»Countdown läuft«, sagte er nur.
Von nun an zählte die große Digitaluhr an der Wand rückwärts: 6:00:00, 5:59:59, 5:59:58 … Sechs Stunden bedeuteten für einen Computer eine halbe Ewigkeit, für einen Programmierer leider nur einen Wimpernschlag. Es war die Aufgabe der Brüder Melnikov, das Monster in die Architektur ihres Systems einzubinden und die benötigten Funktionen zu testen. Sie planten, den Supercomputer als Zahlenfresser zu benutzen, um die Verschlüsselung des Zielsystems zu knacken. Für alle andern Arbeiten trauten sie nur ihren eigenen Systemen. Vladimir sah, wie die beiden schwitzten, und hätte ihnen gerne geholfen, wäre er nicht selbst in Verzug geraten mit der Arbeit am Trojaner. Es bereitete ihm immer noch Mühe, sich zu konzentrieren. Dass Fisik jetzt in aufreizender Pose vor ihm stand, machte die Sache nicht leichter.
»Was liegt an?«
Sein Blick schweifte überallhin, um nicht an den Brustwarzen haften zu bleiben, die sich unter der Bluse abzeichneten. Sie gab ihm das Werkstück, das Vanya als Bastelei interpretiert hatte.
»Das ist unser kleiner Helfer«, sagte sie. »Du brauchst ihm nur noch Leben einzuhauchen.«
Das Ding war nicht zu unterscheiden von einem Kabelende, wie es dutzendweise in jedem Netzwerkserver steckte. Es würde im Kabelgewirr keines Computerraums auffallen. Ihr Design und die Ausführung konnte er nur als genial bezeichnen. Das Gehirn des kleinen Helfers befand sich unsichtbar im Stecker. Das Stück Kabel diente nur als Tarnung. Ein Stecker ohne Kabel würde jedem Techniker sofort auffallen. Nüchtern gab sie die Spezifikationen des nicht einmal Fingernagel großen integrierten Schaltkreises bekannt:
»1 GHz ARM Prozessor, 512 MB RAM, 8 GB Flash Speicher. Du hast ein voll funktionsfähiges Linux System zur Verfügung, mein Lieber.«
»Genial«, wiederholte er laut.
Er steckte das Wunderding in einen freien Port an seinem Computer. Nach wenigen Befehlen öffnete sich ein Fenster mit der bekannten Linux Oberfläche auf seinem Hauptmonitor. Der Zwerg lebte. Er brauchte ihn nur noch für seine Zwecke zu konfigurieren.
»Khorosho«, murmelte sie.
Sie kehrte zu ihrer Werkstatt zurück, um baugleiche Chips in weitere Typen von Steckern einzubauen, wie er vermutete. Da sie nicht genau wussten, was sie vor Ort erwartete, mussten sie für alle gängigen Anschlüsse vorbereitet sein.
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