Zwar findet in der Hektik des Klinikalltags durchaus ein Informationsaustausch auf fachlicher Ebene statt, doch regelmäßige Feedback-Gespräche, die Mitarbeitenden fachliche und soziale Orientierung bezüglich ihres Reifegrades geben, kommen oft zu kurz.
Abb. 4: Bindungsanalyse
Feedback als Chance für die persönliche Entwicklung 
Dabei ist gerade eine funktionierende Feedback-Kultur, die alle Mitglieder des Teams einbezieht, für die Mitarbeiterführung und -entwicklung unverzichtbar: Die Mitarbeitenden wissen, wo sie stehen, sie brauchen nicht darüber zu spekulieren, wie sie und ihre Leistungen wahrgenommen werden, und erhalten gleichzeitig die Chance, sich zu entwickeln (
Kap. 9.1
).
In der Praxis wird jedoch häufig kein Feedback gegeben oder es fällt zu knapp und zu destruktiv aus. Hinzu kommt, dass beim Gegenüber nicht immer das ankommt, was ursprünglich beabsichtigt war. Schließlich muss das, was gesagt wurde, nicht das sein, was der/die Gesprächspartner*in verstanden hat und schon gar nicht das, was eigentlich gemeint war.
Den Kern eines jeden Feedback-Gesprächs bilden gelungene Ich-Botschaften, die deutlich die Wahrnehmungen, Wirkungen und Wünsche aus der eigenen Sicht beschreiben (in Anlehnung an Schulz von Thun):
Feedback: Wahrnehmung, Wirkung, Wunsch 
• Wahrnehmung: »Ich habe wahrgenommen, dass …«
• Zahlen, Daten, Fakten nennen, ohne jede Bewertung
• Wirkung: »Es hat mich geärgert, dass …«
• Beschreiben, welche Gefühle das Verhalten des/der Anderen bei einem selbst als Führungskraft auslöst (z. B. Irritation, Nachdenklichkeit, Überraschung, Besorgnis, Verärgerung, …)
• Wunsch: »Ich wünsche mir von Ihnen, dass …« Kurz-, mittel- oder langfristige Erwartungen klar an den/die Andere*n formulieren
Aktiv zuhören 
In einem Feedback-Gespräch spielt aktives Zuhören eine wichtige Rolle. Droht das Gespräch durch überbordende negative Emotionen einer/eines Beteiligten aus dem Ruder zu laufen, kann durch aktives Zuhören wirksam gegengesteuert werden. Wichtige Instrumente hierfür sind:
• innere Haltung (»Ich will mein Gegenüber verstehen.«)
• offene, positive und zugewandte Körpersprache, inkl. Blickkontakt, Kopf nicken
• mit eigenen Worten zusammenfassen
• Fragen stellen (»Wer fragt, der führt.«)
• emotionale Gesprächsinhalte verbalisieren (»Gefühle spiegeln«)
• Absprachen treffen
• Perspektiven aufzeigen
Geübte Feedback-Geber* innen verzichten auf Verurteilungen oder verallgemeinernde Abrechnungen und achten darauf, dass Empfänger*innen nicht ihr Gesicht verlieren. Erfahrene Feedback-Nehmer* innen hingegen werten die Rückmeldung nicht als Angriff und verschanzen sich nicht hinter Rechtfertigungen und Begründungen. Stattdessen wird das Feedback dankend entgegengenommen und nach einer Denkpause kann die Entscheidung getroffen werden, was davon angenommen wird – und was nicht.
Feedback ist ein wichtiges Führungsinstrument, dessen idealtypische Form Max Frisch treffend beschrieb: »Wenn Du jemanden Rückmeldung gibst, schlage sie ihm nicht wie einen nassen Lappen um die Ohren, sondern halte sie ihm wie einen Mantel hin, in den er hineinschlüpfen kann« (frei nach Max Frisch).
1.7.2 Partnerschaftliche Kommunikation im Klinikalltag
Etablierte Besprechungsroutine entlastet 
Der regelmäßige und intensive Dialog im Klinikalltag stützt sich auf folgende Grundpfeiler:
• Team- und Abteilungsgespräche zur regelmäßigen Information über Themen, die für alle Mitglieder des Teams gleichermaßen relevant sind, insbesondere die Leitungskonferenz zwischen Chef- und Oberärzt*innen.
• Vier-Augen-Gespräche zur Besprechung von Entwicklungszielen und Hemmnissen oder Problemen, evtl. auch zur Analyse von Reifegraden.
• Briefing-/Debriefing-Gespräche vor und nach Schichtbeginn zur Schaffung eines Wir-Gefühls.
• Zielvereinbarungs- bzw. Mitarbeiterjahresgespräche zur jährlichen Vereinbarung von Entwicklungszielen. Sie sind ein zentrales Instrument der Mitarbeiterführung und -entwicklung und werden daher ausführlicher im folgenden Abschnitt dargestellt.
Zielvereinbarungs- und Mitarbeiterjahresgespräche
Zielvereinbarungs- und Mitarbeiterjahresgespräche geben Orientierung 
Zielvereinbarungs- bzw. Mitarbeiterjahresgespräche sind wichtige Meilensteine einer dialogorientierten Zusammenarbeit zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden. Diese werden damit stärker in das Klinikgeschehen eingebunden, ihre Eigeninitiative und ihr Verantwortungsbewusstsein werden ausgebaut. Sie kennen die wesentlichen Ziele ihrer Klinik/Abteilung, wissen, welchen konkreten Beitrag sie zum Erreichen des Gesamtziels leisten, und konzentrieren ihre Kräfte auf das Wesentliche.
Zielvereinbarungs- bzw. Mitarbeiterjahresgespräche sind auch eine Zusammenfassung vieler Feedback-Gespräche, die im Laufe des Jahres geführt wurden. Sie umfassen im Wesentlichen fünf Bausteine (siehe auch Checkliste in
Kap. 9.3.1):
1. Perspektiven und Zufriedenheit am Arbeitsplatz
2. Erreichte Ziele
3. Zukünftige Ziele
4. Maßnahmen zur Erhaltung und Entwicklung der fachlichen und mentalen Leistungsfähigkeit
5. Feedback-Runde
• zur grundsätzlichen Zusammenarbeit von Führungskraft und Mitarbeitenden
• zum Gespräch
Klinikweite Einführung ist mitbestimmungspflichtig 
Um Zielvereinbarungs- bzw. Mitarbeiterjahresgespräche flächendeckend für die ganze Klinik als glaubhaftes Führungsinstrument zu etablieren, ist es wichtig, alle Hierarchiestufen einzubinden und die Gespräche top-down zu führen, z. B. Geschäftsführung → Chef- → Ober- → Assistenzärzt*in. In Fällen der klinikweiten Etablierung sind sie mitbestimmungspflichtig, d. h. sie werden anhand eines einheitlichen Gesprächsleitfadens geführt bzw. dokumentiert, der im Einvernehmen mit dem Personalrat entwickelt wurde. In Fällen, in denen Mitarbeitergespräche nicht klinikweit etabliert sind, können sie von Leitungskräften dennoch als informelles Führungsinstrument genutzt werden und auf einem »weißen Blatt« festgehalten werden.
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