Abb. 2.12 Die Nutzung der Ressource Fisch (oder auch von Krebstieren, Mollusken etc.) ermöglicht die Besiedlung aller Meere durch Vögel. In den produktiven Aufquellgebieten (upwelling areas) können einzelne Arten von Meeresvögeln oft hohe Bestandsdichten erreichen und bilden an ihren Brutplätzen auf Inseln die größten Massenansammlungen von Vögeln auf engem Raum. Der akkumulierte stickstoff- und phosphorreiche Kot wurde früher in Form von Guano zu Düngezwecken industriell abgebaut. In Walvis Bay (Namibia) hat man den Kapkormoranen (Phalacrocorax capensis) eigens riesige Brutplattformen errichtet. Als Biodünger erlebt Guano heute wieder eine steigende Nachfrage.
Als (Nahrungs-)Generalisten werden auch Tiere bezeichnet, deren Nahrungsspektrum breit ist, also viele verschiedene Komponenten enthält, unabhängig von den weiter oben definierten Nahrungskategorien. Das Gegenteil sind (Nahrungs-)Spezialisten. Zu einer stringenteren Definition wird etwa die Nutzung des vorhandenen Nahrungsangebots herbeigezogen: Generalisten nutzen das in einem Habitat vorhandene Beuteartenspektrum zufällig, Spezialisten in einer spezifischen Auswahl. Allerdings lässt sich das grundsätzlich nutzbare Angebot gerade bei Prädatoren oft kaum ermitteln. Im Zusammenhang mit unselektiver Nahrungssuche wird auch der Begriff Opportunist gebraucht. Bei Herbivoren, besonders Huftieren, spricht man von selektiv äsenden Arten, wenn sie bestimmte Pflanzen oder Pflanzenteile herausgreifen; das Gegenteil sind unselektive Äser (bulk feeders; Weiteres in Kap. 2.5). Die genannten Bezeichnungen sind deshalb vor allem beim Vergleich verschiedener Arten aus derselben Verwandtschaft oder der gleichen Gilde sinnvoll. Allerdings muss beachtet werden, dass es auch Arten gibt, bei denen einzelne Individuen sich als Nahrungsspezialisten, andere hingegen sich als Generalisten gebärden (Araújo et al. 2010; dieser Aspekt der intraspezifischen Variation wird in Kap. 3.2besprochen). Abgesehen davon ist es verständlich, dass Spezialisten nicht unter den Omnivoren, sondern bei den Carnivoren oder Herbivoren zu finden sind. Generalisten hingegen müssen nicht zwingend omnivor sein; auch unter Carnivoren oder Herbivoren kann man im Vergleich verschiedener Arten von Generalisten und Spezialisten sprechen. Extreme Spezialisten, die sich von einer einzigen oder nur sehr wenigen Arten ernähren, kommen in den meisten Wirbeltiergruppen vor. Bekannte Beispiele sind unter den Herbivoren etwa der Riesenpanda (Ailuropoda melanoleuca), der zu 99 % von Bambus lebt, oder die Meerechse (Amblyrhynchus cristatus) auf Galapagos, die nur Algen und Tang frisst und sich dabei als einzige Echse aus dem Meer ernährt. Spezialisierte carnivore Arten sind etwa solche, die nur von Termiten oder Ameisen leben, was für verschiedene Gruppen innerhalb der Säugetiere (etwa Erdferkel, Orycteropus afer, und Ameisenbären; Abb. 2.14) und Echsen zutrifft. Ein sehr ungewöhnlicher Fall unter den Vögeln sind die Fettschwalme (Steatornis caripensis), die nachtaktive Fruchtfresser sind und sich teilweise über den Geruch orientieren. Oft geht extreme Spezialisierung mit sehr spezifischen morphologischen Anpassungen einher.
Box 2.4 Frugivorie bei Vögeln
Obwohl Früchte und Nektar pflanzliche Bestandteile sind, unterscheiden sich die Anforderungen an Frugivore und Nectarivore in mancher Hinsicht von jenen an klassische Herbivore. Entsprechend dem Nahrungsangebot sind Frugivore und Nectarivore vor allem in subtropischen und tropischen Breiten zu finden. Früchte werden von den Pflanzen produziert, damit sie gefressen und die in ihnen enthaltenen Samen verbreitet werden; Entsprechendes gilt für Nektar und Pollen. Die Brutzeit der frugivoren Vögel fällt in den Tropen mit der Zeit stärkster Fruchtbildung zusammen. Allerdings sind die meisten dieser Vögel nur als Adulte frugivor (Abb. 2.13); die Nestlinge füttern sie mit Insekten. Früchte enthalten im Allgemeinen einen zu geringen Anteil an Proteinen ( Tab. 2.1), um die hohe Wachstumsgeschwindigkeit der Nestlinge zu gewährleisten. Gewisse tropische Früchte mit trockenem Fruchtfleisch bieten jedoch den darauf spezialisierten Vögeln eine relativ protein- und fettreiche Nahrung an (Snow 1976). Einige Arten sind damit total frugivor, das heißt, sie füttern auch die Nestlinge mit Früchten. Die Nestlingsdauer wird aber anders als bei Insektenfressern bei Fruchtnahrung dennoch häufig auf fast das Doppelte verlängert, was besonders prädatorensichere Neststandorte und -konstruktionen verlangt (Stutchbury & Morton 2001).
Für adulte Vögel ist das üppige und meist ganzjährig verfügbare Früchteangebot grundsätzlich eine energetisch lohnende Nahrungsquelle. Dennoch wird sie nicht ihrer Häufigkeit entsprechend genutzt. Dies hat damit zu tun, dass Verdauungsvorgänge innerhalb der Vögel sehr variieren. So besitzen zum Beispiel viele Singvögel – im Gegensatz etwa zu Menschen oder Laborratten – kein Enzym zur Spaltung von Sucrose. Auch sind zur Nutzung kohlenhydratreichen und fettreichen Fruchtfleisches aufgrund unterschiedlicher Assimilationsgeschwindigkeit differenzierte Anpassungen nötig. Weitere Probleme können die in Früchten enthaltenen Sekundärstoffe sowie unausgewogene Mineralgehalte für Frucht- und Nektarfresser verursachen (Levey & Martínez del Río 2001).
Abb. 2.13 Viele der neotropischen Tangaren (hier eine Dreifarbentangare, Tangara seledon) sind als Adulte zu einem Großteil frugivor, füttern die Jungen in der ersten Zeit aber vorwiegend mit Arthropoden.
Abb. 2.14 Der Große Ameisenbär (Myrmecophaga tridactyla) aus den Savannen Südamerikas ist ein spezialisierter Ameisen- und Termitenfresser. Seine röhrenförmige Schnauze ist zahnlos; die Aufnahme der Beute geschieht mithilfe einer langen Zunge.
Der Verdauungsapparat (digestive system, feeding apparatus) der meisten Wirbeltiere ist eine komplexe Abfolge von (teilweise gewundenen) engen Schläuchen und weiten Kammern und kann ein Mehrfaches der Körperlänge des Tieres messen. Je schwieriger es ist, die Nährstoffe aus der Nahrung zu extrahieren, desto komplexer ist der Verdauungsapparat aufgebaut. Von den Carnivoren (einfache Trakte) über die Omnivoren zu den Herbivoren (komplizierte Trakte) besteht ein Kontinuum von vorwiegend selbstständiger, enzymatischer Verdauung zu vorwiegend unselbstständiger Verdauung mithilfe symbiotischer Mikroorganismen, die den Nahrungsbrei in Gärkammern fermentieren. Grundsätzlich aber lassen sich im Verdauungsapparat vier Segmente zwischen Mund und After erkennen (Abb. 2.15): Mundhöhle und Pharynx (headgut), Vormagen, bestehend aus Speiseröhre und Magen (foregut), Dünndarm (midgut) und Dickdarm mit Blinddarm (hindgut).
Bereits die Mundregion lässt aufgrund ihrer morphologischen Differenzierung Rückschlüsse auf die Ernährung zu. Vögel besitzen keine echten Zähne und haben damit im Gegensatz zu Säugetieren keine effiziente Möglichkeit, die Nahrung schon im Mundbereich zu zerkleinern. Der Eulenpapagei (Strigops habroptilus) ist diesbezüglich eine Ausnahme; er vermag mit seiner Zunge Pflanzenmaterial zu zerreiben, um nur den Saft aufzunehmen (Kirk et al. 1993). Im Gegensatz zur Schädelform ist bei den Vögeln der Hornschnabel in Anpassung an die Art der Nahrung und ihre Beschaffung über die höheren taxonomischen Gruppen sehr vielfältig differenziert. Aber auch innerhalb einzelner Familien gibt es Beispiele spektakulärer adaptiver Radiation, die eine große Diversität der Schnabelformen (und weiterer, mit der Nahrungssuche zusammenhängender anatomischer Merkmale) hervorgebracht hat. Bekannte Lehrbuchbeispiele sind die Kleidervögel Hawaiis (Pratt 2005) oder die Grundfinken (Geospiza) der Galapagosinseln ( Kap. 8.6), aber auch die Vangawürger Madagaskars gehören dazu (Abb. 2.16).
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