Obwohl also Klauseln im engeren Sinne an dieser Stelle für eine stilistische Betrachtung nur in zwei Fällen fruchtbar herangezogen werden können, so zeigt sich die Gestaltung der Periode doch zumindest in zwei von drei Teilsätzen mithilfe der kolometrischen Aufgliederung sehr gut. Alles Weitere werden wir für das folgende Kapitel aufsparen und kommen damit zur nächsten Periode dieser Stichprobe:
ego sum ille consul, patres conscripti, cui non forum, in quo omnis aequitas continetur, non campus auspiciis consecratus, non curia, summum auxilium omnium gentium, non domus, commune perfugium, non lectus ad quietem datus, non denique haec sella curulis, sedes honoris, umquam vacua mortis periculo atque insidiis fuit.
Es drohe Cicero gewissermaßen überall in der Öffentlichkeit wie auch im Privaten Lebensgefahr; auf dem Forum, dem Marsfeld, in der Kurie, ja nicht einmal zu Hause sei er vor Anschlägen sicher.
Wir gehen erneut so vor, dass wir Vokative, Appositionen, Teilsatz- und Aufzählungsgrenzen beachten. Auch das semantische Gewicht von „summum auxilium“ einerseits und „omnium gentium“ andererseits spricht deutlich für die Annahme zweier Kola in diesem Fall.
Es fällt bereits beim ersten Überblicken dieser Periode auf, dass die messbaren Klauseln gewisse Gruppen zu bilden scheinen: 2-mal P gefolgt von 2-mal V, dreimal T und dreimal P mit jeweils kurzen Unterbrechungen durch nicht messbare Kola und in einem Fall TTβε. Hier kommt im Übrigen eine Besonderheit hinzu: die zweite Hauptform tritt gemeinsam mit TTβε auf.114
Wir nehmen nun vorrangig diese ersten auffälligen Kollokationen von Klauseln der Reihe nach in Augenschein. Zuerst sei hier der Hauptsatz mitsamt der Adressierung der Senatoren separat dargestellt:
Wie in den ersten beiden Kola der Rede, so zeigt sich auch hier doppelter cursus planus. Dieser weist vielleicht auf eine bewusste, gleichförmige prosarhythmische Gestaltung dieser Kola hin. Auch der Gleichklang von „con-“ deutet in diese Richtung. Kommen wir zu den ersten Subjekten des Nebensatzes mitsamt dem zu „forum“ gehörigen Relativsatz:
Es zeigt sich schnell, dass die ersten beiden von Cicero genannten geographischen Entitäten, das Forum Romanum und das Marsfeld, mit Wendungen präsentiert werden, welche letztlich zweimal den cursus velox ergeben. Auch eine erneute Alliteration ist erkennbar. All dies deutet zumindest auf die Zusammengehörigkeit beider Punkte, wie auch der damit einhergehenden Kolongruppe, zumal auch die Quantitäten beinahe identisch sind. Hier allerdings gilt, wie auch für den Rest der Periode, dass wir im Verlauf des nächsten Kapitels noch einige Veränderungen an unserer Analyse und Darstellung werden vornehmen müssen.
Wenn wir jetzt unser Augenmerk auf die nächsten Entitäten (zwei Gebäude statt zweier Plätze) richten, so tritt auch hier offenbar ein gewisses Muster zutage:
Wie man sieht, werden diese beiden Aufzählungspunkte im Gegensatz zu den ersten beiden von T dominiert, die Kola „non curia“ und „non domus“ sind als nicht-rhythmisch zu bezeichnen, T folgt jeweils. Auch Homoioteleuta sind gegeben. Damit bestätigen sich in gewisser Weise unsere vorangehenden Beobachtungen. Bisher plädieren die Klauseln also für die Zusammengehörigkeit gewisser inhaltlich zueinander passender Kola und damit natürlich auch für eine Abgrenzung dieser Kolongruppen voneinander. Aber kommen wir damit zu den letzten Kola:
An dieser Stelle scheint das bis dato verfolgte Erklärungsmuster nicht mehr oder doch nur in Teilen aufzugehen: das erste Kolon (mit dem Stichwort „lectus“) entzieht sich dem Ganzen mit TT und der zweiten Hauptform statt P, während „sella curulis“ samt Apposition gleichförmig P messen lässt, wie auch das Ende des Relativsatzes.
Während also keine exakte Passung vorliegt, so können wir doch zumindest zweierlei sagen: zuerst scheint der Periodenbeginn durch eine weitere Gruppe von P-Klauseln aufgenommen zu werden. Sodann ist zumindest der letzte Aufzählungspunkt in die besagte Kolongruppe eingebunden und lässt damit den cursus planus als für ihn spezifische Klausel im Gegensatz zu V und T messen. Eine gewisse Absicht in Gestalt einer bewussten thematisch fundierten Kolongruppierung anzunehmen, ist also auch hier nicht abwegig, selbst wenn sich zumindest ein Kolon der Periode unserem Zugriff ganz zu entziehen scheint. Doch wie steht es nun mit diesem Kolon („non lectus ád quiétem dátus“), welches TTβε und zugleich die Quantitäten der zweiten Hauptform messen lässt?
Zunächst können wir sagen, dass weder Akzente noch Gleichklänge hier auf eine Assoziation mit T hindeuten. Die Quantitäten wären nur mit „omnium gentium“ in Bezug zu bringen, was auf sich gestellt kaum sinnig erscheint. Ferner ist auch das hier genannte Stichwort „lectus“ mit den vorangehenden und als Träger von T-Klauseln erfassten Kola nicht unmittelbar kompatibel, sondern vielmehr mit „sedes“. Ein etwaiger Rückbezug lässt sich also weder inhaltlich noch formal bestätigen.115
Beides spricht zunächst dafür, dass wir die Quantitäten an dieser Stelle nicht überbewerten sollten. Es wird aber noch eingehender zu prüfen sein, ob die Tatsache, dass auch an anderer Stelle Akzente und Hauptform in dieser Form aufeinandertreffen, weitere Schlussfolgerungen nach sich ziehen muss. Momentan jedoch ist die Form als Ganze schwierig zu deuten, das Kolon sollte wie gesagt inhaltlich zu den folgenden gezogen werden. Soviel zu unserer ersten Betrachtung dieser längeren Periode.
Wir gehen erneut einen Schritt weiter. Cicero habe vieles verschwiegen und erduldet, vieles zugestanden und unter persönlichen Opfern wieder ins rechte Lot gebracht:
ego multa tacui, multa pertuli, multa concessi, multa meo quodam dolore in vestro timore sanavi.
Es scheint zunächst geboten, alle hier asyndetisch aneinandergereihten Teilsätze zu trennen, wie auch den Präpositionalausdruck „in vestro timore“ (ohne aber „sanavi“ vom selbigen zu trennen).
Es fällt sofort auf, dass die Periode auf einen M- („Verschweigen und Ertragen“) und P-Block („Zugestehen und Heilen unter eigenem Schmerz, während der Senat sich fürchtet“)116 zerfällt, welche zudem von solchen Kola abgeschlossen werden, die Hauptformen messen lassen. Gemeinsam haben alle Kola, dass die γ-Zäsur vorliegt. Dies legt zunächst die Frage nahe, ob die etwaigen Paare „tacui…pertuli“ sowie „concessi…sanavi“ tatsächlich als solche begründbar sind, und das scheint auch der Fall zu sein: zunächst könnte man sagen, dass es sich um einen Gegensatz handelt. Anhand von „ertragen“ („pertuli“) im eher passiven und „heilen“ („sanavi“) im aktiv-helfenden Sinne wird das zuerst deutlich. Aber auch das passive „Schweigen“ und aktivere „Gestatten/Zugestehen“ verhalten sich hierzu analog. Zudem wird man sagen müssen, dass in beiden Fällen zunächst auf eine (Nicht-)Äußerung („tacui“ und „concessi“), dann auf ein Handeln („pertuli“ und „sanavi“) Bezug genommen wird.
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