Zwei weitere Personen, die Kulturdimensionen maßgeblich prägten, sind der Niederländer Fons Trompenaars, der 1993 das Werk Riding The Waves of Culture veröffentlichte, und der Brite Charles Hampden-Turner. Beide Forscher haben als Berater- und Autoren-Tandem zahlreiche Werke veröffentlicht. Wie auch Hofstede stützen sie sich auf die Annahme von Kluckhohn und Strodtbeck (1961), dass Kulturen universellen Problemen gegenüberstehen, wofür sie jeweils unterschiedliche Lösungen finden (Trompenaars/Hampden-Turner 1997). Methodisch arbeitete Trompenaars in seiner ersten Studie (1993) mit 30.000 standardisierten Fragebögen, die er in 30 Unternehmen in 50 verschiedenen Ländern beantworten ließ. Die daraus resultierenden Kulturdimensionen leiten sich zum einen von Kluckhohn und Strodtbeck (1961) ab, zum anderen von dem US-amerikanischen Soziologen Talcott Parsons (1952) und Parsons und Shils (1951/1991). Sie finden sich in Tab. 24.
Universalismus – PartikularismusGrad der Wichtigkeit, den eine Kultur entweder dem Gesetz oder den persönlichen Beziehungen beimisst. |
Haltung, die besagt, dass Normen und Regeln für das Verhalten gegenüber anderen Menschen für alle gleich gelten |
Haltung, die besagt, dass partikulare Verpflichtungen gegenüber einzelnen Mitgliedern wichtiger sind, als das Befolgen allgemeinverbindlicher Normen und Regeln |
Individualismus – KollektivismusGrad, zu dem Menschen sich selbst eher Individuum sehen oder eher einer Gemeinschaft zugehörig fühlen. |
Individuum steht vor der Gemeinschaft. Das bedeutet, dass individuelles Glück, Erfüllung und Wohlergehen vorherrschen, Menschen Eigeninitiative zeigen und für sich selbst sorgen |
Gemeinschaft ist wichtiger als die Einzelperson. Es liegt also in der Verantwortung Einzelner, im Dienste der Gesellschaft zu handeln. Damit werden individuelle Bedürfnisse bereits automatisch berücksichtigt |
Spezifität – DiffusitätGrad, zu dem Verantwortung spezifisch zugewiesen oder diffus akzeptiert wird. |
Akteure analysieren zuerst die Elemente einzeln und setzen sie dann zusammen. Das Ganze ist die Summe seiner Teile. Das Leben der Menschen ist dementsprechend geteilt und es kann jeweils nur auf eine einzige Komponente eingegangen werden. Interaktionen zwischen Menschen sind klar definiert. Individuen konzentrieren sich auf Fakten, Standards und Verträge |
Eine diffus orientierte Kultur beginnt mit dem Ganzen und sieht einzelne Elemente aus der Perspektive des Ganzen. Alle Elemente sind miteinander verknüpft. Beziehungen zwischen Elementen sind wichtiger als einzelne Elemente |
Neutralität – AffektivitätGrad, zu dem Individuen ihre Emotionen zeigen. |
Menschen wird beigebracht, ihre Gefühle nicht offen zur Schau zu stellen. Der Grad, in dem sich Gefühle manifestieren, ist daher minimal. Emotionen werden kontrolliert, wenn sie auftreten |
In einer affektiven Kultur zeigen Menschen ihre Emotionen, und es wird nicht als notwendig erachtet, Gefühle zu verbergen |
Leistung – HerkunftGrad, zu dem sich Einzelpersonen beweisen müssen, um einen gewissen Status zu erhalten, im Gegensatz zu einem Status, der einfach zugeschrieben wird. |
Menschen leiten ihren Status von dem ab, was sie selbst erreicht haben. Erreichter Status muss immer wieder nachgewiesen werden und der Status wird dementsprechend vergeben |
Menschen leiten ihren Status von Geburt, Alter, Geschlecht oder Reichtum ab. Hier beruht der Status nicht auf Leistung, sondern auf dem Wesen der Person |
Interne Kontrolle – Externe KontrolleGrad, zu dem Individuen glauben, dass die Umwelt kontrolliert werden kann, anstatt zu glauben, dass die Umwelt sie kontrolliert. |
Menschen haben eine mechanistische Sicht der Natur; Natur ist komplex, kann aber mit dem richtigen Fachwissen gesteuert werden. Menschen glauben, dass sie die Natur beherrschen können |
Menschen haben einen organischen Blick auf die Natur. Menschen werden als eine der Naturgewalten betrachtet und sollte deshalb in Harmonie mit der Umwelt leben. Menschen passen sich daher den äußeren Gegebenheiten an |
Serialität – ParallelitätGrad, zu dem Individuen Dinge nacheinander tun, im Gegensatz zu mehreren Dingen auf einmal. |
In einer sequentiellen Kultur strukturieren Menschen die Zeit sequentiell und tun Dinge nacheinander |
In einer parallelen, synchronen Zeitkultur tun Menschen mehrere Dinge gleichzeitig, weil sie glauben, dass Zeit flexibel und immateriell ist |
Tab. 24: Kulturdimensionen nach Hampden-Turner und Trompenaars (2000, unsere Übersetzung)
In Forschung und Praxis werden die einzelnen Kulturdimensionen anhand von kulturtypischen Beispielen oder auch kritischen Interaktionssituationen illustriert und konkretisiert. Wissenschaftlich findet sich eine häufige Nutzung der Kulturdimensionen durch das von Kogut und Singh (1988) entwickelte Konzept der kulturellen Distanz. Ausgehend von der These, dass kulturelle Faktoren einen Einfluss auf Managemententscheidungen bezüglich des Eintrittsmodus in einen fremden Markt (Akquisition, Joint Venture) haben, entwickeln Kogut und Singh einen Index zur Messung kultureller Distanz. Kulturelle Distanz beschreibt dabei die »psychische« Distanz, die gegenüber einer anderen Kultur wahrgenommen wird, d. h. »the degree to which a firm is uncertain of the characteristics of a foreign market« (Kogut/Singh 1988, 413). Nach Kogut und Singhs Modell wird die relative kulturelle Distanz zweier Länder anhand der Abweichung der jeweiligen Indexwerte von Hofstedes Dimensionen Unsicherheitsvermeidung, Individualismus, Machtdistanz und Maskulinität gemessen.
Nicht nur in der Wissenschaft, auch in der interkulturellen Praxis (Training und Beratung) wird das Konzept der kulturellen Distanz und Nähe anhand der Kulturdimensionen mithilfe von geschlossenen Fragebögen im internationalen Personalmanagement genutzt. Dabei wird mit Gegensätzen gearbeitet. Somit lassen sich Profile erstellen, bei denen etwa das persönliche Profil eines Mitarbeiters aus Kultur A dem Profil der Landeskultur B gegenübergestellt wird. In einem Artikel des Jahres 2001 stellt Shenkar fest, dass nur wenige Konzepte in der internationalen Managementliteratur eine so breite Akzeptanz gefunden haben, wie die kulturelle Distanz. Jedoch gibt es einige konzeptionelle Vorbehalte gegenüber diesem Konzept, wie die »Illusion der Symmetrie«, die »Illusion der Linearität« oder die »Illusion der Stabilität« (Shenkar 2001, 520–521).
Kulturstandards
Kulturstandards – als deutscher Beitrag zur interkulturellen Forschung und Praxis – sind ein emischer Ansatz zur Beschreibung und Kontrastierung von Kulturen. Sie wurden von dem deutschen Sozialpsychologen Alexander Thomas (2003a) entwickelt und dienen, ähnlich wie Kulturdimensionen der Beschreibung kultureller Systeme sowie der Analyse interkultureller Begegnungssituationen. Kulturstandards sind »[…] Arten des Wahrnehmens, Denkens, Wertens und Handelns, die von vielen Mitgliedern eines sozialen Systems als normal, typisch und verbindlich angesehen werden« (Thomas 2003a, 25).
Kulturstandards stellen als Orientierungsmaßstäbe kulturelle Selbstverständlichkeiten und Leitlinien sozialen Handelns dar. In Anlehnung an einen Standard, der definiert, wie Objekte beschaffen sein oder Prozesse ablaufen sollten, legt ein Kulturstandard den Maßstab dafür fest, wie sich Mitglieder einer bestimmten Kultur tendenziell verhalten, also wie Objekte, Personen und Ereignisabläufe wahrgenommen, bewertet und behandelt werden (Kammhuber/Schroll-Machl 2007). Eigenkulturelles und anderskulturelles Verhalten wird aufgrund dieser Kulturstandards gesteuert, reguliert und beurteilt. Die einem System inhärenten Kulturstandards sind in der eigenen Gesellschaft angemessen, normal, akzeptabel, funktional und zielführend.
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