Die Unternehmenskultur zeigt sich nicht zuletzt darin, wie Produktentscheidungen getroffen werden. Welches Produkt kommt neu in die Innovationspipeline? Welche Merkmalsausprägungen eines Produktes sind für den Markt richtig, was ist also gut für den Kunden? Diese Fragen können top-downoder bottom-upentschieden werden. Unternehmen, die eher technik- oder produktorientiert „denken“, neigen dazu, die Entwickler oder Konstrukteure aufgrund ihres Wissens um die Produkte entscheiden zu lassen, welche Innovationen bzw. Erzeugnisse die nächsten sind, die der Vertrieb am Markt platzieren soll (bottom-up). Einfluss und Mitspracherecht der am Markt beteiligten Personen sind begrenzt, ihre Sinnesorgane (z. B. Augen und Ohren), mit denen sie die Bedürfnisse von Kunden erfassen, werden nicht oder kaum eingesetzt. Dieser Unternehmensstil war in der Vergangenheit die Domäne charismatischer Unternehmerpersönlichkeiten, die es nach dem Zweiten Weltkrieg nicht selten gab und die in traditionellen Handwerksunternehmen (insbesondere im Weinbau) noch immer zu finden sind. Nach und nach wurde dieser Stil abgelöst und mehr oder weniger auf den Kopf gestellt. Zu den Aufgaben von Vertrieb und Marketing gehört es mittlerweile, Marktbedürfnisse frühzeitig aufzuspüren und top-down mit den Sparten Entwicklung und Produktion zu kommunizieren. Im Idealfall entwickelt sich daraus ein fruchtbarer Prozess, der Wünsche mit Machbarem in Einklang bringt. So hat beispielsweise die Weinbranche gelernt, wechselnde Trends der Kunden nach leichteren oder kräftigeren, nach frischen oder gereiften Weinen durch zielführende Arbeit in Weinberg und Keller zu befriedigen. Unabdingbare Voraussetzung hierfür war und ist es, die Bedürfnisse und Wünsche der Kunden rechtzeitig zu kennen.
Ein wichtiges Element einer Firmenkultur ist das grundlegende Modell, nach dem die soziale Organisation „Firma“ geführt werden soll. In den meisten Fällen wurde auch dieses Modell nicht explizit zu Papier gebracht, es lebt in einzelnen Maßnahmen, Anweisungen und Aussagen der Firmenleitung. Mit dieser wechselt oft auch das Modell. Hinter jedem steht ein bestimmtes Menschenbild. Eine Sichtweise besteht darin, davon auszugehen, dass der Mensch von Natur aus „gut“ ist und mit seiner Freiheit verantwortungsvoll umzugehen weiß. Auf dieser Grundlage ist man als Vorgesetzter bereit, dem Mitarbeiter viel Freiheit zu gewähren und ihm zu vertrauen. Der Gegenentwurf behauptet, Menschen benötigen viel Kontrolle, sie sind eigensüchtig, disziplinlos und mit fragwürdiger Moral ausgestattet. Ohne Kontrolle setzen sich diese Eigenschaften schnell gegen das Unternehmen durch. Die Wirklichkeit liegt in den Unternehmen irgendwo zwischen diesen beiden Polen.
Aus einem zum Teil tief sitzenden Sicherheitsdenken heraus neigen Großbetriebe eher dazu, den Freiheitsgrad ihrer Mitarbeiter einzudampfen. Kleinere Firmen, so sie nicht patriarchalisch geführt sind, gewähren ihren Mitarbeitern etwas mehr persönliche Freiheit.
Führungs- oder Managementmodelleim oben genannten Sinne hat es in den letzten Dekaden zuhauf gegeben. In der Wirtschaftsliteratur wurde fast jedes Jahr mindestens ein neues Führungsprinzip auf dem Silbertablett serviert. Es gab Management by Objectives, das besonders fordernde Six Sigma oder das vielfach nachgeahmte Shareholder Value-Prinzip, das sein Erfinder Jack Welch von General Electric leider erst nach vielen Jahren und viel in seinem Namen produzierten Elend als Ergebnis und nicht als Strategie erkannte. All diese Prinzipien hatten zur Folge, dass Firmen mal zentral, dann wieder dezentral gesteuert, mal kooperativ geführt, kurze Zeit später hierarchisch organisiert wurden. Mit Kaizen wurde die Denkweise japanischer Unternehmen kopiert, weiterhin glaubten viele fest an das Schlagwort Intrapreneurship, wonach jeder Mitarbeiter quasi eine Ich-GmbH darstellte. Eine Leitlinie löste die andere ab und machte sogleich wieder Platz für die nächste.
So lässt sich nur festhalten, dass die nahezu unendliche Zahl von Führungsparametern innerhalb eines Unternehmens das eine und allein gültige Managementprinzip gar nicht zulässt. Vor allem dann nicht, wenn es sehr detailliert sein will. In Kapitel 11 wird anhand des Begriffes Evolutionsmanagement ein sich langsam aber beständig weiterverbreitendes Modell zur Führung von Unternehmen beschrieben. Die Basis bildet dabei das Erfolgsmodell Natur, das in 600 Millionen Jahren nicht in Konkurs gegangen ist (Otto et al. 2007).
Abb. 2.7 Einflussgrößen auf ein erfolgreiches Management
Grundsätzliches Ziel aller Unternehmen ist es, dauerhaft erfolgreich am Markt zu bestehen. „Erfolgreich sein“ kann Verschiedenes bedeuten: z. B. sich rein am kurzfristigen Profit zu orientieren oder aber nachhaltig zu handeln, sich allein am Shareholder Value auszurichten oder alle Stakeholder zu berücksichtigen oder aber eine besonders ökologische Denkweise zu praktizieren. Die Firmenphilosophie ist letztlich für die Zieldefinition entscheidend. Unabhängig davon geht es immer darum, einmal verabschiedete Ziele zu erreichen und mit Störungen fertig zu werden. Abbildung 2.7 stellt viele dazu nötige und mögliche Werkzeuge zusammen, die ihrerseits jeweils einen eigenen Managementbereich ausfüllen und in diesem Buch zum großen Teil angesprochen werden.
Zur vollständigen Betrachtung gehört, dass sich ein Fachbuch über Management auch mit moralisch-philosophischen Aspekten des unternehmerischen Handelns beschäftigt. Dem Thema Ethik wird hierbei ein breiter Raum gegeben, da insbesondere die menschliche Ernährung eine ausgeprägte moralische Komponente aufweist. Jeder Manager muss letztendlich entscheiden, wie er sich im Dreieck aus Kostendruck, Marktzwang und Marketingwunsch positioniert. Das komplexe Lebensmittelrecht mitsamt seinen Ausführungsbestimmungen als Leitfaden ist dabei oft nicht hilfreich. Was legal ist, muss nicht immer auch legitim sein und die Grenze zwischen machbar und legitim muss jeder für sich selbst ziehen. Der Manager wird feststellen, dass viele Verbraucherschützer sie gänzlich anders sehen.
2.7 Exkurs: Unternehmerische Kennzahlen
Primäres kurzfristiges Unternehmerziel ist die Erreichung des Jahresplans oder des Budgets. Zur Beurteilung des Ergebnisses werden Messgrößen verwendet, die in Abhängigkeit des Unternehmensprofils und der strategischen Ausrichtung extrem vielfältig sein können. Nachfolgend werden einige wichtige Zielgrößen beschrieben, die je nach der Einstellung eines Unternehmens unterschiedlich wichtig sein können. Das Spektrum reicht von der Ergebnisbetrachtung in Form der Umsatzrendite oder der Angabe des Gewinns ausgedrückt als EBT, EBIT, EBITDA usw. Andere Zielgrößen bei der Ergebnisbetrachtung sind z. B. die Kapitalrendite oder die inhaltlich nahe verwandte Rendite auf das eingesetzte Kapital (ROI Return on Investment oder ROCE Return on Capital Employed). Aktiengesellschaften rechnen häufig mit dem EBIT per Share (Aktie). Weitere Möglichkeiten sind EBIT je Mitarbeiter, aber auch Anzahl produzierter Maschinen je Quadratmeter Hallenfläche oder der Umsatz pro Kopf. Handelsunternehmen oder Dienstleister verfügen jeweils über ein eigenes Spektrum an Messgrößen, hierzu zählen z. B. der Umsatz je Quadratmeter Verkaufsfläche, die Anzahl verkaufter Analysen je Großgerät, der Umsatz je Beratungsaktivität oder die Kundenzufriedenheit. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt, wenn es darum geht, die Unternehmensleistung zu messen und sich damit periodisch selbst oder mit dem Wettbewerb generell vergleichbar zu machen.
Firmenspezifisch zugeschnittene Messgrößen sind kein Selbstzweck. Deren Werte bieten die entscheidenden Ansätze, eine Firmenleistung gezielt zu verbessern. Üblicherweise verfügt jedes Unternehmen über eine Priorisierung dieser Größen, um gegebenenfalls nach Wichtigkeit daran zu arbeiten. Um Firmenziele zu quantifizieren und vergleichbar zu machen, hat die Betriebswirtschaftslehre zahlreiche Systeme von Kennzahlenentwickelt (Probst 2006). Einige wichtige aus diesem Pool werden nachfolgend vorgestellt. Ein Teil davon ist in die Bilanzierungsrichtlinien eingeflossen, ergänzende Formulierungen und Definitionen müssen für die betriebswirtschaftliche Praxis in firmenspezifischen Handbüchern definiert werden. Sie ermöglichen auf diese Weise ein einheitliches Vorgehen in allen kaufmännischen Abteilungen und einen Einsatz in Bilanzen und Geschäftsberichten als Steuergröße. Das Working Capital setzt sich beispielsweise aus mehreren Untergrößen zusammen, über die im Unternehmen ein einheitliches Verständnis herrschen muss. Gleiches gilt für die Vorräte, die ebenfalls aus vielen unterschiedlichen Kategorien von Gütern bestehen. Gleichfalls ist festzulegen, ob und wie Wertberichtigungen vorzunehmen sind, wenn sie über den Bilanzstichtag hinaus im Betrieb verbleiben.
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