Wie damit deutlich wird, steht der Begriff der transkulturellen Kommunikation in direkter Nähe zu zwei anderen Konzepten, nämlich denen der Mediatisierung und Globalisierung. Beide Konzepte bezeichnen sehr lang anhaltende Wandlungsprozesse. Beginnen wir hier zuerst einmal mit dem Ausdruck der Mediatisierung . Wie ich an anderer Stelle sehr ausführlich dargelegt habe (Hepp 2013a: 27–62), fasst Mediatisierung in einer ersten sehr allgemeinen Annäherung das Wechselverhältnis zwischen medienkommunikativem Wandel einerseits und soziokulturellem Wandel andererseits. Wir können für die gesamte Menschheitsgeschichte sagen, dass nicht nur die Zahl der technischen Kommunikationsmedien über ihren Verlauf hin erheblich zugenommen hat. Auch haben die jeweils bestehenden Kulturen und Gesellschaften erheblich etwas damit zu tun, wie wir miteinander kommunizieren. Einerseits hat Mediatisierung damit so etwas wie quantitative Aspekte in dem Sinne, dass eine wachsende Zahl von Medien immer länger (zeitliche Dimension) an immer mehr Orten (räumliche Dimension) und in immer mehr Situationen (soziale Dimension) zur Verfügung steht. Andererseits können wir von qualitativen Aspekten der Mediatisierung sprechen, d. h. davon, dass Medien unsere Kommunikation prägen und damit auch, wie wir durch unsere Kommunikation unsere Kulturen und Gesellschaften hervorbringen oder konstruieren.
Dieser Zusammenhang klingt in den eingangs zitierten Überlegungen von Marshall T. Poe an, der Transkulturalität in eine enge Beziehung damit setzt, wie internetbasierte Medien unsere heutige Kommunikation prägen. Die Sachlage ist allerdings komplizierter, als das bei ihm anklingt. Dies hängt damit zusammen, dass das »Prägen« der Medien weit vielfältiger ist, als er vermutet. Wir haben nicht einfach ein »Sollen« (Poe 2011: 240) des Internets, das dann eine bestimmte Transkulturalisierung[12] weltweit befördert. Vielmehr verbergen sich hinter dem Ausdruck der »Prägkräfte der Medien« (Hepp 2013a: 49) zwei sehr konkrete Zusammenhänge: Einerseits institutionalisieren Medien die Art und Weise, wie wir kommunizieren. Mit E-Mail, Fernsehen, Internetradio, Mobiltelefon etc. werden nicht einfach nur Apparaturen bezeichnet, sondern mit ihnen sind immer auch bestimmte Formen bzw. Muster der Kommunikation verbunden. Andererseits verdinglichen Medien unsere Kommunikation, indem mit ihnen eben diese Apparate und deren Infrastrukturen aufgebaut werden. Besteht erst einmal eine solche Verdinglichung von Kommunikationsmöglichkeiten, so ist deren Veränderung mit einem großen Aufwand verbunden: Aus dem zentralisierten Kommunikationsnetz des Radios kann man nicht einfach mehr ein dezentrales Kommunikationsnetzwerk machen, auch wenn dies in seinen Anfängen technisch vorstellbar war (Brecht 1932).
Die meisten Menschen leben gegenwärtig in dem, was man als mediatisierte Welten bezeichnen kann (Hepp/Krotz 2012, 2014). Gemeint ist damit, dass für ihre »kleinen Lebens-Welten« (Luckmann 1970) bzw. »sozialen Welten« (Strauss 1978) in der Art und Weise, wie sie bestehen, technische Kommunikationsmedien konstitutiv sind und sie im oben umrissenen Sinne durch diese geprägt werden. Die heutige Welt der Schule kommt beispielsweise nicht ohne Medien aus; das betrifft nicht nur das Schulbuch, sondern zunehmend auch Computer und Internet. Die Welt der Politik ist insofern mediatisiert, als die Form von Demokratie, die wir leben, darauf beruht, in Medien wie dem Fernsehen und dem Social Web für die eigene politische Vorstellung werben, aber ebenso andere kritisieren zu können. In einem solchen Sinne sind die verschiedenen Welten gegenwärtiger Vergemeinschaftung jenseits von Medienkommunikation überhaupt nicht denkbar: Was wäre die Gothic-Szene ohne ihre Musik, oder was wären die Serienfans ohne ihre Fernsehserien? Ähnliches gilt auch für die Welten sozialer Bewegungen. So könnten wir uns beispielsweise die Occupy-Bewegung ohne Social Web kaum vorstellen. Mediatisierte Welten sind also die Ebene, auf der sich Mediatisierung in der gelebten Medienkultur konkretisiert – und dies verstärkt in verschiedenen Regionen der Welt.
Indirekt klingt bei solchen Überlegungen der Wandel der Globalisierung an. Über Globalisierung wird seit den 1990er-Jahren viel diskutiert. Hierbei gilt die Globalisierung der Medienkommunikation als eine zentrale Dimension der Globalisierung überhaupt. Diese Zentralität lässt sich an den globalen Finanzmärkten verdeutlichen, deren Funktionieren die Existenz weltweiter Kommunikationsnetzwerke voraussetzt. Dies ist nicht nur notwendig, um die Finanztransfers selbst zu tätigen, sondern auch, um notwendige Informationen zu erhalten, damit man erfolgreich transnational spekulieren kann.
Wir werden in diesem Buch mit einem eher vorsichtigen Begriff der Globalisierung der Medienkommunikation operieren und darunter so viel verstehen wie die weltweite Zunahme medienvermittelter Konnektivitäten, also die Zunahme von technisch vermittelten Kommunikationsbeziehungen. Eine so verstandene Globalisierung[13] der Medienkommunikation hat viel mit Mediatisierung zu tun: In dem Moment, in dem die Welten, in denen Menschen leben, mediatisierte Welten werden, steigen auch – zumindest dem Potenzial nach – die Möglichkeiten ihrer in verschiedene Regionen der Welt reichenden Kommunikationsbeziehungen erheblich. Dies betrifft sicherlich zuerst einmal die Menschen der sogenannten entwickelten Länder und da wiederum nicht alle. Aber auch in anderen Regionen der Welt ist das Leben der Menschen zunehmend ein Leben in mediatisierten Welten. Auch wenn hier privilegierte Gruppen vorangeschritten sind, betrifft dies – wie wir im weiteren Verlauf dieses Buchs sehen werden – ebenso Menschen in prekären Lebenssituationen. Diese entfalten ebenso transkulturelle, kommunikative Konnektivitäten.
Der Grund für diese vorsichtige Definition von medialer Globalisierung ist bereits mit den eingangs genannten Beispielen angeklungen: Indem die medienvermittelten Kommunikationsbeziehungen sehr Unterschiedliches zur Folge haben können – von der Abgrenzung und Stabilisierung bestehender Kulturgemeinschaften über Konflikte zwischen diesen bis hin zu Annäherungsprozessen –, erscheint zuerst einmal ein analytisches Instrumentarium notwendig, das keine direkten Unterstellungen über die hochkomplexen Folgen der Globalisierung der Medienkommunikation macht. Letzteres ist beispielsweise für Verständnisse der Medienglobalisierung als Homogenisierung oder Amerikanisierung der Fall. Diese können die Widersprüchlichkeit von Medienglobalisierung nicht fassen, weil hier von vornherein eine bestimmte Wirkungsweise unterstellt wird.
Mit diesem Verständnis der Globalisierung der Medienkommunikation sind zwei weitere Konzepte verbunden, die in dem vorliegenden Buch immer wieder Verwendung finden, nämlich erstens das des Netzwerks und zweitens das des Flusses. Wenn man von Konnektivitäten spricht, so will der Ausdruck des Netzwerks die strukturellen Aspekte dieser Konnektivitäten fassen. Es geht hier ganz konkret um die »Verbindungen« zwischen verschiedenen »Knoten«, die in deren Struktur beschrieben werden können. Man denke hier etwa an bestimmte Kommunikationsnetzwerke wie die des Satellitenfernsehens oder des Internets. Der Ausdruck des Flusses hebt dagegen stärker auf Prozesse entlang solcher Netzwerke und über sie hinweg ab. Dies sind beispielsweise die Kommunikationsflüsse, die de facto im Internet oder auch entlang von Satellitennetzwerken verlaufen. Solche Kommunikationsflüsse haben dann unterschiedliche Spezifika und Verdichtungen – sie sind nicht gleichmäßig in einem Netzwerk verteilt.
Sicherlich sind Begriffe des Netzwerkes, des Flusses oder der Prägkräfte von Medien Metaphern, d. h. Bilder, mit denen wir uns komplexe soziokulturelle Zusammenhänge vor Augen führen. Vielleicht haben sich diese Konzepte aber gerade wegen ihrer Bildhaftigkeit als Beschreibungsansätze etabliert, um Phänomene der Globalisierung und Mediatisierung zu fassen. Durch solche Begriffe werden diese zuerst einmal abstrakten »Metaprozesse« (Krotz 2007) fassbar und damit auch begreifbar. Der [14]Ausdruck Metaprozess bedeutet hier nicht nur, dass Mediatisierung und Globalisierung sehr lang anhaltende Wandlungsprozesse sind. Zusätzlich ist mit dem Ausdruck der Gedanke verbunden, dass Globalisierung und Mediatisierung nicht auf wenige Untersuchungsvariablen heruntergebrochen werden können, entlang derer sich diese dann als Transformationsprozesse beweisen ließen. Vielmehr eröffnen solche Metaprozesse als Beschreibungskonstrukt ein gewisses »Panorama« (Hepp 2013a: 42–48) der langfristigen Veränderung – ein Panorama, das es dann ermöglicht, bei der Analyse konkreter Einzelphänomene die richtigen Fragen zu stellen und die Phänomene, die man betrachtet, in einen übergreifenden Rahmen einzuordnen.
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