Unsanft zerrte mich der Anführer der Wachen von dem Kamel und die Treppe des Podestes hoch. Alle Umstehenden richteten ihre Aufmerksamkeit auf mich. Ein ekliger, fetter Kerl watschelte zu uns herüber. Er trug einen groben Strick und mein Entführer streckte ihm meine Arme entgegen. Er band das Seil um meine roten Handgelenke, was scheußlich wehtat. Ich wurde in die Reihe der anderen Sklaven geschubst.
»Wer sie kauft, ist der Sultanin egal«, wandte sich der Anführer an den Fetten.
Hilfe suchend sah ich zu den beiden Männern vor mir in der Reihe. Sie hatten schlanke Muskeln an Armen und Brust, aber ihre Augen sahen eingefallen aus. Als müssten sie schwere Arbeit verrichten und bekämen dafür zu wenig Nahrung.
Als der Dicke zu uns kam, sahen sie schnell weg. Der abstoßende Kerl wollte nach meinem Gesicht greifen. Ich wich seinem Griff aus und starrte ihn böse an. Er grinste nur und grapschte nach Aylas Tuch, das er mir vom Kopf zog. Seine Augen wurden rund und sein Mund klappte auf. Die Männer neben mir wichen zurück und versuchten, dieses Zeichen zu machen, was mit zusammengebundenen Händen schwierig erschien. Der Händler setzte ein Grinsen auf, breiter diesmal. Ich konnte förmlich sehen, wie er in Gedanken das Geld zählte, das er für mich bekommen würde. Kritisch musterte er meine Jeans und wickelte flink das Tuch um meine Hüften. Zufrieden nickte er und watschelte davon.
Mit wild klopfendem Herzen beobachtete ich die Auktion. Männer und Frauen wurden hier wie Tiere verkauft. Die Umstehenden schrien durcheinander, zeigten mit Fingern, wie viel sie bezahlen wollten, und nach kurzer Zeit versammelten die Bieter eine Traube Gefesselter hinter sich. Als Letzte stand ich nun allein auf der Plattform. Als der Händler zu mir kam, herrschte plötzlich Stille. Vielleicht hatte ich ja Glück und niemand würde mich kaufen wollen. Dann müsste mich der Widerling freilassen.
Doch die Stille dauerte nur kurz. Lauter und heftiger als zuvor brüllten die Käufer durcheinander. Sie überboten sich gegenseitig immer weiter. Nach einiger Zeit schieden mehr und mehr aus. Zum Schluss boten noch eine ältere Frau mit zwei muskelbepackten, schwarzen Leibwächtern und ein schmieriger Kerl, der schon drei andere wunderschöne Frauen gekauft hatte. Ich musste nicht lange überlegen, welchem Gewerbe er diese armen Mädchen zuführte. Der goldene Schneidezahn, der bei jedem Grinsen aufblitzte, die vielen goldenen Ringe und Ketten schrien geradezu Bordell .
Es schüttelte mich. Wenn dieser Mann mich kaufte, würde ich … Weiter kam ich mit meinen Gedanken nicht. Eine Gruppe Kamelreiter preschte auf den Platz und wirbelte roten Staub auf. Die Männer waren von Kopf bis Fuß in schwarzen Stoff gekleidet. Einer von ihnen kam direkt vor dem Podest und dem fetten Kerl zum Stehen. Er warf ihm ein Säckchen vor die Füße und starrte ihn an, ohne etwas zu sagen. Umständlich hob der Händler es auf. Aus dem Inneren ließ er sich goldene Münzen auf die Hand rieseln. Wieselflink zählte er das Geld und rief die Summe dem Bordellbesitzer und der Puffmutter zu. Die Frau schüttelte empört den Kopf und wandte sich hoch erhobenen Hauptes zum Gehen. Der Schmierlappen kramte in allen Taschen seiner speckigen Weste und zählte sein Geld. Dann nahm er seine Ringe ab und hielt sie dem Händler hin.
»Vergiss es, Hamil«, sagte der Händler. »Das reicht nicht.«
Der Mann brüllte und zeigte auf mich. »Aber ich will sie haben. Einer meiner Kunden würde ein Vermögen für sie zahlen.«
»Ja, ich weiß, wen du meinst. Da hat das Mädchen wohl Glück gehabt.«
»Du räudiger Bastard einer Dschinnhure«, keifte der Mann.
Der Händler beachtete ihn nicht. Er gab dem Beduinen auf dem Kamel ein Zeichen, indem er hoheitsvoll mit der Hand wedelte.
Die schwarzen Augen des Mannes richteten sich auf mich. Sie waren mit Kajal umrandet, was ihn exotisch und bedrohlich zugleich aussehen ließ. Als er mir die Hand reichte, musste ich schlucken. Aber im Grunde hatte ich keine Wahl. Es hieß: er oder der Bordellbesitzer.
Ich hielt meine gefesselten Hände hoch. Mit einer fließenden Bewegung griff er unter sein Gewand, zückte einen Dolch und trennte das Seil durch. Dann hielt er meine Handgelenke fest. Er betrachtete die Rötung und strich von dort aus zu der hellen Haut weiter oben.
Er griff nach meiner Taille und zog mich vor sich aufs Kamel. Mit beiden Händen öffnete er die schwarzen Stoffbahnen um seinen Körper und schlang sie um mich. Mir wurde schlagartig heiß, aber auf eine angenehme Art. Dann setzten wir uns in Bewegung und verließen die Stadt. Ich hoffte, ich würde diesen verfluchten Ort nie wieder sehen.
»Wo bringst du mich hin?«
»Sie wird es dir erklären.« Mit dem Kopf deutete er auf den Reiter neben uns.
Erst jetzt fiel mir auf, dass er viel zu klein für einen Mann war. Als die Frau den Schleier abnahm, erkannte ich Ayla.
»Warum hast du sie so eingewickelt, Kamil?«
»Ihre Haut ist so weiß wie der Wüstensand und zu viel Sonne verbrennt sie.«
»Es tut mir leid, dass wir so spät kamen.« Beschämt senkte Ayla den Kopf.
»Nein«, sagte ich. »Ich muss mich entschuldigen. Ich hätte dir folgen sollen, anstatt durchzudrehen.«
»Es war zu wenig Zeit, um dir alles zu erklären. Ich verstehe nicht, wie die Wachen uns so schnell finden konnten.«
»Sie ist eine Hexe. Das sage ich dir schon lange«, grollte Kamil.
»Das glaube ich nicht, aber mit rechten Dingen ging das sicherlich nicht zu.«
»Ihr redet von der Sultanin, nicht wahr?«
Überrascht sah Ayla mich an.
»Sie war es, die mich verkaufen lassen wollte. Der Wachmann sagte, ich sollte möglichst weit weg gebracht werden.«
Ayla nickte. »Sie traut sich nicht, dich zu töten. Der Zauber in dem Brief war sehr mächtig und könnte sich gegen sie wenden.«
»Du meinst den Brief, den ich gelesen habe, bevor ich hierher kam?«
»Ja, genau. Ich habe einen hohen Preis für seine Magie bezahlt.«
Als sie schwieg, redete Kamil für sie weiter. »Zauberer sind selten bei uns und sie verlangen immer das, was man am wenigsten zu geben bereit ist. Ayla musste ihm ihre Fruchtbarkeit schenken. Sie wird keine weiteren Kinder bekommen können.«
»Ich hoffe, mein Opfer war nicht zu hoch und du hilfst uns.«
Ein mulmiges Gefühl breitete sich in meinem Magen aus. »Aber ich bin doch nur eine Studentin. Bei was könnte ich euch schon helfen?«
Kamil hielt an und zeigte nach vorne. »Ich lade dich in mein Heim ein, da kann Ayla dir alles erklären.«
Vor uns tauchte flimmernd eine kleine Stadt aus Zelten auf. Aber keine kleinen dreieckigen Dinger, in denen kaum zwei Personen schlafen konnten, sondern riesige, bunt geschmückte Häuschen aus Tuch. Kinder saßen vor den Eingängen auf Teppichen und spielten. Daneben saßen Grüppchen von Frauen, unterhielten sich, tranken Tee oder bestickten Kleidung.
Als sie uns bemerkten, standen sie auf und winkten. Die Kinder liefen auf uns zu und fassten nach Kamils oder Aylas Stiefeln.
Als wir absaßen, enthüllten sich unter den schwarzen Kutten meiner Begleiter weitere Frauen. Wie die Männer in der Gruppe trugen sie Stiefel, Pluderhosen, lederne Harnische und viele Waffen.
Ayla führte mich von den neugierigen Blicken weg in das größte Zelt. In seinem Inneren hätte fast meine winzige Wohnung Platz gefunden. Rotgoldene Teppiche bedeckten den Boden. Es gab eine Schlafstatt mit Fellen, mehrere Truhen und einen niedrigen Tisch mit wunderschönen Verzierungen. Elegant ließ sich Ayla davor in einen Schneidersitz sinken. Ich versuchte gar nicht erst, es ihr gleich zu tun. Ich ließ mich fallen und steckte die Beine irgendwie seitlich unter meinen Hintern.
Kamil, zwei weitere Männer, die aussahen wie Brüder, und eine der Kriegerinnen gesellten sich zu uns. Kamil balancierte ein Tablett mit einer Kanne Tee und fünf Gläsern. Nachdem er allen eingeschenkt hatte, begann Ayla zu erzählen.
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