Phase 1: Verleugnung, Verdrängung, Nicht-Wahr-Haben-Wollen: mit allerletzter Kraft bäumen wir uns gegen das Unvermeidliche auf. Wir wollen es nicht wahrhaben, setzen uns zur Wehr. Aussagen wie „Es kann nicht sein, dass …“, „Ich bin nicht krank“ … begleiten diese Phase, in der geleugnet wird, was nicht mehr zu leugnen ist. Wir scheuen die Konfrontation mit dem Thema unserer Krise (Krankheit, Verlust, Trennung, Tod …).
Phase 2: Ist das Unausweichliche zu unserer Realität geworden, dann folgt der Zusammenbruch und mit ihm brechen im wahrsten Sinne des Wortes unsere Gefühle auf. Wir fühlen uns ohnmächtig, sind frustriert, fühlen uns vom Leben verraten, ungerecht behandelt. Gefühle wie Wut, Angst, Verwirrung, Unsicherheit, Selbstzweifel, Schuld, Scham etc. brechen aus uns hervor. Wir verlieren die Kontrolle. Werden mit unseren Ängsten konfrontiert und hadern mit dem Schicksal: „Warum geschieht das ausgerechnet mir?“, „Was habe ich getan, dass …?“
Dann, nach all der Zeit der Trauer, des Beweinens, der Verzweiflung, der Hoffnungs- und Orientierungslosigkeit beginnen wir uns nach und nach im Leben wieder ganz vorsichtig zurechtzufinden.
In Phase 3 kommen wir langsam wieder zur Ruhe. Unser aufgebrachter Geist beruhigt sich. Wir lernen, immer weniger mit unserem Schicksal zu hadern, stattdessen nehmen wir es an. Wir stellen uns Fragen wie: Was kann ich aus dieser Krise lernen? – Worin besteht ihr Sinn? – Was will sie mich lehren?
In Phase 4 schauen wir uns die Antworten an und überlegen, in welche Richtung wir weitergehen. Wir gehen positiv mit der Krise um, sind an einer Neufindung, an einem Neustart, an Lösungsmöglichkeiten interessiert. Suchen nach Alternativen und orientieren uns neu. Nach und nach schöpfen wir wieder Kraft, finden wieder neuen Mut. Balance stellt sich wieder her. Nach und nach merken wir, dass all das, von dem wir einst glaubten, dass es unser Leben zerstört, immer mehr zum „Geburtshelfer“ für eine zweite und weitaus schönere und reellere Chance Leben wird. Und so wie wir dies immer mehr erkennen, können wir rückblickend auf die vergangenen Ereignisse eines schönen Tages sogar sagen: „Das Leben ist immer für uns.“
Das Leben ist immer für uns – Stimmt das?
Wenn dieser Satz zutrifft, kann ich dann in einer Krise auch eine Chance sehen? – Kann es sein, dass das Leben tatsächlich immer für uns ist? – Ausnahmslos? – Auch in der Krise? – In einer Krise wie dieser, die uns alle weltweit betrifft? – Wie passt das zusammen? – Ist es nicht ziemlich naiv, im Hinblick auf eine solche Krise eine derartige Behauptung aufzustellen und diese dann auch noch öffentlich vertreten zu wollen? – Ist das nicht Irrsinn? – Blanker Hohn?
Ob eine Behauptung wie „Das Leben ist immer für uns“, liebe Leserin, lieber Leser, zutreffen mag, das können letztlich nur Sie entscheiden. Ich wähle mit Absicht diesen ungewöhnlichen Beginn und gebe zu, dass es im ersten Moment so aussehen mag, als könnte eine derartige Aussage niemals zutreffend sein. Denn stehen wir am Anfang einer Krise, dann erschüttert uns diese durch Mark und Bein. Schließlich bringt sie unser gesamtes Lebenskonzept durcheinander und führt im Falle von Corona weltweit zu sehr viel Kummer und Leid. Um es mit einem Bild zu sagen: Das Schiff unseres Lebens gerät derart ins Wanken, sodass Schieflage und Untergang drohen. Man sieht sich nur noch einem gewaltigen Sturm gegenüber, der scheinbar unaufhaltsam ins Chaos führt. Das Einzige, was bleibt, ist die Frage: Was war der Auslöser dafür? – Ungewollt werden wir mit einer gewaltigen Wucht aus dem bisherigen Leben herausgerissen und auf eine „Reise“ geschickt, die so (!) keiner von uns jemals gebucht hat. – Aber warum? – Was ist Sinn und Zweck dieser Krise? – Was ist da irgendwann passiert, dass alles, was wir uns bis zu einem bestimmten Punkt erarbeitet haben, auf einmal nicht mehr funktioniert, sondern wie ein Kartenhaus in sich zusammenfällt? – Oder mit einem anderen Bild gesagt: Wer hat den ersten Dominostein bewegt, der jetzt für uns alle zu diesen Ausmaßen einer weltweiten Katastrophe führt?
Die Welt sucht nach einem Schuldigen im Außen. Irgendjemand muss doch für diese gigantische Misere verantwortlich zu machen sein. Doch was, wenn der ursprüngliche Verursacher nicht im Außen, sondern in jedem von uns selbst zu suchen ist? – Wenn jeder von uns bewusst wie unbewusst im Kleinen wie im Großen irgendwie an dem Ganzen seinen Beitrag geleistet hat? – Eine Provokation meinerseits?
2016 war ich in einer Lebenssituation, die für mich persönlich ähnliche dramatische Ausmaße hatte wie die Krise, die wir derzeit erleben. Daraus ergibt sich für mich heute der Vorteil: die jetzige Krise tut mir nicht mehr weh. Ich kann zuversichtlich auf sie schauen, weil ich so gut wie nichts mehr zu verlieren hab. Tränen sind diesbezüglich mehr als genug geweint. Panik, Angst, nicht zur Ruhe kommen, keinen Schlaf finden usw., das habe ich vor vier Jahren zur Genüge erlebt. Ich stand vor dem Aus und weiß, wie sich dies anfühlt.
Die Angst und Not vieler Menschen, die derzeit vom Schicksal auf Herz und Nieren geprüft werden, kann ich sehr gut nachvollziehen und verstehen. Ich fühle mit ihnen, weil ich nur zu gut weiß, was sie derzeit erleben. Ich weiß und kann es förmlich fühlen, durch welchen Schmerz diese Menschen gerade gehen. Welche Wüste sie gerade durchwandern. Durch welches tiefe Tal der Ohnmacht und Verzweiflung sie gehen. Und ich bin nicht die Einzige, die ein derartiges Schicksal namens Krise mit ihnen teilt. Ich habe viele kennengelernt, denen es ähnlich geht. Manche noch sehr jung an Jahren. Krise kennt weder Alter, noch sozialen Status, noch Geschlecht. Krise hat gänzlich anderes im Sinn. Krise will aufbrechen. Krise will demaskieren. Krise will wandeln. Krise will Erneuerung. Krise will, dass wir endlich die Komfortzone verlassen, in der wir es uns schon viel zu lange eingerichtet haben. Sie schickt uns zunächst auf einen mitunter sehr dramatischen, auf alle Fälle einen sehr unbequemen und harten Weg. Einen sehr steinigen Weg. Einen Weg, den so freiwillig keiner wählen würde. Und doch haben wir ihn zu gehen. Heute, vier Jahre nach meinem persönlichen Kollaps, kann ich sagen: Das Leben bricht uns auf, um unser falsches Denken und Handeln zu korrigieren. Wenn wir im Leben da angekommen sind, dass wir in uns über genügend Ressourcen verfügen, um mit krisenhaften Situationen bewusster umgehen zu können und aus ihnen bzw. unseren Fehlern zu lernen, dann will das Leben von uns, dass wir mehr an Verantwortung übernehmen, dass wir uns unseres Denkens und Handelns, ja selbst unseres Sprechens bewusster werden. Dann will das Leben von uns Entwicklung und Wachstum.
Doch Wachstum wohin? – Noch mehr Leistungs- und Profitdenken? – Noch mehr Wirtschaftskriminalität? – Noch mehr Kriege, persönliche Konflikte, Vorurteile? – Noch mehr Konsumdenken, Konkurrenzdenken, Vergleich, sozialer Neid? – Noch mehr Gier, Heuchelei und Selbstsucht? – Noch mehr Missbrauch und Gewalt? – Noch mehr Tierleid und Artensterben? – Noch mehr Umweltverschmutzung und Raubbau auf unserem Planeten? – Noch mehr debattieren, kritisieren, diskutieren, jammern und streiten? – Noch mehr Oberflächlichkeit? usw. – Ergibt das hier alles denn überhaupt noch einen Sinn? – Heißt das hier wirklich Entwicklung und Fortschritt? Welche Art von Mensch muss hier geboren werden, die ein solches Leben noch lebens- und liebenswert findet? – Will man deshalb den Menschen klonen, um noch mehr Macht über ihn zu haben? – Brauchen wir dafür die Impfpflicht? usw. – Können wir Menschen als soziale Wesen und hoch entwickelte Spezies noch länger so nach diesen Maximen unbewussten Handelns leben?
Wofür bricht uns die Krise auf? – Welche Rolle übernimmt der Virus dabei? – Er setzt unser Leben zurück, um uns absichtlich zu stoppen, damit wir alle miteinander gefordert sind, innezuhalten und uns anzusehen, was wir da tagein, tagaus erschaffen. – Er will, dass wir uns bewusst machen, wie bewusst bzw. wie unbewusst wir unser Leben leben. – Lässt sich ein derartiges Leben denn überhaupt noch Leben nennen, oder haben wir uns alle nur noch im Betriebsmodus des bloßen Funktionierens verloren? Was will Leben wirklich? – Was gehört zu einem wirklich guten Leben dazu? – Ist der Virus eine Einladung im Sinne von: Back to the roots? – An welcher Stelle in unserem Leben haben wir aufs falsche Pferd gesetzt? – Wo sind wir falsch abgebogen? – Wo haben wir angefangen, die ungesunden Entscheidungen zu treffen? – Mit diesen und noch so manch anderen Fragen wurde ich bereits 2016 konfrontiert. Seitdem lerne ich für mich jeden Tag dazu, um besser zu verstehen, was Leben wirklich von mir will. Auf meine Art und auf der Grundlage meiner Herausforderungen habe ich nach Antworten gesucht. Das, was ich für mich dabei erfahren konnte, teile ich mit Ihnen in diesem Buch. Vielleicht kann es Ihnen auf Ihrem Weg dienen. Vielleicht unterstützt es Sie. Vielleicht können Sie – an meinem Beispiel lernend – für sich eine Abkürzung nehmen und müssen nicht so lange wie ich in einem Zustand von Desorientierung, Angst, tiefer Verzweiflung und Verunsicherung bleiben. – Ich wünsche es Ihnen!
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