40Vgl. Meijers, Debora, The Museum and the ,Ahistorical’ Exhibition. The latest gimmick by the arbiters of taste, or an important cultural phenomenon?, in: Reesa Greenberg / Bruce W. Ferguson / Sandy Nairne (Hg.), Thinking about Exhibitions, 1996, S. 7 – 20.
41Vgl. von Osten, Marion, Eine Frage des Standpunktes. Ausstellungen machen, in: Olympe. Feministische Arbeitshefte zur Politik, Heft 19: Dispersion. Kunstpraktiken und ihre Vernetzungen, Dezember 2003, S. 59 – 72.
42Vgl. Ault, Julie, Show and Tell: A Chronicle of Group Material, London 2010.
1.3 Entwicklungslinien der Kunst- und Kulturvermittlung
Renate Höllwart
Kunst- und Kulturvermittlung ist von vielen Vorstellungen davon begleitet, was sie zu leisten hat und wer ihre AkteurInnen sind. Denn unterschiedliche Arbeitsfelder, Disziplinen und Bildungskonzepte führen historisch wie aktuell zu divergierenden Betrachtungsweisen über ihre Entwicklung. Gemeinsam sind ihnen jedoch Fragen danach, wie und von wem welche Inhalte für wen und an wen vermittelt werden. Begriffe wie Schnittstelle, Spannungsfeld, Widerspruch begleiten das Nachdenken über die Aufgaben und nicht zuletzt über die gesellschaftspolitische Rolle von Kunst- und Kulturvermittlung. Theorie und Praxis verorten diese im „Dazwischen“ und bringen Konflikte zur Sprache. Die Etablierung des Berufsfelds zeichnet daher ein verbindendes, manchmal auch konkurrierendes Bild in den Bereichen Kunsterziehung, Kunstvermittlung, Museumspädagogik, kulturelle Bildung und Forschung. Gemeinsam ist ihnen der Kampf um Anerkennung und damit nach adäquaten Ressourcen für Theorie und Praxis.
Dieser Beitrag will eine kleine Geschichte der Entwicklung von Vermittlungsansätzen, Diskursen und AkteurInnen sowie deren Rahmenbedingungen nachzeichnen. Von Beginn an agierten VermittlerInnen und MuseumspädagogInnen bereits im 19. Jahrhundert als „ExpertInnen“, demonstrators und guides innerhalb von hegemonialen Bildungskonzepten. In diesem Beitrag sollen Entwicklungslinien seit den 1970er-Jahren skizziert werden, die eine Positionsbestimmung der gegenwärtigen Kunst- und Kulturvermittlung zwischen den Ansprüchen einer kritischen Vermittlungspraxis und institutionellen Interessen sowie kulturpolitischen Bildungsentwürfen anbieten, ohne den Anspruch einer vollständigen oder repräsentativen Wiedergabe zu erheben. Dabei wird deutlich, dass die Kunst- und Kulturvermittlung über die Grenzen der traditionellen Aufgabe der Wissensweitergabe in Museen und Ausstellungen hinausreicht. Ihre Prozesse und Paradigmenwechsel spiegeln die Veränderungen der Rolle des Museums und des Kunstbegriffs wider. Und ganz in diesem Sinne gehört es spätestens seit den 1990er-Jahren zu ihrem Selbstverständnis, die Institutionen als Orte der Kanonisierung von Techniken der Wahrheitsproduktion infrage zu stellen und dabei ihre Grenzen ebenso auszuloten wie zu verschieben.
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Die weitreichende Etablierung der Museumspädagogik im deutschsprachigen Raum geht einher mit dem in den 1970er-Jahren formulierten kulturpolitischen Postulat „Kultur für alle“. Museen sollten für alle zugänglich werden. Ziel war „die Hebung des Bildungsniveaus und die Verbesserung des Kulturverhaltens der […] Bevölkerung“. 43Damit erging ein weitreichender Auftrag an die Museen, Schwellenängste abzubauen, neue Publikumsgruppen an die Museen heranzuführen und im Sinne einer Demokratisierung den elitären Status und Charakter von Museen aufzubrechen und für ein breites Publikum zu öffnen. Es entstand eine kulturpolitische Notwendigkeit, sich für Fragen der spezifischen Kompetenz und Ausbildung von VermittlerInnen sowie für neue Methoden zu interessieren.
Im Sinne der Heranführung an Kunst und „Entfaltung“ von Kreativität wurde bereits 1970 im Museum des 20. Jahrhunderts in Wien erstmals das Programm Kinder malen, zeichnen, formen angeboten. Die Arbeit mit Kindern in den Ausstellungsräumlichkeiten sollte „Teil einer Entwicklung vom passiven zum aktiven Museum“ 44und die Ergebnisse der Malaktionen sollten integrativer Bestandteil der Ausstellungstätigkeit sein.
Es kam vermehrt zur Einrichtung pädagogischer Dienste, die gemeinsam mit Museen Vermittlungsprogramme meist für Kinder und Jugendliche anboten. Methoden wie das Gespräch, der Einsatz von Gegenständen und unterschiedlichen Medien, die subjektive Betrachtung, das „Spiel“ sowie praktische Arbeit sollten dabei Zugänge zu den Ausstellungsinhalten erleichtern und die Verbreitung der museumspädagogischen Praxis vorantreiben. Mit der Gründung des Museumspädagogischen Dienstes im Jahr 1985 wurde mit dem Projekt Kolibri flieg eine kontinuierliche Arbeit mit Kindern und Jugendlichen und eine Methodenreflexion im Museum moderner Kunst in Wien ermöglicht. Damit einhergehend führte Heiderose Hildebrand 1987 den Begriff der „zeit- und personalintensiven Vermittlungsarbeit“ ein. Faktoren wie genügend Zeit und eine Gruppengröße von nicht mehr als 12 Personen wurden Kriterien für eine qualitative Vermittlungsarbeit.
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Von der Museumspädagogik zur Kunst- und Kulturvermittlung
Die 1990er-Jahre waren geprägt von Selbstorganisation zwischen Auftrag und Interessenspolitik. Im deutschsprachigen Raum formierten sich Interessensvertretungen wie der Dachverband Bundesverband Museumspädagogik e. V. (1991), der Österreichische Verband der KulturvermittlerInnen im Museums- und Ausstellungswesen (1991), sowie Museumspädagogik Schweiz 45(1994). Eine zentrale Forderung war, Kunst- und Kulturvermittlung als fixen Bestandteil der Museums- und Ausstellungslandschaft zu etablieren. Die Aktivitäten waren und sind bestimmt von der Arbeit an einem Berufsbild, Stellungnahmen zu kulturpolitischen Rahmenbedingungen und von Verhandlungen über Qualitätskriterien der Kunst- und Kulturvermittlung im Spannungsfeld institutioneller Eingliederung und unabhängiger Vermittlungsarbeit. Die Verbandszeitschriften faxen (bis 2004) und Standbein. Spielbein boten das Forum für Vernetzung und Austausch. Mit der Gründung einer Berufsvertretung in Österreich wurde die geläufige Berufsbezeichnung von MuseumspädagogInnen in KulturvermittlerInnen verändert. Damit fand eine Abgrenzung zum Begriff Pädagogik statt, der im Museumskontext vor allem die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen meint und nicht mehr ausreichend das vielfältige Tätigkeitsfeld fasste. Die Unterscheidung in mediale, personale und in den letzten Jahren vermehrt handlungsorientierte Vermittlung bietet Orientierung: Vermittlungsarbeit ist demnach immer eine Herstellung von Beziehung zwischen Inhalten, Personen und Dingen, die, so Gabriele Stöger (2003), ohne diese nicht zustande kommen würde. Eine wichtige Rolle für Professionalisierung und Entwicklung von Theorie und Praxis nahm im österreichischen Kontext das Büro für Kulturvermittlung ein. 46Dessen Tätigkeitsbericht (2003) formulierte den Auftrag, „professionelle Neuentwicklungen im Bereich der kulturbezogenen, partizipatorischen Vermittlungsarbeit zu initiieren und ihre Weiterentwicklung zu fördern“. Mit der Vermittlungsreihe Das Nützliche und das Fremde (1989 – 2004) wurden in der Zusammenarbeit von Kulturschaffenden, VermittlerInnen und BerufsschülerInnen neue Wege für eine Annäherung zwischen Museen und Ausstellungshäusern und einer „kunstfernen“ Berufs- und Lehrlingsausbildung beschritten.
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1999 veröffentlichte der österreichische Verband gemeinsam mit den Verbänden aus Deutschland und der Schweiz einen Informationsfolder mit dem Titel Kommunikation, Museumspädagogik, Bildungsarbeit, Kulturvermittlung in Museen und Ausstellungen zur Darstellung des Tätigkeitsfelds. Er diente zur Spezifizierung der Anforderungen ebenso wie als Grundlage für Honorarverhandlungen für die meist freiberuflichen VermittlerInnen. Diese Zusammenarbeit wird in der Erarbeitung von Qualitätskriterien für Museen: Bildungs- und Vermittlungsarbeit (2008) sowie „Checklisten“ für Museen, politisch Verantwortliche und VermittlerInnen bis heute weitergeführt.
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