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Abb. 21: Flores og Blanseflor Flores og Blanseflor (dän.), Kopenhagen 1605, Drucker Laurens Albrecht, Seiten 2–3: Kolumnentitel
Abb. 22: Flores og Blanseflor Flores og Blanseflor (dän.), Kopenhagen 1605, Drucker Laurens Albrecht, Kolophon
Abb. 23: Flores og Blanseflor Flores og Blanseflor (dän.), Kopenhagen 1695, Titelseite
Abb. 24: Flores og Blanseflor Flores og Blanseflor (dän.), Kopenhagen 1695, Seite Aijr, Incipit
Abb. 25: Flores og Blanseflor Flores og Blanseflor (dän.), Kopenhagen 1695, Kolophon
Abb. 26: Flores og Blanseflor Flores og Blanseflor (dän.), Kopenhagen 1745, Titelseite
Abb. 27: Flores og Blanseflor Flores og Blanseflor (dän.), Kopenhagen 1745, Seite A2r, Incipit
Eine erste überlieferungsbezogene Beobachtung dieser Historienbücher besteht darin, dass die Frühdrucke durchgänging jeweils nur eine Erzählung umfassen, während das Manuskript eine Sammlung verschiedener Narrative darstellt. Mittelalterliche Handschriften sind größtenteils Überlieferungsverbünde, wie das auch bei K 4Codex Holmiensis K 4 (Stockholm, Kungliga biblioteket)7Codex Holmiensis K 47 (Stockholm, Kungliga biblioteket) der Fall ist. Gegenüber alleinstehenden Einzeldrucken sind Texte in Sammelhandschriften in stärkerem Maß Bestandteile eines narrativen Ganzen und damit eines übergeordneten Erzählkomplexes, in dem u.a. die unmittelbaren intertextuellen Verbindungen zwischen den einzelnen Narrativen direkt deutlich werden. Eine Betrachtung solcher Überlieferungsverbünde kann, wie die materielle Philologie in jüngster Zeit durch vermehrte Untersuchungen von Gesamtmanuskripten – im Unterschied zu früheren Beschäftigungen mit Einzeltexten, die aus den jeweiligen Handschriftenkonstellationen losgelöst sind – gezeigt hat, durchaus neue Aspekte und Dimensionen eröffnen.
Abb. 28: Flores og Blanseflor Flores og Blanseflor (dän.), Kopenhagen 1745, Kolophon
K 4Codex Holmiensis K 4 (Stockholm, Kungliga biblioteket)7Codex Holmiensis K 47 (Stockholm, Kungliga biblioteket) ist dafür ein sehr gutes Beispiel. Die formelhaften Incipit / Explicit, Prologe, Epiloge, Kolophone stellen Kohärenzen zwischen den Erzählungen her. Deren Position in der Handschrift generiert Bedeutungsebenen und -zusammenhänge, die im einzelnen Narrativ nicht so ausgeprägt angelegt sind und unmittelbar sichtbar werden. Die vorliegende Anthologie feudaler Dichtung und Heldensagenstoffe wird durch einen kanonischen Text eröffnet ( Ivan løveridder Ivan løveridder (dän.)), der christliche Symbolik mit Elementen des hochmittelalterlichen Ritterethos und dem damit verbundenen Liebeskonzept verknüpft. Der zweite Text ( Hertug Frederik Hertug Frederik af Normandi (dän.)) steht in einem ganz ähnlichen Kontext, gewichtet jedoch das Übernatürliche und die damit verbundenen Emotionen stärker. Die dritte Erzählung ( Dværgekongen Laurin Dværgekongen Laurin ) weitet die in den ersten beiden Texten ausgebreitete Thematik ins Märchenhaft–Übernatürlich–Abenteuerhafte aus. In den drei Texten der zweiten Hälfte ( Den kyske dronning Den kyske dronning , Persenober og Konstantianobis Persenober oc Constantianobis , Flores og Blanseflor Flores og Blanseflor (dän.)) stehen Diskurse über Macht, Gender, Emotionen, Erotik, Sexualität, Triebe im Zentrum. Sie stellen die feudalen Thematiken der ersten drei Erzählungen Brautwerbungsnarrativen aus der Perspektive mittelalterlicher Frauenfiguren gegenüber. Dies kommt allein schon durch ihre Präsenz in den Benennungen der Erzählungen zum Ausdruck (auch wenn diese wie gesehen aus späterer Zeit stammen). Den kyske dronning, Persenober og Konstantianobis, Flores og Blanseflor konterkarieren die von den männlichen Protagonisten repräsentierten Ritterideale in Ivan løveridder, Hertug Frederik, Dværkongen Laurin . Was die ersten drei Texte aufbauen, relativieren die letzten drei.2
Demgegenüber bestehen die frühen Druckausgaben der Historienbücher in der Regel aus nur einem einzigen Text. Erst aus späterer Zeit findet sich dann das verbreitete Phänomen von Sammelbänden meist adliger Sammler, die aus verschiedenen Historiendrucken in kleinen Formaten bestehen.3 Solche Sammelbände sind aufschlussreiche Zeugnisse des Umgangs mit der frühneuzeitlichen Druckliteratur, stellen jedoch nur ansatzweise intertextuell konstruierte Diskursfelder wie die mittelalterlichen Sammelhandschriften dar. In den Druckfassungen gewinnen auch anonyme Texte wie Flores og Blanseflor Flores og Blanseflor (dän.) , Persenober og Konstantianobis Persenober oc Constantianobis , Dværgekongen Laurin Dværgekongen Laurin an Transmissionsautonomie und dadurch an ,autorloser Autorität‘ als in sich geschlossene Werke.
Besonders vielfältig und aufschlussreich ist die frühneuzeitliche Transmissionsgeschichte von Flores og Blanseflor Flores og Blanseflor (dän.), die im Folgenden an einigen Beispielen illustriert werden soll. Der älteste erhaltene Textbeleg ist ein aus zwei Blättern bestehendes Fragment von vermutlich 1504, das dem Kopenhagener Drucker Gotfred af GhemenGhemen, Gotfred af (Govert van) zugeschrieben wird. Es enthält den einzigen bekannten Holzschnitt eines narrativen Historiendrucks aus der dänischen Frühdruckzeit (vgl. Abb. 13). Die zweite Ausgabe stammt von 1509. Sie bietet einen vollständigen Text. Die erste Seite mit Incipit und die letzte Seite mit Kolophon und Druckerwappen sind schöne Beispiele für die sich etablierende Druckkultur der Zeit. Der Text von 1509 repräsentiert eine andere Fassung als jene in K 4Codex Holmiensis K 4 (Stockholm, Kungliga biblioteket)7Codex Holmiensis K 47 (Stockholm, Kungliga biblioteket), so dass man für den Beginn der Drucktransmission nicht von einem ungebrochenen Übergang der älteren Tradition in das neue Medium sprechen kann, sondern immer mit Überlieferungsphänomenen wie verlorenen Handschriften/Drucken oder verschiedenen Fassungen rechnen muss (vgl. Abb. 13–15). Eine genauere Analyse der Transmissionsgeschichte der Drucke deckt auf, dass das Medium des gedruckten Buches keineswegs bedeutet, dass ein gedruckter Text per se von Stabilität gekennzeichnet ist. Ganz im Gegenteil beruht die traditionelle Dichotomisierung von durch Unfestigkeit und Varianz geprägtem handgeschriebenen Text einerseits und andererseits gedrucktem Text, bei dem Stabilität das entscheidende Kriterium darstellt, auf einer Fehlkonzeption. Frühe Drucke waren genau so flexibel und unfest wie handgeschriebene Bücher. Der dänische Philologe und Historiker Peder SyvSyv, Peder, der die Ausgabe 1504 nicht erwähnt, kommentiert dieses Phänomen bereits Ende des 17. Jahrhunderts in seinen handschriftlich bewahrten bibliographischen Notizen „Den danske Boglade“ wie folgt:
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