III.Umgestaltung des Wahlrechts 1955–1958
Vor den Gemeinde- und Kreiswahlen Ende 1956 kam es zu einer grundlegenden Umgestaltung des kommunalen Wahlrechts. Als letztes Bundesland unter den Flächenländern erhielt Niedersachsen 1955 eine Gemeindeordnung. 15Da die grundlegenden Wahlvorschriften über die Wahlberechtigung, die Wählbarkeit, die Wahlperiode, die Zahl der Vertreter, den Sitzerwerb und den Sitzverlust als Bestandteil des kommunalen Verfassungsrechts angesehen wurden, übernahm man diese in die Gemeindeordnung und drei Jahre später entsprechend in die Landkreisordnung. 16
Dies war Anlass für eine grundlegende Überarbeitung des kommunalen Wahlrechts. Dabei wurden die Vorschriften für die Gemeindewahl und für die Kreiswahl in einem einheitlichen Kommunalwahlgesetz und einer einheitlichen Kommunalwahlordnung zusammengefasst. 17Ein Teil der bislang in den Wahlordnungen enthaltenen normativen Vorschriften wurde jetzt gesetzlich geregelt. Neben der Berücksichtigung der Rechtsprechung und praktischer Erfahrungen bei der Wahlabwicklung wurden vor allem folgende Änderungen vorgenommen:
1. Grundlage für die Sitzverteilung war einheitlich das Wahlergebnis im gesamten Wahlgebiet. Die bisher nach dem Kreiswahlgesetz vorgesehene Regionalisierung der Verhältniswahl, die für kleine Parteien wegen der geringen Zahl der zu vergebenden Mandate ein faktische 10 %-Sperrklausel zur Folge hatte, entfiel. Die einer Partei im Wahlgebiet zustehenden Sitze wurden nach dem d'Hondtschen Verfahren auf ihre Wahlvorschläge in den einzelnen Wahlbezirken verteilt.
2. Wahlbezirke zur technischen Durchführung der Wahl wurden nur noch in Landkreisen und in Gemeinden mit über 20 000 Einwohnern gebildet.
3. Die nach bisherigem Recht vorgesehenen gemeinsamen Wahlvorschläge mehrerer Parteien wurden durch „Wahlvorschlagsverbindungen“ ersetzt. Die für die – jetzt gesonderten – Listen der jeweiligen Parteien abgegebenen Stimmen wurden bei der Sitzverteilung auf der Ebene des Wahlgebiets zusammengefasst, wenn die betreffenden Parteien eine Wahlvorschlagsverbindung vereinbart hatten.
4. Für Parteien, die nicht im Landtag oder Bundestag vertreten waren, wurde – in Anlehnung an das Landtagswahlrecht – eine Wahlanzeige beim jeweiligen Wahlleiter als Voraussetzung für die Einreichung von Wahlvorschlägen eingeführt.
Das kommunale Wahlrecht ist in der Ausgestaltung, die es mit dem Erlass der NGO (1955), des NKWG (1956) und der NLO (1958) gefunden hatte, in seinen Grundzügen bis heute bestimmend geblieben. Das heute geltende Kommunalwahlrecht geht in seiner Systematik und in vielen Einzelregelungen auf die gesetzlichen Bestimmungen jener Jahre zurück. Seither hat das Wahlrecht zahlreiche Änderungen erfahren. Neue Regelungen wurden eingeführt, teilweise wieder aufgehoben und nicht selten erneut eingeführt. Eine Stabilisierung der Wahlrechtsgesetzgebung, wie sie damals gefordert wurde, 18trat nicht ein.
IV.Wahlrechtsänderungen seit 1960
1.Übersicht
Das materielle kommunale Wahlrecht ist seit 1960 durch insgesamt 44 Gesetze geändert worden, die in der nachfolgenden Übersicht chronologisch aufgeführt sind:
1. Gesetz zur Änderung des NKWG v. 20.3.1960 (GVBI. S. 11). Neufassung des NKWG v. 23.5. 1960 (GVBI. S. 35)
2. Gesetz zur Änderung der NGO v. 16.6.1960 (GVBI. S. 93)
3. Gesetz zur Änderung und Ergänzung des NKWG v. 27.8.1960 (GVBI. S. 229)
4. Gesetz zur vorübergehenden Änderung der Wahlperiode der Räte der Gemeinden und der Kreistage v. 4.11.1960 (GVBI. S. 279)
5. 2. Gesetz zur Änderung des NKWG und zur vorübergehenden Änderung der Wahlperiode der Räte der Gemeinden und der Kreistage v. 18.1.1961 (GVBI. S. 1).
Neufassung des NKWG v. 20.1.1961 (GVBI. S. 5)
6. 3. Gesetz zur Änderung der NGO und der NLO v. 9.1.1967 (GVBI. S. 1)
7. 3. Gesetz zur Änderung des NKWG v. 11.1.1967 (GVBI. S. 4). Neufassung des NKWG v. 16.8.1967 (GVBI. S. 273)
8. Gesetz zur Änderung der NGO, der NLO und des NBG v. 26.4.1968 (GVBI. S. 69)
9. Gesetz zur Herabsetzung des Wahlalters v. 23.2.1970 (GVBI. S. 36)
10. Gesetz zur Anpassung des Landesrechts an das 1. Gesetz zur Reform des Strafrechts, an das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten und an das Einführungsgesetz zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (1. Anpassungsgesetz) v. 24.6.1970 (GVBI. S. 237) – Art. 10, 11 und 14
11. 2. Gesetz zur Verwaltungs- und Gebietsreform v. 9.7.1971 (GVBI. S. 232) – Art. I –
12. 4. Gesetz zur Änderung des NKWG v. 9.7.1971 (GVBI. S. 229). Neufassung des NKWG v. 24.1.1972 (GVBI. S. 27)
13. Gesetz zur Änderung der Wahlperiode v. 16.3.1972 (GVBI. S. 137)
14. Gesetz zur einmaligen Verlängerung der Wahlperiode der kommunalen Vertretungen in einzelnen Räumen v. 14.7.1972 (GVBI. S. 386)
15. 5. Gesetz zur Änderung der NGO und der NLO v. 23.7.1973 (GVBI. S. 245) – Art. IV –
16. Gesetz über die kommunale Neugliederung im Raum Hannover v. 11.2.1974 (GVBI. S. 57) – Art. IV, § 2 –
17. 2. Gesetz zur Änderung der Wahlperiode v. 12.7.1976 (GVBI. S. 183)
18. 5. Gesetz zur Änderung des NKWG v. 15.6.1977 (GVBI. S. 177). Neufassung des NKWG v. 20.7.1977 (GVBI. S. 267)
19. 4. Gesetz zur Änderung der NGO v. 24.6.1980 (GVBI. S. 253)
20. 7. Gesetz zur Änderung der NGO und der NLO v. 18.10.1980 (GVBI. S. 385)
21. 8. Gesetz zur Änderung der NGO und der NLO v. 18.2.1982 (GVBI. S. 53)
22. Gesetz zur Änderung des NLWG und des NKWG v. 20.12.1984 (GVBI. S. 285) – Art. II –
23. Niedersächsisches Rechtsvereinfachungsgesetz 1985 v. 30.7.1985 (GVBI. S. 246) – Art. 6 – Neufassung des NKWG v. 27.8.1985 (GVBI. S. 305)
24. Gesetz zur Änderung wahlrechtlicher Vorschriften für Landtags- und Kommunalwahlen v. 26.11. 1987 (GVBI. S. 214) – Art. II–IV – Neufassung des NKWG v. 28.10.1988 (GVBI. S. 189)
25. Niedersächsisches Rechtsvereinfachungsgesetz 1990 v. 22.3.1990 (GVBI. S. 101) – Art. 10 –
26. Gesetz zur Einführung des aktiven und passiven Wahlrechts bei den Kommunalwahlen für nichtdeutsche Staatsangehörige von Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und zur Herabsetzung der Altersgrenze für das aktive Wahlrecht bei Kommunalwahlen v. 20.11.1995 (GVBl. S. 432)
27. 6. Gesetz zur Änderung des NKWG v. 20.11.1995 (GVBl. S. 434). Neufassung des NKWG v. 18.1.1996 (GVBl. S. 5)
28. Gesetz zur Reform des niedersächsischen Kommunalverfassungsrechts v. 1.4.1996 (GVBl. S. 82, 227)
29. Gesetz zur Änderung kommunalwahlrechtlicher Bestimmungen v. 24.1.2001 (GVBl. S. 15) – Neufassung des NKWG v. 20.2.2001 (GVBl. S. 83)
30. Gesetz zur Modernisierung der Verwaltung in Niedersachsen v. 5.11.2004 (GVBl. S. 394) – Art. 11 –
31. Gesetz zur Änderung des niedersächsischen Kommunalverfassungsrechts v. 22.4.2005 (GVBl. S. 110)
32. Gesetz zur Änderung des niedersächsischen Kommunalwahlgesetzes v. 31.1.2006 (GVBl. S. 44). Neubekanntmachung des NKWG v. 24.2.2006 (GVBl. S. 91)
33. Gesetz zur Änderung des niedersächsischen Kommunalverfassungsrechts v. 18.5.2006 (GVBl. S. 202)
34. Gesetz zur Änderung des niedersächsischen Kommunalverfassungsrechts und anderer Gesetze v. 18.5.2006 (GVBl. S. 203)
35. Gesetz zur Änderung des niedersächsischen Kommunalverfassungsrechts und anderer Gesetze v. 13.5.2009 (GVBl. S. 191)
36. Gesetz zur Änderung kommunalwahlrechtlicher Bestimmungen v. 10.11.2010 (GVBl. S. 510)
37. Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz v. 17.12.2010 (GVBl. S. 576)
38. Gesetz zur Anpassung von Landesgesetzen an das Niedersächsische Kommunalverfassungsgesetz sowie zur Änderung des Gesetzes zur Zusammenfassung und Modernisierung des niedersächsischen Kommunalverfassungsrechts v. 13.10.2011 (GVBl. S. 353)
39. Gesetz zur Wiedereinführung der Stichwahl bei Direktwahlen v. 19.6.2013 (GVBl. S. 160)
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